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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Ceremoniel-Wissensch. überh.
beruhet auf lauter Menschen-Satzungen, und also
bestehen ihre Regeln nach der Beschaffenheit des
Verstandes und des Willens, derer die sie erfunden,
oder ihnen Beyfall geben, aus solchen Sätzen, die
theils vernünfftig und tugendhafft, theils unver-
nünfftig und lasterhafft, theils aber auch als unschul-
dige und gleichgültige anzusehen. Gebrauchten
sich die Menschen ihrer Kräffte des Verstandes
und Willens auf die Weise, wie sie sich wohl dersel-
ben gebrauchen solten und könten, so würden die Ce-
remoni
en und Gebräuche alle ihren Grund haben,
sie würden mit der Tugend-Lehre, mit dem natürli-
chen Recht und mit der Lehre der Klugheit, vollkom-
men können moniren, und die Menschen würden
auch bey ihren äußerlichen Handlungen jederzeit
das beste und vollkommenste erwehlen. Nachdem
aber der gröste Theil der sterblichen, und auch viele
von den höhern, mehr ihren Vorurtheilen und Be-
gierden, als den Lehren der gesunden Vernunfft Fol-
ge leisten so ist auch kein Wunder, daß viel thörich-
te und sündliche Gebräuche und Ceremonien auf-
gekommen, und in Ubung erhalten werden.

§. 9. Der Unterscheid unter denen Ceremonien
und Gebräuchen, ist nicht so gar leicht anzuzeigen,
und ziemlich subtil; jedoch halt ich davor, daß sie sich
auf folgende Weise von einander absondern. Eine
Ceremonie ist eine gewisse Handlung, dadurch, als
ein Zeichen, etwas gewisses angedeutet wird, und
entweder denjenigen selbst, der die Ceremonie vor-
nimmt, oder mit denen sie vorgenommen wird, oder

auch
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Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
beruhet auf lauter Menſchen-Satzungen, und alſo
beſtehen ihre Regeln nach der Beſchaffenheit des
Verſtandes und des Willens, derer die ſie erfunden,
oder ihnen Beyfall geben, aus ſolchen Saͤtzen, die
theils vernuͤnfftig und tugendhafft, theils unver-
nuͤnfftig und laſterhafft, theils aber auch als unſchul-
dige und gleichguͤltige anzuſehen. Gebrauchten
ſich die Menſchen ihrer Kraͤffte des Verſtandes
und Willens auf die Weiſe, wie ſie ſich wohl derſel-
ben gebrauchen ſolten und koͤnten, ſo wuͤrden die Ce-
remoni
en und Gebraͤuche alle ihren Grund haben,
ſie wuͤrden mit der Tugend-Lehre, mit dem natuͤrli-
chen Recht und mit der Lehre der Klugheit, vollkom-
men koͤnnen moniren, und die Menſchen wuͤrden
auch bey ihren aͤußerlichen Handlungen jederzeit
das beſte und vollkommenſte erwehlen. Nachdem
aber der groͤſte Theil der ſterblichen, und auch viele
von den hoͤhern, mehr ihren Vorurtheilen und Be-
gierden, als den Lehren der geſunden Vernunfft Fol-
ge leiſten ſo iſt auch kein Wunder, daß viel thoͤrich-
te und ſuͤndliche Gebraͤuche und Ceremonien auf-
gekommen, und in Ubung erhalten werden.

§. 9. Der Unterſcheid unter denen Ceremonien
und Gebraͤuchen, iſt nicht ſo gar leicht anzuzeigen,
und ziemlich ſubtil; jedoch halt ich davor, daß ſie ſich
auf folgende Weiſe von einander abſondern. Eine
Ceremonie iſt eine gewiſſe Handlung, dadurch, als
ein Zeichen, etwas gewiſſes angedeutet wird, und
entweder denjenigen ſelbſt, der die Ceremonie vor-
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[7/0027] Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh. beruhet auf lauter Menſchen-Satzungen, und alſo beſtehen ihre Regeln nach der Beſchaffenheit des Verſtandes und des Willens, derer die ſie erfunden, oder ihnen Beyfall geben, aus ſolchen Saͤtzen, die theils vernuͤnfftig und tugendhafft, theils unver- nuͤnfftig und laſterhafft, theils aber auch als unſchul- dige und gleichguͤltige anzuſehen. Gebrauchten ſich die Menſchen ihrer Kraͤffte des Verſtandes und Willens auf die Weiſe, wie ſie ſich wohl derſel- ben gebrauchen ſolten und koͤnten, ſo wuͤrden die Ce- remonien und Gebraͤuche alle ihren Grund haben, ſie wuͤrden mit der Tugend-Lehre, mit dem natuͤrli- chen Recht und mit der Lehre der Klugheit, vollkom- men koͤnnen moniren, und die Menſchen wuͤrden auch bey ihren aͤußerlichen Handlungen jederzeit das beſte und vollkommenſte erwehlen. Nachdem aber der groͤſte Theil der ſterblichen, und auch viele von den hoͤhern, mehr ihren Vorurtheilen und Be- gierden, als den Lehren der geſunden Vernunfft Fol- ge leiſten ſo iſt auch kein Wunder, daß viel thoͤrich- te und ſuͤndliche Gebraͤuche und Ceremonien auf- gekommen, und in Ubung erhalten werden. §. 9. Der Unterſcheid unter denen Ceremonien und Gebraͤuchen, iſt nicht ſo gar leicht anzuzeigen, und ziemlich ſubtil; jedoch halt ich davor, daß ſie ſich auf folgende Weiſe von einander abſondern. Eine Ceremonie iſt eine gewiſſe Handlung, dadurch, als ein Zeichen, etwas gewiſſes angedeutet wird, und entweder denjenigen ſelbſt, der die Ceremonie vor- nimmt, oder mit denen ſie vorgenommen wird, oder auch A 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/27>, abgerufen am 21.11.2024.