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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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von den im Volke verbreiteten Ansichten abweichen, um so ge-
wisser als der eignen und wahren Ueberzeugung des Dichters
angehörig gelten. Der Dichter, sonst, bei flüchtiger Berührung
der jenseitigen Dinge, sich den herkömmlichen Vorstellungen
anbequemend, giebt sich solchen Ahnungen und Hoffnungen
hin, wo der Gegenstand seines Liedes zur Vertiefung in die
Geheimnisse jenseitigen Lebens einlud, in Trauergesängen um
Verstorbene vornehmlich. Er mochte dabei Rücksicht nehmen
auf die Sinnesart derer, denen sein Lied zuerst erklingen sollte.
Theron, der Herr von Akragas, dem das zweite, in Seligkeits-
hoffnungen sich ergehende olympische Siegeslied gewidmet ist,
war ein greiser Mann, dem Gedanken an das Leben nach
dem Tode naheliegen mochten1). Auch lässt sich in diesem
Falle vielleicht besondere Neigung des Gefeierten, auf diese,
vom gemeingültigen Seelenglauben fernabführenden Gedanken
einzugehn, voraussetzen2). Nur dass Pindar, der stolze, eigen-
richtige, sehr bewusster Weisheit frohe, mit dem Vortrage sol-
cher, populärem Bewusstsein so fremdartiger Lehren sich ledig-
lich fremden Wünschen gefügt, fremdem Glauben gefällig sollte
Ausdruck gegeben haben, das ist undenkbar. Es ist der In-

Worten am allerwenigsten kann man abnehmen, dass Pindar die Seelen
der eusebeis in den Himmel versetzt habe (eher, dass er auch in den
threnoi -- wie sonst: s. p. 497, 3 -- bisweilen nur die Unsterblichkeit
des Ruhms kannte: nur davon redet Horaz).
1) Olymp. II feiert einen Sieg, den Theron Ol. 76 in Olympia er-
rungen hat, ist aber wahrscheinlich erst einige Zeit nach jenem Siege
verfasst. Theron starb Ol. 77, 1 oder 76, 4.
2) Sicilien war reich an Culten der khthonioi, deren Hierophanten Gelon,
Hieron und ihre Vorfahren waren (Herodot. 7, 153. Pind. Ol. 6, 95).
So war auch Akragas, die Stadt des Theron (und Heimath des Empedokles,
was auch nicht bedeutungslos ist) Phersephonas edos: Pind. Pyth. 12, 2; der
Persephone von Zeus als Brautgabe geschenkt: Schol. Pind. Ol. 2, 16 (wie
übrigens, neben anderen Städten, auch Pindars Vaterstadt, Theben:
Euphorion, fr. 48. Vgl. Eurip. Phoeniss. 684 ff. Von Eteokles, dem
Sohne des Oedipus leitete Therons Haus sich ab). Sehr möglich, dass
Hoffnungen auf eine selige Unsterblichkeit der Seele, wie sie sich im Cult
der khthonioi und vorzugsweise der Persephone vielfach gebildet haben,
dem Theron aus solchem Cult vertraut und lieb waren.

von den im Volke verbreiteten Ansichten abweichen, um so ge-
wisser als der eignen und wahren Ueberzeugung des Dichters
angehörig gelten. Der Dichter, sonst, bei flüchtiger Berührung
der jenseitigen Dinge, sich den herkömmlichen Vorstellungen
anbequemend, giebt sich solchen Ahnungen und Hoffnungen
hin, wo der Gegenstand seines Liedes zur Vertiefung in die
Geheimnisse jenseitigen Lebens einlud, in Trauergesängen um
Verstorbene vornehmlich. Er mochte dabei Rücksicht nehmen
auf die Sinnesart derer, denen sein Lied zuerst erklingen sollte.
Theron, der Herr von Akragas, dem das zweite, in Seligkeits-
hoffnungen sich ergehende olympische Siegeslied gewidmet ist,
war ein greiser Mann, dem Gedanken an das Leben nach
dem Tode naheliegen mochten1). Auch lässt sich in diesem
Falle vielleicht besondere Neigung des Gefeierten, auf diese,
vom gemeingültigen Seelenglauben fernabführenden Gedanken
einzugehn, voraussetzen2). Nur dass Pindar, der stolze, eigen-
richtige, sehr bewusster Weisheit frohe, mit dem Vortrage sol-
cher, populärem Bewusstsein so fremdartiger Lehren sich ledig-
lich fremden Wünschen gefügt, fremdem Glauben gefällig sollte
Ausdruck gegeben haben, das ist undenkbar. Es ist der In-

