dazu, manche machen ihre Reverences gar zu nach- läßig, sie streichen den Fuß hinten weit aus, u. s. w.
§. 26. Jn dem Gange, an welchen ein Mensch mit erkandt werden kan, zeigen sich ebenfalls hin und wieder mancherley Ungeberden. Einige die von gar langer Statur, wollen etwas kleiner ausse- hen, als sie sind, und gehen daher gebuckt, die Klei- nen zwingen sich allzusehr, in Erhebung des Haup- tes und der Brust, damit sie sich ihrer Einbildung nach ein etwas größer Maaß zuwege bringen. Vie- le gaffen auf der Gasse herum, wie die Handwercks- Pursche, die sich allenthalben nach lauter Wahr- zeichen umsehen, einige treten in dem Zimmer all- zu scharff auf, und erregen bey ihrem Gehen ein groß Getöse, welches sonderlich in den Gemächern der hohen Standes-Personen, oder der Dames, sehr unangenehm läst, andere hingegen richten ih- re Schritte so leise ein, als ob sie sich in einem Wo- chen-Zimmer befänden, manche formiren so weite Schritte, wie die Boten-Läuffer, und noch andere hingegen so enge und kleine Schrittgen, wie eine Braut-Jungfer auf einer Hochzeit. Wer nun hierbey, wie allenthalben, die Mittel-Strasse be- obachtet, trifft es am besten.
§. 27. Wenn man auf der Gasse gehet, muß man sich so wohl in Ansehung des Grüssens und des Hut-abziehens, als auch wegen des Tragens des Hutes unter dem Armen, erkundigen, was an einem jeden Orte gebräuchlich, damit man nicht ausgelacht werde, sintemahl man hierüber keine
allge-
N 4
Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
dazu, manche machen ihre Reverences gar zu nach- laͤßig, ſie ſtreichen den Fuß hinten weit aus, u. ſ. w.
§. 26. Jn dem Gange, an welchen ein Menſch mit erkandt werden kan, zeigen ſich ebenfalls hin und wieder mancherley Ungeberden. Einige die von gar langer Statur, wollen etwas kleiner ausſe- hen, als ſie ſind, und gehen daher gebuckt, die Klei- nen zwingen ſich allzuſehr, in Erhebung des Haup- tes und der Bruſt, damit ſie ſich ihrer Einbildung nach ein etwas groͤßer Maaß zuwege bringen. Vie- le gaffen auf der Gaſſe herum, wie die Handwercks- Purſche, die ſich allenthalben nach lauter Wahr- zeichen umſehen, einige treten in dem Zimmer all- zu ſcharff auf, und erregen bey ihrem Gehen ein groß Getoͤſe, welches ſonderlich in den Gemaͤchern der hohen Standes-Perſonen, oder der Dames, ſehr unangenehm laͤſt, andere hingegen richten ih- re Schritte ſo leiſe ein, als ob ſie ſich in einem Wo- chen-Zimmer befaͤnden, manche formiren ſo weite Schritte, wie die Boten-Laͤuffer, und noch andere hingegen ſo enge und kleine Schrittgen, wie eine Braut-Jungfer auf einer Hochzeit. Wer nun hierbey, wie allenthalben, die Mittel-Straſſe be- obachtet, trifft es am beſten.
