vermeidlichen Gelegenheiten, den Rang zu geben; Sie thun es aber mit dem grösten Widerwillen, und vermeiden auf das sorgfältigste alle Fälle, bey denen sie mit dem andern, dem sie in ihrem Hertzen den Vorzug vor ihnen absprechen, concurriren mögten.
§. 3. Es wäre zu wünschen, daß in den Landes-Ge- setzen und Policey-Ordnungen mehr darauf gesehen würde, als so nicht zu geschehen pflegt. Hätte man allgemeine Rang-Ordnungen, darinnen die Range aller Unterthanen, so viel als möglich, vorgeschrie- ben, und mancherley hierbey vorkommende Fälle deutlich decidirt würden, so würde mancher hieraus zu erwachsenden Unordnung, und manchen unnützen Rang-Streitigkeiten vorgebeuget werden, und die Richter hätten nachgehends sichrere und bessere Fundamenta, darnach sie zu sprechen hätten. So aber haben sie nichts vor sich, als die wenige Obser- vanz und Possess; doch mit diesem ist es nicht alle- mahl ausgerichtet, sintemahl sich die neuern Wür- den und Titulaturen daraus nicht decidiren lassen. Die Aussprüche der Römischen, Longobardischen und Päbstlichen Gesetze, schicken sich bey dieser Ma- terie zu unserer Teutschen Verfassung fast gar nicht. Die Lehren der gesunden Vernunfft und des na- türlichen Rechts sind gut, und geben hiebey das be- ste Decisum; es ist aber schlimm, daß fast ein jeder Rechts-Lehrer nach seinem Kopff ein natürliches Recht machen, und solches nach seiner Willkühr erklären will.
§. 4.
Vom Range.
vermeidlichen Gelegenheiten, den Rang zu geben; Sie thun es aber mit dem groͤſten Widerwillen, und vermeiden auf das ſorgfaͤltigſte alle Faͤlle, bey denen ſie mit dem andern, dem ſie in ihrem Hertzen den Vorzug vor ihnen abſprechen, concurriren moͤgten.
§. 3. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß in den Landes-Ge- ſetzen und Policey-Ordnungen mehr darauf geſehen wuͤrde, als ſo nicht zu geſchehen pflegt. Haͤtte man allgemeine Rang-Ordnungen, darinnen die Range aller Unterthanen, ſo viel als moͤglich, vorgeſchrie- ben, und mancherley hierbey vorkommende Faͤlle deutlich decidirt wuͤrden, ſo wuͤrde mancher hieraus zu erwachſenden Unordnung, und manchen unnuͤtzen Rang-Streitigkeiten vorgebeuget werden, und die Richter haͤtten nachgehends ſichrere und beſſere Fundamenta, darnach ſie zu ſprechen haͤtten. So aber haben ſie nichts vor ſich, als die wenige Obſer- vanz und Poſſeſs; doch mit dieſem iſt es nicht alle- mahl ausgerichtet, ſintemahl ſich die neuern Wuͤr- den und Titulaturen daraus nicht decidiren laſſen. Die Ausſpruͤche der Roͤmiſchen, Longobardiſchen und Paͤbſtlichen Geſetze, ſchicken ſich bey dieſer Ma- terie zu unſerer Teutſchen Verfaſſung faſt gar nicht. Die Lehren der geſunden Vernunfft und des na- tuͤrlichen Rechts ſind gut, und geben hiebey das be- ſte Deciſum; es iſt aber ſchlimm, daß faſt ein jeder Rechts-Lehrer nach ſeinem Kopff ein natuͤrliches Recht machen, und ſolches nach ſeiner Willkuͤhr erklaͤren will.
§. 4.
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Vom Range.
vermeidlichen Gelegenheiten, den Rang zu geben;
Sie thun es aber mit dem groͤſten Widerwillen,
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denen ſie mit dem andern, dem ſie in ihrem Hertzen
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moͤgten.
§. 3. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß in den Landes-Ge-
ſetzen und Policey-Ordnungen mehr darauf geſehen
wuͤrde, als ſo nicht zu geſchehen pflegt. Haͤtte man
allgemeine Rang-Ordnungen, darinnen die Range
aller Unterthanen, ſo viel als moͤglich, vorgeſchrie-
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deutlich decidirt wuͤrden, ſo wuͤrde mancher hieraus
zu erwachſenden Unordnung, und manchen unnuͤtzen
Rang-Streitigkeiten vorgebeuget werden, und die
Richter haͤtten nachgehends ſichrere und beſſere
Fundamenta, darnach ſie zu ſprechen haͤtten. So
aber haben ſie nichts vor ſich, als die wenige Obſer-
vanz und Poſſeſs; doch mit dieſem iſt es nicht alle-
mahl ausgerichtet, ſintemahl ſich die neuern Wuͤr-
den und Titulaturen daraus nicht decidiren laſſen.
Die Ausſpruͤche der Roͤmiſchen, Longobardiſchen
und Paͤbſtlichen Geſetze, ſchicken ſich bey dieſer Ma-
terie zu unſerer Teutſchen Verfaſſung faſt gar nicht.
Die Lehren der geſunden Vernunfft und des na-
tuͤrlichen Rechts ſind gut, und geben hiebey das be-
ſte Deciſum; es iſt aber ſchlimm, daß faſt ein jeder
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Recht machen, und ſolches nach ſeiner Willkuͤhr
erklaͤren will.
§. 4.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/127>, abgerufen am 21.11.2024.
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