dern, die auch zugleich ihre Diener oder Untertha- nen, oder auch andern, die sich bey fremden Herr- schafften in Diensten befinden, oder von denen sie ihre Characters haben, und denen unsre Herr- schafft nichts vorzuschreiben hat, entsponnen, nach- dem läst sie es zugleich an andere Herrschafften ge- langen, oder sie decidirt den Rang-Streit felbst, oder befiehlt uns an, daß wir ihn durch einen recht- lichen Ausspruch sollen endigen lassen.
§. 31. Jst der Rang-Streit entschieden, so ist ein vernünfftiger Mensch ruhig, es mag ihm die Ober- oder Unter-Stelle zuerkandt worden seyn. Er wei- chet dem andern, und wenn es auch der umwürdig- ste Mensch wäre, willig und gerne, weil er ihm wei- chen soll und muß. Er verachtet niemanden, er will sich aber auch nicht gerne ohne Noth verachten las- sen. Er beruhiget sich damit, daß er nunmehr bes- ser in dem Stand ist, GOtt und seinem Nächsten zu dienen, seinem Amte treuer vorzustehen, und seine Beruffs. Geschäffte desto richtiger fort zu setzen.
§. 32. Jch habe mancherley Fälle, die sich in dem menschlichen Leben bey dem Rang-Wesen ereig- nen können, in dem vorhergehenden erwogen, es dürffte aber doch wohl nicht undienlich seyn, wenn ich bey dem Schluß dieses Capituls, noch folgende, die bißweilen an dem Höfen nicht ungewöhnlich sind, in einige moralische Betrachtungen zöge. Es ist nichts neues daß mancher wider die Rang-Ord- nungen, wider die bißherige Observanz, ja wohl wider Recht und Billigkeit nicht allein in dem, sei-
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I. Theil. IV. Capitul.
dern, die auch zugleich ihre Diener oder Untertha- nen, oder auch andern, die ſich bey fremden Herr- ſchafften in Dienſten befinden, oder von denen ſie ihre Characters haben, und denen unſre Herr- ſchafft nichts vorzuſchreiben hat, entſponnen, nach- dem laͤſt ſie es zugleich an andere Herrſchafften ge- langen, oder ſie decidirt den Rang-Streit felbſt, oder befiehlt uns an, daß wir ihn durch einen recht- lichen Ausſpruch ſollen endigen laſſen.
§. 31. Jſt der Rang-Streit entſchieden, ſo iſt ein vernuͤnfftiger Menſch ruhig, es mag ihm die Ober- oder Unter-Stelle zuerkandt worden ſeyn. Er wei- chet dem andern, und wenn es auch der umwuͤrdig- ſte Menſch waͤre, willig und gerne, weil er ihm wei- chen ſoll und muß. Er verachtet niemanden, er will ſich aber auch nicht gerne ohne Noth verachten laſ- ſen. Er beruhiget ſich damit, daß er nunmehr beſ- ſer in dem Stand iſt, GOtt und ſeinem Naͤchſten zu dienen, ſeinem Amte treuer vorzuſtehen, und ſeine Beruffs. Geſchaͤffte deſto richtiger fort zu ſetzen.
§. 32. Jch habe mancherley Faͤlle, die ſich in dem menſchlichen Leben bey dem Rang-Weſen ereig- nen koͤnnen, in dem vorhergehenden erwogen, es duͤrffte aber doch wohl nicht undienlich ſeyn, wenn ich bey dem Schluß dieſes Capituls, noch folgende, die bißweilen an dem Hoͤfen nicht ungewoͤhnlich ſind, in einige moraliſche Betrachtungen zoͤge. Es iſt nichts neues daß mancher wider die Rang-Ord- nungen, wider die bißherige Obſervanz, ja wohl wider Recht und Billigkeit nicht allein in dem, ſei-
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I. Theil. IV. Capitul.
dern, die auch zugleich ihre Diener oder Untertha-
nen, oder auch andern, die ſich bey fremden Herr-
ſchafften in Dienſten befinden, oder von denen ſie
ihre Characters haben, und denen unſre Herr-
ſchafft nichts vorzuſchreiben hat, entſponnen, nach-
dem laͤſt ſie es zugleich an andere Herrſchafften ge-
langen, oder ſie decidirt den Rang-Streit felbſt,
oder befiehlt uns an, daß wir ihn durch einen recht-
lichen Ausſpruch ſollen endigen laſſen.
§. 31. Jſt der Rang-Streit entſchieden, ſo iſt ein
vernuͤnfftiger Menſch ruhig, es mag ihm die Ober-
oder Unter-Stelle zuerkandt worden ſeyn. Er wei-
chet dem andern, und wenn es auch der umwuͤrdig-
ſte Menſch waͤre, willig und gerne, weil er ihm wei-
chen ſoll und muß. Er verachtet niemanden, er will
ſich aber auch nicht gerne ohne Noth verachten laſ-
ſen. Er beruhiget ſich damit, daß er nunmehr beſ-
ſer in dem Stand iſt, GOtt und ſeinem Naͤchſten zu
dienen, ſeinem Amte treuer vorzuſtehen, und ſeine
Beruffs. Geſchaͤffte deſto richtiger fort zu ſetzen.
§. 32. Jch habe mancherley Faͤlle, die ſich in dem
menſchlichen Leben bey dem Rang-Weſen ereig-
nen koͤnnen, in dem vorhergehenden erwogen, es
duͤrffte aber doch wohl nicht undienlich ſeyn, wenn
ich bey dem Schluß dieſes Capituls, noch folgende,
die bißweilen an dem Hoͤfen nicht ungewoͤhnlich
ſind, in einige moraliſche Betrachtungen zoͤge. Es
iſt nichts neues daß mancher wider die Rang-Ord-
nungen, wider die bißherige Obſervanz, ja wohl
wider Recht und Billigkeit nicht allein in dem, ſei-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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