§. 27. Wenn man auf der Gaſſe gehet, muß man ſich ſo wohl in Anſehung des Gruͤſſens und des Hut-abziehens, als auch wegen des Tragens des Hutes unter dem Armen, erkundigen, was an einem jeden Orte gebraͤuchlich, damit man nicht ausgelacht werde, ſintemahl man hieruͤber keine
allge-
N 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0219"n="199"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von Manieren u. Stellungen des Leibes.</hi></fw><lb/>
dazu, manche machen ihre <hirendition="#aq">Reverences</hi> gar zu nach-<lb/>
laͤßig, ſie ſtreichen den Fuß hinten weit aus, u. ſ. w.</p><lb/><p>§. 26. Jn dem Gange, an welchen ein Menſch<lb/>
mit erkandt werden kan, zeigen ſich ebenfalls hin<lb/>
und wieder mancherley Ungeberden. Einige die<lb/>
von gar langer <hirendition="#aq">Statur,</hi> wollen etwas kleiner ausſe-<lb/>
hen, als ſie ſind, und gehen daher gebuckt, die Klei-<lb/>
nen zwingen ſich allzuſehr, in Erhebung des Haup-<lb/>
tes und der Bruſt, damit ſie ſich ihrer Einbildung<lb/>
nach ein etwas groͤßer Maaß zuwege bringen. Vie-<lb/>
le gaffen auf der Gaſſe herum, wie die Handwercks-<lb/>
Purſche, die ſich allenthalben nach lauter Wahr-<lb/>
zeichen umſehen, einige treten in dem Zimmer all-<lb/>
zu ſcharff auf, und erregen bey ihrem Gehen ein<lb/>
groß Getoͤſe, welches ſonderlich in den Gemaͤchern<lb/>
der hohen Standes-Perſonen, oder der <hirendition="#aq">Dames,</hi><lb/>ſehr unangenehm laͤſt, andere hingegen richten ih-<lb/>
re Schritte ſo leiſe ein, als ob ſie ſich in einem Wo-<lb/>
chen-Zimmer befaͤnden, manche <hirendition="#aq">formi</hi>ren ſo weite<lb/>
Schritte, wie die Boten-Laͤuffer, und noch andere<lb/>
hingegen ſo enge und kleine Schrittgen, wie eine<lb/>
Braut-Jungfer auf einer Hochzeit. Wer nun<lb/>
hierbey, wie allenthalben, die Mittel-Straſſe be-<lb/>
obachtet, trifft es am beſten.</p><lb/><p>§. 27. Wenn man auf der Gaſſe gehet, muß<lb/>
man ſich ſo wohl in Anſehung des Gruͤſſens und<lb/>
des Hut-abziehens, als auch wegen des Tragens<lb/>
des Hutes unter dem Armen, erkundigen, was an<lb/>
einem jeden Orte gebraͤuchlich, damit man nicht<lb/>
ausgelacht werde, ſintemahl man hieruͤber keine<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">allge-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[199/0219]
Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
dazu, manche machen ihre Reverences gar zu nach-
laͤßig, ſie ſtreichen den Fuß hinten weit aus, u. ſ. w.
§. 26. Jn dem Gange, an welchen ein Menſch
mit erkandt werden kan, zeigen ſich ebenfalls hin
und wieder mancherley Ungeberden. Einige die
von gar langer Statur, wollen etwas kleiner ausſe-
hen, als ſie ſind, und gehen daher gebuckt, die Klei-
nen zwingen ſich allzuſehr, in Erhebung des Haup-
tes und der Bruſt, damit ſie ſich ihrer Einbildung
nach ein etwas groͤßer Maaß zuwege bringen. Vie-
le gaffen auf der Gaſſe herum, wie die Handwercks-
Purſche, die ſich allenthalben nach lauter Wahr-
zeichen umſehen, einige treten in dem Zimmer all-
zu ſcharff auf, und erregen bey ihrem Gehen ein
groß Getoͤſe, welches ſonderlich in den Gemaͤchern
der hohen Standes-Perſonen, oder der Dames,
ſehr unangenehm laͤſt, andere hingegen richten ih-
re Schritte ſo leiſe ein, als ob ſie ſich in einem Wo-
chen-Zimmer befaͤnden, manche formiren ſo weite
Schritte, wie die Boten-Laͤuffer, und noch andere
hingegen ſo enge und kleine Schrittgen, wie eine
Braut-Jungfer auf einer Hochzeit. Wer nun
hierbey, wie allenthalben, die Mittel-Straſſe be-
obachtet, trifft es am beſten.
§. 27. Wenn man auf der Gaſſe gehet, muß
man ſich ſo wohl in Anſehung des Gruͤſſens und
des Hut-abziehens, als auch wegen des Tragens
des Hutes unter dem Armen, erkundigen, was an
einem jeden Orte gebraͤuchlich, damit man nicht
ausgelacht werde, ſintemahl man hieruͤber keine
allge-
N 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/219>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.