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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Manieren u. Stellungen des Leibes.

§. 3. Manche gehen mit ihren Urtheilen noch
weiter, und gar biß auf die Minen: Nachdem sie
sehen, daß einer die Gabe hat, eine martialische, fin-
stere und sauere Mine zu machen, nach dem wollen
sie auch seine Courage beurtheilen; nehmen sie
wahr, daß einer von höflichen und freundlichen Ge-
berden, so erklären sie ihn schon vor einen guten
Hof-Mann. Diese Urtheile sind nun zwar meh-
rentheils sehr falsch und irrig: Mancher Soldat
siehet einem Eisenfresser ähnlich, und das Hertz im
Leibe zittert ihm doch wohl wie ein Espen-Laub,
wenn er vor den Feind rücken soll; ein anderer hin-
gegen siehet sanfftmüthiger aus, und das Hertz sitzt
ihm doch wohl am rechten Ort. So ist auch eine
manierliche Geberde nicht allezeit mit manierlichen
Worten und Wercken vergesellschafftet, welches
zusammen vor einen guten Hof-Mann gehört. Jn-
zwischen bleibt die Welt doch bey ihrer Meynung,
sie mag irrig seyn, oder nicht, es wird hin und wie-
der darauf gesehen, und darauf gesprochen. Hat
mancher junger Mensch, der im Kriege avanciren
will, nicht ein recht finster Soldaten-Air, so ist es
ihm bißweilen an seinem Avancement hinderlich.
Und wenn manchem Frauenzimmer, die bey der
Herrschafft in besondern Gnaden stehet, eine gewis-
se Mine an einem jungen Menschen, der sein Glück
bey Hofe zu machen gedenckt, nicht recht anständig
ist, so hilfft sie seine Beförderung hintertreiben, wo
sie kan und weiß, und stehet fest in den Gedancken,
er schickte sich nicht nach Hofe, ob er schon sonst noch
so qualificirt wäre.

§. 4.
M 3
Von Manieren u. Stellungen des Leibes.

§. 3. Manche gehen mit ihren Urtheilen noch
weiter, und gar biß auf die Minen: Nachdem ſie
ſehen, daß einer die Gabe hat, eine martialiſche, fin-
ſtere und ſauere Mine zu machen, nach dem wollen
ſie auch ſeine Courage beurtheilen; nehmen ſie
wahr, daß einer von hoͤflichen und freundlichen Ge-
berden, ſo erklaͤren ſie ihn ſchon vor einen guten
Hof-Mann. Dieſe Urtheile ſind nun zwar meh-
rentheils ſehr falſch und irrig: Mancher Soldat
ſiehet einem Eiſenfreſſer aͤhnlich, und das Hertz im
Leibe zittert ihm doch wohl wie ein Eſpen-Laub,
wenn er vor den Feind ruͤcken ſoll; ein anderer hin-
gegen ſiehet ſanfftmuͤthiger aus, und das Hertz ſitzt
ihm doch wohl am rechten Ort. So iſt auch eine
manierliche Geberde nicht allezeit mit manierlichen
Worten und Wercken vergeſellſchafftet, welches
zuſammen vor einen guten Hof-Mann gehoͤrt. Jn-
zwiſchen bleibt die Welt doch bey ihrer Meynung,
ſie mag irrig ſeyn, oder nicht, es wird hin und wie-
der darauf geſehen, und darauf geſprochen. Hat
mancher junger Menſch, der im Kriege avanciren
will, nicht ein recht finſter Soldaten-Air, ſo iſt es
ihm bißweilen an ſeinem Avancement hinderlich.
Und wenn manchem Frauenzimmer, die bey der
Herrſchafft in beſondern Gnaden ſtehet, eine gewiſ-
ſe Mine an einem jungen Menſchen, der ſein Gluͤck
bey Hofe zu machen gedenckt, nicht recht anſtaͤndig
iſt, ſo hilfft ſie ſeine Befoͤrderung hintertreiben, wo
ſie kan und weiß, und ſtehet feſt in den Gedancken,
er ſchickte ſich nicht nach Hofe, ob er ſchon ſonſt noch
ſo qualificirt waͤre.

§. 4.
M 3
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[181/0201] Von Manieren u. Stellungen des Leibes. §. 3. Manche gehen mit ihren Urtheilen noch weiter, und gar biß auf die Minen: Nachdem ſie ſehen, daß einer die Gabe hat, eine martialiſche, fin- ſtere und ſauere Mine zu machen, nach dem wollen ſie auch ſeine Courage beurtheilen; nehmen ſie wahr, daß einer von hoͤflichen und freundlichen Ge- berden, ſo erklaͤren ſie ihn ſchon vor einen guten Hof-Mann. Dieſe Urtheile ſind nun zwar meh- rentheils ſehr falſch und irrig: Mancher Soldat ſiehet einem Eiſenfreſſer aͤhnlich, und das Hertz im Leibe zittert ihm doch wohl wie ein Eſpen-Laub, wenn er vor den Feind ruͤcken ſoll; ein anderer hin- gegen ſiehet ſanfftmuͤthiger aus, und das Hertz ſitzt ihm doch wohl am rechten Ort. So iſt auch eine manierliche Geberde nicht allezeit mit manierlichen Worten und Wercken vergeſellſchafftet, welches zuſammen vor einen guten Hof-Mann gehoͤrt. Jn- zwiſchen bleibt die Welt doch bey ihrer Meynung, ſie mag irrig ſeyn, oder nicht, es wird hin und wie- der darauf geſehen, und darauf geſprochen. Hat mancher junger Menſch, der im Kriege avanciren will, nicht ein recht finſter Soldaten-Air, ſo iſt es ihm bißweilen an ſeinem Avancement hinderlich. Und wenn manchem Frauenzimmer, die bey der Herrſchafft in beſondern Gnaden ſtehet, eine gewiſ- ſe Mine an einem jungen Menſchen, der ſein Gluͤck bey Hofe zu machen gedenckt, nicht recht anſtaͤndig iſt, ſo hilfft ſie ſeine Befoͤrderung hintertreiben, wo ſie kan und weiß, und ſtehet feſt in den Gedancken, er ſchickte ſich nicht nach Hofe, ob er ſchon ſonſt noch ſo qualificirt waͤre. §. 4. M 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/201>, abgerufen am 09.11.2024.