schafft in ihrem bösen Vorsatz verstärcken. Hät- ten nicht viel Hof-Leute eine so grosse Menschen- Furcht, oder einen so blinden Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten, so würden auch manche Herrschaff- ten, durch die Exempel ihrer Diener, von ihrem bö- sen Wege können abgeleitet werden.
§. 3. Es ist sehr betrüblich, daß viele von den Hof-Leuten, die sich doch dabey vor rechtgläubige Evangelisch-Lutherische Christen halten, in den Ge- dancken stehen, als ob ein guter Hof-Mann und ein gläubiger Christ unmöglich mit einander vereiniget seyn können. Doch diese elenden Leute machen sich einen falschen Begriff von ihrem guten Hof-Mann, und auch einen falschen Begriff von den Höfen, oder vielmehr von den Häuptern der Höfe und den Re- genten. Sie verstehen durch ihren guten Hof- Mann einen solchen, der in allen seinen Handlun- gen sich nach den lasterhafften Neigungen seiner Herrschafft richtet, und nichts anders zum Ziel hat, als zu allen Zeiten sich seiner Herrschafft gefällig zu bezeigen, er mag nun sich oder seine Herrschafft dar- über glücklich oder unglücklich machen, es mag diese oder jene Handlung mit GOttes Wort überein- stimmen, oder demselben zuwider seyn. Sie neh- men dabey solche Regenten an, die GOttes und sei- nes Wortes spotten, und in offenbarer Gottlosigkeit leben. Jedoch, dergleichen Leute sind in ihrem Hertzen selbst viel böser, als viele Regenten selbst, deren Höfe sie sich vorstellen. Es hat ja, GOtt Lob! zu allen Zeiten, in Teutschland, und in den an-
dern
I. Theil. VIII. Capitul.
ſchafft in ihrem boͤſen Vorſatz verſtaͤrcken. Haͤt- ten nicht viel Hof-Leute eine ſo groſſe Menſchen- Furcht, oder einen ſo blinden Gehorſam gegen ihre Vorgeſetzten, ſo wuͤrden auch manche Herrſchaff- ten, durch die Exempel ihrer Diener, von ihrem boͤ- ſen Wege koͤnnen abgeleitet werden.
§. 3. Es iſt ſehr betruͤblich, daß viele von den Hof-Leuten, die ſich doch dabey vor rechtglaͤubige Evangeliſch-Lutheriſche Chriſten halten, in den Ge- dancken ſtehen, als ob ein guter Hof-Mann und ein glaͤubiger Chriſt unmoͤglich mit einander vereiniget ſeyn koͤnnen. Doch dieſe elenden Leute machen ſich einen falſchen Begriff von ihrem guten Hof-Mann, und auch einen falſchen Begriff von den Hoͤfen, oder vielmehr von den Haͤuptern der Hoͤfe und den Re- genten. Sie verſtehen durch ihren guten Hof- Mann einen ſolchen, der in allen ſeinen Handlun- gen ſich nach den laſterhafften Neigungen ſeiner Herrſchafft richtet, und nichts anders zum Ziel hat, als zu allen Zeiten ſich ſeiner Herrſchafft gefaͤllig zu bezeigen, er mag nun ſich oder ſeine Herrſchafft dar- uͤber gluͤcklich oder ungluͤcklich machen, es mag dieſe oder jene Handlung mit GOttes Wort uͤberein- ſtimmen, oder demſelben zuwider ſeyn. Sie neh- men dabey ſolche Regenten an, die GOttes und ſei- nes Wortes ſpotten, und in offenbarer Gottloſigkeit leben. Jedoch, dergleichen Leute ſind in ihrem Hertzen ſelbſt viel boͤſer, als viele Regenten ſelbſt, deren Hoͤfe ſie ſich vorſtellen. Es hat ja, GOtt Lob! zu allen Zeiten, in Teutſchland, und in den an-
dern
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I. Theil. VIII. Capitul.
ſchafft in ihrem boͤſen Vorſatz verſtaͤrcken. Haͤt-
ten nicht viel Hof-Leute eine ſo groſſe Menſchen-
Furcht, oder einen ſo blinden Gehorſam gegen ihre
Vorgeſetzten, ſo wuͤrden auch manche Herrſchaff-
ten, durch die Exempel ihrer Diener, von ihrem boͤ-
ſen Wege koͤnnen abgeleitet werden.
§. 3. Es iſt ſehr betruͤblich, daß viele von den
Hof-Leuten, die ſich doch dabey vor rechtglaͤubige
Evangeliſch-Lutheriſche Chriſten halten, in den Ge-
dancken ſtehen, als ob ein guter Hof-Mann und ein
glaͤubiger Chriſt unmoͤglich mit einander vereiniget
ſeyn koͤnnen. Doch dieſe elenden Leute machen ſich
einen falſchen Begriff von ihrem guten Hof-Mann,
und auch einen falſchen Begriff von den Hoͤfen, oder
vielmehr von den Haͤuptern der Hoͤfe und den Re-
genten. Sie verſtehen durch ihren guten Hof-
Mann einen ſolchen, der in allen ſeinen Handlun-
gen ſich nach den laſterhafften Neigungen ſeiner
Herrſchafft richtet, und nichts anders zum Ziel hat,
als zu allen Zeiten ſich ſeiner Herrſchafft gefaͤllig zu
bezeigen, er mag nun ſich oder ſeine Herrſchafft dar-
uͤber gluͤcklich oder ungluͤcklich machen, es mag dieſe
oder jene Handlung mit GOttes Wort uͤberein-
ſtimmen, oder demſelben zuwider ſeyn. Sie neh-
men dabey ſolche Regenten an, die GOttes und ſei-
nes Wortes ſpotten, und in offenbarer Gottloſigkeit
leben. Jedoch, dergleichen Leute ſind in ihrem
Hertzen ſelbſt viel boͤſer, als viele Regenten ſelbſt,
deren Hoͤfe ſie ſich vorſtellen. Es hat ja, GOtt
Lob! zu allen Zeiten, in Teutſchland, und in den an-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/244>, abgerufen am 16.02.2025.
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