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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. VII. Capitul.
sonen selbst darum befragt, so verdeckt und dissimu-
li
et er dieselben, so viel als möglich. Er beobach-
tet auch eine gleiche Behutsamkeit, wenn von frem-
den Ministris, oder sonst von andern adelichen oder
vornehmen Familien, die Rede ist, denn er weiß
wohl, daß die Verleumdung ein zwar gemeines,
aber doch jederzeit verhaßtes Laster an Höfen ist.
Bringt es die Gelegenheit des Discourses mit sich,
daß er von jemand anders etwas urtheilen muß, so
richtet er seine Urtheile jederzeit so ein, wie er sie ge-
denckt zu verantworten.

§. 14. So unschuldig es anscheinen möchte, an-
dere Leute zu loben, so muß man dennoch auch dar-
innen etwas sparsam, und nicht allzu freygebig da-
mit seyn. Es kan auch ein allzu groß Lob, das man
dem andern beylegt, einen Nachtheil erwecken.
Giebt man einem ein Lob, das er nicht verdient, so
macht man sich lächerlich, und verdient ers auch
gleich, so wird es dennoch sein Feind sehr ungern
anhören, und einem dahero gehäßig werden, auch
öffters wohl gar widersprechen.

§. 15. Einige junge Leute bilden sich ein, wenn
sie nach Hofe kämen, müsten sie alles, was ihnen
nur in die Augen fiele, ungemein loben, da wissen sie
denn die Tapesserien, Spiegel, Gemählde, Zim-
mer, u. s. w. ob gleich nicht viel Ansehen oder
Ruhms daran zu spühren, nicht genug herauszu-
streichen, ihren Redens-Arten nach, ist alles gantz
admirabel und incomparable. Sie erreichen aber
bey ihrem übermäßigen Lobe nicht allezeit den

Zweck,

I. Theil. VII. Capitul.
ſonen ſelbſt darum befragt, ſo verdeckt und diſſimu-
li
et er dieſelben, ſo viel als moͤglich. Er beobach-
tet auch eine gleiche Behutſamkeit, wenn von frem-
den Miniſtris, oder ſonſt von andern adelichen oder
vornehmen Familien, die Rede iſt, denn er weiß
wohl, daß die Verleumdung ein zwar gemeines,
aber doch jederzeit verhaßtes Laſter an Hoͤfen iſt.
Bringt es die Gelegenheit des Diſcourſes mit ſich,
daß er von jemand anders etwas urtheilen muß, ſo
richtet er ſeine Urtheile jederzeit ſo ein, wie er ſie ge-
denckt zu verantworten.

§. 14. So unſchuldig es anſcheinen moͤchte, an-
dere Leute zu loben, ſo muß man dennoch auch dar-
innen etwas ſparſam, und nicht allzu freygebig da-
mit ſeyn. Es kan auch ein allzu groß Lob, das man
dem andern beylegt, einen Nachtheil erwecken.
Giebt man einem ein Lob, das er nicht verdient, ſo
macht man ſich laͤcherlich, und verdient ers auch
gleich, ſo wird es dennoch ſein Feind ſehr ungern
anhoͤren, und einem dahero gehaͤßig werden, auch
oͤffters wohl gar widerſprechen.

§. 15. Einige junge Leute bilden ſich ein, wenn
ſie nach Hofe kaͤmen, muͤſten ſie alles, was ihnen
nur in die Augen fiele, ungemein loben, da wiſſen ſie
denn die Tapeſſerien, Spiegel, Gemaͤhlde, Zim-
mer, u. ſ. w. ob gleich nicht viel Anſehen oder
Ruhms daran zu ſpuͤhren, nicht genug herauszu-
ſtreichen, ihren Redens-Arten nach, iſt alles gantz
admirabel und incomparable. Sie erreichen aber
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[210/0230] I. Theil. VII. Capitul. ſonen ſelbſt darum befragt, ſo verdeckt und diſſimu- liet er dieſelben, ſo viel als moͤglich. Er beobach- tet auch eine gleiche Behutſamkeit, wenn von frem- den Miniſtris, oder ſonſt von andern adelichen oder vornehmen Familien, die Rede iſt, denn er weiß wohl, daß die Verleumdung ein zwar gemeines, aber doch jederzeit verhaßtes Laſter an Hoͤfen iſt. Bringt es die Gelegenheit des Diſcourſes mit ſich, daß er von jemand anders etwas urtheilen muß, ſo richtet er ſeine Urtheile jederzeit ſo ein, wie er ſie ge- denckt zu verantworten. §. 14. So unſchuldig es anſcheinen moͤchte, an- dere Leute zu loben, ſo muß man dennoch auch dar- innen etwas ſparſam, und nicht allzu freygebig da- mit ſeyn. Es kan auch ein allzu groß Lob, das man dem andern beylegt, einen Nachtheil erwecken. Giebt man einem ein Lob, das er nicht verdient, ſo macht man ſich laͤcherlich, und verdient ers auch gleich, ſo wird es dennoch ſein Feind ſehr ungern anhoͤren, und einem dahero gehaͤßig werden, auch oͤffters wohl gar widerſprechen. §. 15. Einige junge Leute bilden ſich ein, wenn ſie nach Hofe kaͤmen, muͤſten ſie alles, was ihnen nur in die Augen fiele, ungemein loben, da wiſſen ſie denn die Tapeſſerien, Spiegel, Gemaͤhlde, Zim- mer, u. ſ. w. ob gleich nicht viel Anſehen oder Ruhms daran zu ſpuͤhren, nicht genug herauszu- ſtreichen, ihren Redens-Arten nach, iſt alles gantz admirabel und incomparable. Sie erreichen aber bey ihrem uͤbermaͤßigen Lobe nicht allezeit den Zweck,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/230>, abgerufen am 21.11.2024.