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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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mehr beschieden. Um so heftiger wirft mit geschlossenen
Augen Wunsch und Sehnsucht sich hinüber in ein neues Da-
sein, und läge es jenseits der bekannten und erkennbaren Welt
der Lebendigen. Hoffnung und Verlangen, aber auch Angst
vor dem Ungewissen schrecklicher Geheimnisse erfüllt die
Seele. Niemals ist während des Verlaufs der alten Geschichte
und Cultur der Glaube an unsterbliches Leben der Seele nach
dem Tode so inbrünstig und ängstlich umklammert worden
wie in diesen letzten Zeiten, da diese antike Culturwelt selbst
sich anschickte, ihren letzten Seufzer zu verhauchen.

Weit im Volke verbreitete, mehr im Glauben als im
Denken wurzelnde Unsterblichkeitshoffnungen suchten ihre Be-
friedigung in religiösen Veranstaltungen, die weit dringender
noch als der alltäglich geübte Cult der Stadt den Göttern die zu
geheimer Feier Vereinigten empfehlen, und mehr als alles ein
seliges Leben im Jenseits ihren frommen Theilnehmern ver-
bürgen sollten. In diesen Zeiten leben die altgeheiligten Ge-
heimfeiern zu Eleusis noch einmal auf; sie erhalten sich bis
in späte Zeit lebendig 1). Orphische Conventikel müssen lange

Die Heiden schieben das Unglück der Zeiten auf das in die Welt ein-
getretene, zuletzt herrschend gewordene Christenthum (Tertull. apologet.
40 ff. Arnob. I. Augustin C. Dei). Es war schon ein vulgare proverbium:
Pluvia defit, causa Christiani sunt
(August. 2, 3). Die Christen gaben es
den Heiden zurück: dass alles in Natur und Leben schief geht, daran ist
allein paganorum exacerbata perfidia schuld (Leg. novell. Theodos. II,
I 3 p. 10 Ritt.).
1) Zur Zeit des Constantin ein dadoukhos ton agiotaton Eleusini
musterion (bezeichnender Weise ein eifriger Verehrer des Plato) Nikagoras
Minuc. fil. C. I. Gr. 4770. Julian schon als Jüngling in Eleusis ein-
geweiht: Eunap. vit. soph. p. 52. 53 (Boiss.). Damals freilich schon in
miserandam ruinam conciderat Eleusina:
Mamert. grat. act. Juliano 9.
Julian scheint auch hier den Cult neu befestigt zu haben. Valentinian I,
im Begriff, alle Nachtfeiern abzuschaffen (s. Cod. Theod. 9, 16, 7) duldete
doch, als Praetextatus, der Procos. Achaiae, ihm vorstellte, dass den Grie-
chen abiotos o bios sein werde, ei melloien koluesthai ta sunekhonta to
anthropeion genos agiotata musteria kata thesmon ektelein, die fernere Feier
(Zosim. 4, 3). Im J. 375 hört man von Nestorios (wohl dem Vater des
Neoplatonikers Plutarch) als damals ierophantein tetagmenos (Zosim. 4, 18).
396, zur Zeit der Hierophantie eines durch seinen Eid eigentlich hievon

mehr beschieden. Um so heftiger wirft mit geschlossenen
Augen Wunsch und Sehnsucht sich hinüber in ein neues Da-
sein, und läge es jenseits der bekannten und erkennbaren Welt
der Lebendigen. Hoffnung und Verlangen, aber auch Angst
vor dem Ungewissen schrecklicher Geheimnisse erfüllt die
Seele. Niemals ist während des Verlaufs der alten Geschichte
und Cultur der Glaube an unsterbliches Leben der Seele nach
dem Tode so inbrünstig und ängstlich umklammert worden
wie in diesen letzten Zeiten, da diese antike Culturwelt selbst
sich anschickte, ihren letzten Seufzer zu verhauchen.

Weit im Volke verbreitete, mehr im Glauben als im
Denken wurzelnde Unsterblichkeitshoffnungen suchten ihre Be-
friedigung in religiösen Veranstaltungen, die weit dringender
noch als der alltäglich geübte Cult der Stadt den Göttern die zu
geheimer Feier Vereinigten empfehlen, und mehr als alles ein
seliges Leben im Jenseits ihren frommen Theilnehmern ver-
bürgen sollten. In diesen Zeiten leben die altgeheiligten Ge-
heimfeiern zu Eleusis noch einmal auf; sie erhalten sich bis
in späte Zeit lebendig 1). Orphische Conventikel müssen lange