Worten am allerwenigsten kann man abnehmen, dass Pindar die Seelen
der εὐσεβεῖς in den Himmel versetzt habe (eher, dass er auch in den
ϑρῆνοι — wie sonst: s. p. 497, 3 — bisweilen nur die Unsterblichkeit
des Ruhms kannte: nur davon redet Horaz).
1) Olymp. II feiert einen Sieg, den Theron Ol. 76 in Olympia er-
rungen hat, ist aber wahrscheinlich erst einige Zeit nach jenem Siege
verfasst. Theron starb Ol. 77, 1 oder 76, 4.
2) Sicilien war reich an Culten der χϑόνιοι, deren Hierophanten Gelon,
Hieron und ihre Vorfahren waren (Herodot. 7, 153. Pind. Ol. 6, 95).
So war auch Akragas, die Stadt des Theron (und Heimath des Empedokles,
was auch nicht bedeutungslos ist) Φερσεφόνας ἕδος: Pind. Pyth. 12, 2; der
Persephone von Zeus als Brautgabe geschenkt: Schol. Pind. Ol. 2, 16 (wie
übrigens, neben anderen Städten, auch Pindars Vaterstadt, Theben:
Euphorion, fr. 48. Vgl. Eurip. Phoeniss. 684 ff. Von Eteokles, dem
Sohne des Oedipus leitete Therons Haus sich ab). Sehr möglich, dass
Hoffnungen auf eine selige Unsterblichkeit der Seele, wie sie sich im Cult
der χϑόνιοι und vorzugsweise der Persephone vielfach gebildet haben,
dem Theron aus solchem Cult vertraut und lieb waren.
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[507/0523] von den im Volke verbreiteten Ansichten abweichen, um so ge- wisser als der eignen und wahren Ueberzeugung des Dichters angehörig gelten. Der Dichter, sonst, bei flüchtiger Berührung der jenseitigen Dinge, sich den herkömmlichen Vorstellungen anbequemend, giebt sich solchen Ahnungen und Hoffnungen hin, wo der Gegenstand seines Liedes zur Vertiefung in die Geheimnisse jenseitigen Lebens einlud, in Trauergesängen um Verstorbene vornehmlich. Er mochte dabei Rücksicht nehmen auf die Sinnesart derer, denen sein Lied zuerst erklingen sollte. Theron, der Herr von Akragas, dem das zweite, in Seligkeits- hoffnungen sich ergehende olympische Siegeslied gewidmet ist, war ein greiser Mann, dem Gedanken an das Leben nach dem Tode naheliegen mochten 1). Auch lässt sich in diesem Falle vielleicht besondere Neigung des Gefeierten, auf diese, vom gemeingültigen Seelenglauben fernabführenden Gedanken einzugehn, voraussetzen 2). Nur dass Pindar, der stolze, eigen- richtige, sehr bewusster Weisheit frohe, mit dem Vortrage sol- cher, populärem Bewusstsein so fremdartiger Lehren sich ledig- lich fremden Wünschen gefügt, fremdem Glauben gefällig sollte Ausdruck gegeben haben, das ist undenkbar. Es ist der In- 2) 1) Olymp. II feiert einen Sieg, den Theron Ol. 76 in Olympia er- rungen hat, ist aber wahrscheinlich erst einige Zeit nach jenem Siege verfasst. Theron starb Ol. 77, 1 oder 76, 4. 2) Sicilien war reich an Culten der χϑόνιοι, deren Hierophanten Gelon, Hieron und ihre Vorfahren waren (Herodot. 7, 153. Pind. Ol. 6, 95). So war auch Akragas, die Stadt des Theron (und Heimath des Empedokles, was auch nicht bedeutungslos ist) Φερσεφόνας ἕδος: Pind. Pyth. 12, 2; der Persephone von Zeus als Brautgabe geschenkt: Schol. Pind. Ol. 2, 16 (wie übrigens, neben anderen Städten, auch Pindars Vaterstadt, Theben: Euphorion, fr. 48. Vgl. Eurip. Phoeniss. 684 ff. Von Eteokles, dem Sohne des Oedipus leitete Therons Haus sich ab). Sehr möglich, dass Hoffnungen auf eine selige Unsterblichkeit der Seele, wie sie sich im Cult der χϑόνιοι und vorzugsweise der Persephone vielfach gebildet haben, dem Theron aus solchem Cult vertraut und lieb waren. 2) Worten am allerwenigsten kann man abnehmen, dass Pindar die Seelen der εὐσεβεῖς in den Himmel versetzt habe (eher, dass er auch in den ϑρῆνοι — wie sonst: s. p. 497, 3 — bisweilen nur die Unsterblichkeit des Ruhms kannte: nur davon redet Horaz).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/523>, abgerufen am 22.11.2024.