Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Gottesdienst.
wolten. Da sie nun ihren vorgesetzten einen völli-
gen Gehorsam leisten, und von ihren Bedienten
dergleichen verlangen, so solten sie sich billig schä-
men und scheuen, dem großen Welt-Monarchen
so ungehorsam zu seyn, und seine Geboth so frevent-
lich zu übertreten.

§. 13. Andre kommen zwar des Sonntags, so
wohl Früh als Nachmittags, in die Kirche, bringen
aber ihre Zeit darinnen mehr mit Schlafen, Plau-
dern und Lesen der Briefe und Zeitungen zu, als mit
Singen und Anhören des Wortes GOttes. Es
ist aber eine wunderliche Sache, daß solche Leute
bey dem Gottesdienst nicht einmahl die äußerliche
Figur mitmachen wollen, auf die sie doch sonst so
gar viel halten. Sie solten der gesunden Ver-
nunfft nach erwegen, daß ein ieder, der an einem
öffentlichen Ort, auf Befehl der hohen Obrigkeit
beruffen wird, einen gewissen Vortrag anzuhören,
verbunden ist, sich dabey so zu bezeugen, damit es
das Ansehen gewinne, als ob er selbst dabey zuhörte
und aufmercksam wäre, und die andern an der An-
hörung des Vortrages nicht gehindert werden.
Wenn sie doch vor das Hauß GOttes so viel äus-
serliche Ehren-Bezeugungen hätten, als vor ein
Opern- oder Comoedien-Hauß, und vor eine Pre-
digt, als vor den Vortrag in einer Comoedie und
Oper. Sie urtheilen, und zwar mit Grund, daß
es wider den Wohlstand, in einer Comoedie oder
Oper zu schlafen, etwas anders zu lesen, zu plaudern,
und seine Nachbarn zu stöhren, und wollen doch die

Hand-
R 2

Vom Gottesdienſt.
wolten. Da ſie nun ihren vorgeſetzten einen voͤlli-
gen Gehorſam leiſten, und von ihren Bedienten
dergleichen verlangen, ſo ſolten ſie ſich billig ſchaͤ-
men und ſcheuen, dem großen Welt-Monarchen
ſo ungehorſam zu ſeyn, und ſeine Geboth ſo frevent-
lich zu uͤbertreten.

§. 13. Andre kommen zwar des Sonntags, ſo
wohl Fruͤh als Nachmittags, in die Kirche, bringen
aber ihre Zeit darinnen mehr mit Schlafen, Plau-
dern und Leſen der Briefe und Zeitungen zu, als mit
Singen und Anhoͤren des Wortes GOttes. Es
iſt aber eine wunderliche Sache, daß ſolche Leute
bey dem Gottesdienſt nicht einmahl die aͤußerliche
Figur mitmachen wollen, auf die ſie doch ſonſt ſo
gar viel halten. Sie ſolten der geſunden Ver-
nunfft nach erwegen, daß ein ieder, der an einem
oͤffentlichen Ort, auf Befehl der hohen Obrigkeit
beruffen wird, einen gewiſſen Vortrag anzuhoͤren,
verbunden iſt, ſich dabey ſo zu bezeugen, damit es
das Anſehen gewinne, als ob er ſelbſt dabey zuhoͤrte
und aufmerckſam waͤre, und die andern an der An-
hoͤrung des Vortrages nicht gehindert werden.
Wenn ſie doch vor das Hauß GOttes ſo viel aͤuſ-
ſerliche Ehren-Bezeugungen haͤtten, als vor ein
Opern- oder Comœdien-Hauß, und vor eine Pre-
digt, als vor den Vortrag in einer Comœdie und
Oper. Sie urtheilen, und zwar mit Grund, daß
es wider den Wohlſtand, in einer Comœdie oder
Oper zu ſchlafen, etwas anders zu leſen, zu plaudern,
und ſeine Nachbarn zu ſtoͤhren, und wollen doch die

