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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
dere die Qualitaeten zutrauen/ die zu dem Amte, da-
von sie den Titul führen, erfordert werden, und
gleichwohl niemand weder um sich noch unter sich
haben, dem sie hiebey können zu Rathe ziehen,
oder mit dem sie ihre Ungeschicklichkeit vermänteln
können.

§. 27. Solte nun ein jetziger Cavalier in der
Welt das Glück haben, daß ihm ein großer Herr
von freyen Stücken ohne darum anzuhalten, einen
Character mit oder ohne Besoldung offeriren solte,
so hat er vorhero folgendes dabey in Betrachtung
zu ziehen: (1) Ob ihm auch hiedurch in der That
größere Ehre zuwachse, als er vorher gehabt? (2)
Ob er die Geschicklichkeit besitze, die zu Bekleidung
dieses Characters erfordert wird? (3) Ob er so viel
Einkünffte entweder selbst habe, wenn es ein bloßer
Tltul wäre, oder da es eine Bedienung, ob die Be-
soldung dabey so viel austrage, als wohl erfordert
wird, diesen Character mit Ehren zu behaupten, und
(4) ob sich dieses Praedicat mit seinen übrigen Um-
ständen wohl vereinigen lasse, und ihm eine wahre
und beständige Zufriedenheit des Gemüths ver-
schaffen könne? Bey dem ersten Stück muß er
überlegen, ob dieser Titul entweder überhaupt, oder
doch in Ansehung seines Standes und seiner Le-
bens-Art, die er sich erwehlt, ungewöhnlich, seltzam,
und disrenomirlich, oder gewöhnlich, und ihm
renomirlich sey? denn sonst würde er hiebey mehr ge-
schimpfft, als geehret werden. Bey dem andern,
ob er die nöthige Fähigkeit entweder besitze, oder sie

doch

I. Theil. III. Capitul.
dere die Qualitæten zutrauen/ die zu dem Amte, da-
von ſie den Titul fuͤhren, erfordert werden, und
gleichwohl niemand weder um ſich noch unter ſich
haben, dem ſie hiebey koͤnnen zu Rathe ziehen,
oder mit dem ſie ihre Ungeſchicklichkeit vermaͤnteln
koͤnnen.

§. 27. Solte nun ein jetziger Cavalier in der
Welt das Gluͤck haben, daß ihm ein großer Herr
von freyen Stuͤcken ohne darum anzuhalten, einen
Character mit oder ohne Beſoldung offeriren ſolte,
ſo hat er vorhero folgendes dabey in Betrachtung
zu ziehen: (1) Ob ihm auch hiedurch in der That
groͤßere Ehre zuwachſe, als er vorher gehabt? (2)
Ob er die Geſchicklichkeit beſitze, die zu Bekleidung
dieſes Characters erfordert wird? (3) Ob er ſo viel
Einkuͤnffte entweder ſelbſt habe, wenn es ein bloßer
Tltul waͤre, oder da es eine Bedienung, ob die Be-
ſoldung dabey ſo viel austrage, als wohl erfordert
wird, dieſen Character mit Ehren zu behaupten, und
(4) ob ſich dieſes Prædicat mit ſeinen uͤbrigen Um-
ſtaͤnden wohl vereinigen laſſe, und ihm eine wahre
und beſtaͤndige Zufriedenheit des Gemuͤths ver-
ſchaffen koͤnne? Bey dem erſten Stuͤck muß er
uͤberlegen, ob dieſer Titul entweder uͤberhaupt, oder
doch in Anſehung ſeines Standes und ſeiner Le-
bens-Art, die er ſich erwehlt, ungewoͤhnlich, ſeltzam,
und diſrenomirlich, oder gewoͤhnlich, und ihm
renomiꝛlich ſey? deñ ſonſt wuͤrde er hiebey mehr ge-
ſchimpfft, als geehret werden. Bey dem andern,
ob er die noͤthige Faͤhigkeit entweder beſitze, oder ſie

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[82/0102] I. Theil. III. Capitul. dere die Qualitæten zutrauen/ die zu dem Amte, da- von ſie den Titul fuͤhren, erfordert werden, und gleichwohl niemand weder um ſich noch unter ſich haben, dem ſie hiebey koͤnnen zu Rathe ziehen, oder mit dem ſie ihre Ungeſchicklichkeit vermaͤnteln koͤnnen. §. 27. Solte nun ein jetziger Cavalier in der Welt das Gluͤck haben, daß ihm ein großer Herr von freyen Stuͤcken ohne darum anzuhalten, einen Character mit oder ohne Beſoldung offeriren ſolte, ſo hat er vorhero folgendes dabey in Betrachtung zu ziehen: (1) Ob ihm auch hiedurch in der That groͤßere Ehre zuwachſe, als er vorher gehabt? (2) Ob er die Geſchicklichkeit beſitze, die zu Bekleidung dieſes Characters erfordert wird? (3) Ob er ſo viel Einkuͤnffte entweder ſelbſt habe, wenn es ein bloßer Tltul waͤre, oder da es eine Bedienung, ob die Be- ſoldung dabey ſo viel austrage, als wohl erfordert wird, dieſen Character mit Ehren zu behaupten, und (4) ob ſich dieſes Prædicat mit ſeinen uͤbrigen Um- ſtaͤnden wohl vereinigen laſſe, und ihm eine wahre und beſtaͤndige Zufriedenheit des Gemuͤths ver- ſchaffen koͤnne? Bey dem erſten Stuͤck muß er uͤberlegen, ob dieſer Titul entweder uͤberhaupt, oder doch in Anſehung ſeines Standes und ſeiner Le- bens-Art, die er ſich erwehlt, ungewoͤhnlich, ſeltzam, und diſrenomirlich, oder gewoͤhnlich, und ihm renomiꝛlich ſey? deñ ſonſt wuͤrde er hiebey mehr ge- ſchimpfft, als geehret werden. Bey dem andern, ob er die noͤthige Faͤhigkeit entweder beſitze, oder ſie doch

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/102>, abgerufen am 24.11.2024.