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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
Fremden und Unbekandten muß man keinen be-
sondern Titul beylegen, der etwan einem gewissen
Stand und Character eigenthümlich ist. Denn man
stehet sonst immer in Furcht, daß man ihm zu viel,
oder zu wenig geben möchte. Giebt man ihm
zu viel, so möchte ers uns vor eine Einfalt, Nieder-
trächtigkeit oder eigennützige Schmeichlerey und
Schmarotzerey auslegen; giebt man ihm zu wenig,
und er ist sehr ehrgeitzig, so würde es ihm verdries-
sen, diesemnach ist am besten, wenn man ihn mein
Herr, schlechtweg nennt. Hat er keinen Bedien-
ten bey sich, den man fragen kan, und man kan es
auch sonst nicht erfahren, wer erist, so mag er entwe-
der damit vorlieb nehmen, oder wenn er meynet,
daß seine Ehre dadurch verletzt würde, sagen, wer
er sey, damit man ihm seinen rechten Titul geben
könne.

§. 39. Ein junger Cavalier thut überaus wohl,
wenn er sich nach den Unterscheid der Titulaturen/
wie sie so wohl ihrem Range, als andern Würckun-
gen nach, nach den Höfen und Oertern unterschie-
den zu seyn pflegen, erkundiget. Manche Chargen
führen eine gleiche Benennung und einerley Titu-
latur,
und sind dennoch ihren Praerogativen nach
gar sehr von einander abgesondert. Mancher Cha-
racter
begreifft an diesem Hofe eine sehr ansehnli-
che Bedienung unter sich, und an einem andern Ho-
fe wird kein groß Werck daraus gemacht. Wem
nun diese Unterschiede bekandt worden, weiß her-
nach desto besser, wie er sich in dem Umgange gegen

einem

I. Theil. III. Capitul.
Fremden und Unbekandten muß man keinen be-
ſondern Titul beylegen, der etwan einem gewiſſen
Stand und Character eigenthuͤmlich iſt. Deñ man
ſtehet ſonſt immer in Furcht, daß man ihm zu viel,
oder zu wenig geben moͤchte. Giebt man ihm
zu viel, ſo moͤchte ers uns vor eine Einfalt, Nieder-
traͤchtigkeit oder eigennuͤtzige Schmeichlerey und
Schmarotzerey auslegen; giebt man ihm zu wenig,
und er iſt ſehr ehrgeitzig, ſo wuͤrde es ihm verdrieſ-
ſen, dieſemnach iſt am beſten, wenn man ihn mein
Herr, ſchlechtweg nennt. Hat er keinen Bedien-
ten bey ſich, den man fragen kan, und man kan es
auch ſonſt nicht erfahren, wer eriſt, ſo mag er entwe-
der damit vorlieb nehmen, oder wenn er meynet,
daß ſeine Ehre dadurch verletzt wuͤrde, ſagen, wer
er ſey, damit man ihm ſeinen rechten Titul geben
koͤnne.

§. 39. Ein junger Cavalier thut uͤberaus wohl,
wenn er ſich nach den Unterſcheid der Titulaturen/
wie ſie ſo wohl ihrem Range, als andern Wuͤrckun-
gen nach, nach den Hoͤfen und Oertern unterſchie-
den zu ſeyn pflegen, erkundiget. Manche Chargen
fuͤhren eine gleiche Benennung und einerley Titu-
latur,
und ſind dennoch ihren Prærogativen nach
gar ſehr von einander abgeſondert. Mancher Cha-
racter
begreifft an dieſem Hofe eine ſehr anſehnli-
che Bedienung unter ſich, und an einem andern Ho-
fe wird kein groß Werck daraus gemacht. Wem
nun dieſe Unterſchiede bekandt worden, weiß her-
nach deſto beſſer, wie er ſich in dem Umgange gegen

einem
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[98/0118] I. Theil. III. Capitul. Fremden und Unbekandten muß man keinen be- ſondern Titul beylegen, der etwan einem gewiſſen Stand und Character eigenthuͤmlich iſt. Deñ man ſtehet ſonſt immer in Furcht, daß man ihm zu viel, oder zu wenig geben moͤchte. Giebt man ihm zu viel, ſo moͤchte ers uns vor eine Einfalt, Nieder- traͤchtigkeit oder eigennuͤtzige Schmeichlerey und Schmarotzerey auslegen; giebt man ihm zu wenig, und er iſt ſehr ehrgeitzig, ſo wuͤrde es ihm verdrieſ- ſen, dieſemnach iſt am beſten, wenn man ihn mein Herr, ſchlechtweg nennt. Hat er keinen Bedien- ten bey ſich, den man fragen kan, und man kan es auch ſonſt nicht erfahren, wer eriſt, ſo mag er entwe- der damit vorlieb nehmen, oder wenn er meynet, daß ſeine Ehre dadurch verletzt wuͤrde, ſagen, wer er ſey, damit man ihm ſeinen rechten Titul geben koͤnne. §. 39. Ein junger Cavalier thut uͤberaus wohl, wenn er ſich nach den Unterſcheid der Titulaturen/ wie ſie ſo wohl ihrem Range, als andern Wuͤrckun- gen nach, nach den Hoͤfen und Oertern unterſchie- den zu ſeyn pflegen, erkundiget. Manche Chargen fuͤhren eine gleiche Benennung und einerley Titu- latur, und ſind dennoch ihren Prærogativen nach gar ſehr von einander abgeſondert. Mancher Cha- racter begreifft an dieſem Hofe eine ſehr anſehnli- che Bedienung unter ſich, und an einem andern Ho- fe wird kein groß Werck daraus gemacht. Wem nun dieſe Unterſchiede bekandt worden, weiß her- nach deſto beſſer, wie er ſich in dem Umgange gegen einem

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/118>, abgerufen am 21.11.2024.