Die Heiden schieben das Unglück der Zeiten auf das in die Welt ein-
getretene, zuletzt herrschend gewordene Christenthum (Tertull. apologet.
40 ff. Arnob. I. Augustin C. Dei). Es war schon ein vulgare proverbium:
Pluvia defit, causa Christiani sunt
(August. 2, 3). Die Christen gaben es
den Heiden zurück: dass alles in Natur und Leben schief geht, daran ist
allein paganorum exacerbata perfidia schuld (Leg. novell. Theodos. II,
I 3 p. 10 Ritt.).
1) Zur Zeit des Constantin ein δᾳδοῦχος τῶν ἁγιωτάτων Ἐλευσῖνι
μυστηρίων (bezeichnender Weise ein eifriger Verehrer des Plato) Nikagoras
Minuc. fil. C. I. Gr. 4770. Julian schon als Jüngling in Eleusis ein-
geweiht: Eunap. vit. soph. p. 52. 53 (Boiss.). Damals freilich schon in
miserandam ruinam conciderat Eleusina:
Mamert. grat. act. Juliano 9.
Julian scheint auch hier den Cult neu befestigt zu haben. Valentinian I,
im Begriff, alle Nachtfeiern abzuschaffen (s. Cod. Theod. 9, 16, 7) duldete
doch, als Praetextatus, der Procos. Achaiae, ihm vorstellte, dass den Grie-
chen ἀβίωτος ὁ βίος sein werde, εἰ μέλλοιεν κωλύεσϑαι τὰ συνέχοντα τὸ
ἀνϑρώπειον γένος ἁγιώτατα μυστήρια κατὰ ϑεσμὸν ἐκτελεῖν, die fernere Feier
(Zosim. 4, 3). Im J. 375 hört man von Nestorios (wohl dem Vater des
Neoplatonikers Plutarch) als damals ἱεροφαντεῖν τεταγμένος (Zosim. 4, 18).
396, zur Zeit der Hierophantie eines durch seinen Eid eigentlich hievon
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[685/0701] mehr beschieden. Um so heftiger wirft mit geschlossenen Augen Wunsch und Sehnsucht sich hinüber in ein neues Da- sein, und läge es jenseits der bekannten und erkennbaren Welt der Lebendigen. Hoffnung und Verlangen, aber auch Angst vor dem Ungewissen schrecklicher Geheimnisse erfüllt die Seele. Niemals ist während des Verlaufs der alten Geschichte und Cultur der Glaube an unsterbliches Leben der Seele nach dem Tode so inbrünstig und ängstlich umklammert worden wie in diesen letzten Zeiten, da diese antike Culturwelt selbst sich anschickte, ihren letzten Seufzer zu verhauchen. Weit im Volke verbreitete, mehr im Glauben als im Denken wurzelnde Unsterblichkeitshoffnungen suchten ihre Be- friedigung in religiösen Veranstaltungen, die weit dringender noch als der alltäglich geübte Cult der Stadt den Göttern die zu geheimer Feier Vereinigten empfehlen, und mehr als alles ein seliges Leben im Jenseits ihren frommen Theilnehmern ver- bürgen sollten. In diesen Zeiten leben die altgeheiligten Ge- heimfeiern zu Eleusis noch einmal auf; sie erhalten sich bis in späte Zeit lebendig 1). Orphische Conventikel müssen lange 1) 1) Zur Zeit des Constantin ein δᾳδοῦχος τῶν ἁγιωτάτων Ἐλευσῖνι μυστηρίων (bezeichnender Weise ein eifriger Verehrer des Plato) Nikagoras Minuc. fil. C. I. Gr. 4770. Julian schon als Jüngling in Eleusis ein- geweiht: Eunap. vit. soph. p. 52. 53 (Boiss.). Damals freilich schon in miserandam ruinam conciderat Eleusina: Mamert. grat. act. Juliano 9. Julian scheint auch hier den Cult neu befestigt zu haben. Valentinian I, im Begriff, alle Nachtfeiern abzuschaffen (s. Cod. Theod. 9, 16, 7) duldete doch, als Praetextatus, der Procos. Achaiae, ihm vorstellte, dass den Grie- chen ἀβίωτος ὁ βίος sein werde, εἰ μέλλοιεν κωλύεσϑαι τὰ συνέχοντα τὸ ἀνϑρώπειον γένος ἁγιώτατα μυστήρια κατὰ ϑεσμὸν ἐκτελεῖν, die fernere Feier (Zosim. 4, 3). Im J. 375 hört man von Nestorios (wohl dem Vater des Neoplatonikers Plutarch) als damals ἱεροφαντεῖν τεταγμένος (Zosim. 4, 18). 396, zur Zeit der Hierophantie eines durch seinen Eid eigentlich hievon 1) Die Heiden schieben das Unglück der Zeiten auf das in die Welt ein- getretene, zuletzt herrschend gewordene Christenthum (Tertull. apologet. 40 ff. Arnob. I. Augustin C. Dei). Es war schon ein vulgare proverbium: Pluvia defit, causa Christiani sunt (August. 2, 3). Die Christen gaben es den Heiden zurück: dass alles in Natur und Leben schief geht, daran ist allein paganorum exacerbata perfidia schuld (Leg. novell. Theodos. II, I 3 p. 10 Ritt.).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/701>, abgerufen am 21.11.2024.