Hand-
R 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0279" n="259"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Gottesdien&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
wolten. Da &#x017F;ie nun ihren vorge&#x017F;etzten einen vo&#x0364;lli-<lb/>
gen Gehor&#x017F;am lei&#x017F;ten, und von ihren Bedienten<lb/>
dergleichen verlangen, &#x017F;o &#x017F;olten &#x017F;ie &#x017F;ich billig &#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
men und &#x017F;cheuen, dem großen Welt-<hi rendition="#aq">Monarch</hi>en<lb/>
&#x017F;o ungehor&#x017F;am zu &#x017F;eyn, und &#x017F;eine Geboth &#x017F;o frevent-<lb/>
lich zu u&#x0364;bertreten.</p><lb/>
        <p>§. 13. Andre kommen zwar des Sonntags, &#x017F;o<lb/>
wohl Fru&#x0364;h als Nachmittags, in die Kirche, bringen<lb/>
aber ihre Zeit darinnen mehr mit Schlafen, Plau-<lb/>
dern und Le&#x017F;en der Briefe und Zeitungen zu, als mit<lb/>
Singen und Anho&#x0364;ren des Wortes GOttes. Es<lb/>
i&#x017F;t aber eine wunderliche Sache, daß &#x017F;olche Leute<lb/>
bey dem Gottesdien&#x017F;t nicht einmahl die a&#x0364;ußerliche<lb/><hi rendition="#aq">Figur</hi> mitmachen wollen, auf die &#x017F;ie doch &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
gar viel halten. Sie &#x017F;olten der ge&#x017F;unden Ver-<lb/>
nunfft nach erwegen, daß ein ieder, der an einem<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Ort, auf Befehl der hohen Obrigkeit<lb/>
beruffen wird, einen gewi&#x017F;&#x017F;en Vortrag anzuho&#x0364;ren,<lb/>
verbunden i&#x017F;t, &#x017F;ich dabey &#x017F;o zu bezeugen, damit es<lb/>
das An&#x017F;ehen gewinne, als ob er &#x017F;elb&#x017F;t dabey zuho&#x0364;rte<lb/>
und aufmerck&#x017F;am wa&#x0364;re, und die andern an der An-<lb/>
ho&#x0364;rung des Vortrages nicht gehindert werden.<lb/>
Wenn &#x017F;ie doch vor das Hauß GOttes &#x017F;o viel a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erliche Ehren-Bezeugungen ha&#x0364;tten, als vor ein<lb/><hi rendition="#aq">Opern-</hi> oder <hi rendition="#aq">Com&#x0153;di</hi>en-Hauß, und vor eine Pre-<lb/>
digt, als vor den Vortrag in einer <hi rendition="#aq">Com&#x0153;die</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">Oper.</hi> Sie urtheilen, und zwar mit Grund, daß<lb/>
es wider den Wohl&#x017F;tand, in einer <hi rendition="#aq">Com&#x0153;die</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq">Oper</hi> zu &#x017F;chlafen, etwas anders zu le&#x017F;en, zu plaudern,<lb/>
und &#x017F;eine Nachbarn zu &#x017F;to&#x0364;hren, und wollen doch die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Hand-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0279] Vom Gottesdienſt. wolten. Da ſie nun ihren vorgeſetzten einen voͤlli- gen Gehorſam leiſten, und von ihren Bedienten dergleichen verlangen, ſo ſolten ſie ſich billig ſchaͤ- men und ſcheuen, dem großen Welt-Monarchen ſo ungehorſam zu ſeyn, und ſeine Geboth ſo frevent- lich zu uͤbertreten. §. 13. Andre kommen zwar des Sonntags, ſo wohl Fruͤh als Nachmittags, in die Kirche, bringen aber ihre Zeit darinnen mehr mit Schlafen, Plau- dern und Leſen der Briefe und Zeitungen zu, als mit Singen und Anhoͤren des Wortes GOttes. Es iſt aber eine wunderliche Sache, daß ſolche Leute bey dem Gottesdienſt nicht einmahl die aͤußerliche Figur mitmachen wollen, auf die ſie doch ſonſt ſo gar viel halten. Sie ſolten der geſunden Ver- nunfft nach erwegen, daß ein ieder, der an einem oͤffentlichen Ort, auf Befehl der hohen Obrigkeit beruffen wird, einen gewiſſen Vortrag anzuhoͤren, verbunden iſt, ſich dabey ſo zu bezeugen, damit es das Anſehen gewinne, als ob er ſelbſt dabey zuhoͤrte und aufmerckſam waͤre, und die andern an der An- hoͤrung des Vortrages nicht gehindert werden. Wenn ſie doch vor das Hauß GOttes ſo viel aͤuſ- ſerliche Ehren-Bezeugungen haͤtten, als vor ein Opern- oder Comœdien-Hauß, und vor eine Pre- digt, als vor den Vortrag in einer Comœdie und Oper. Sie urtheilen, und zwar mit Grund, daß es wider den Wohlſtand, in einer Comœdie oder Oper zu ſchlafen, etwas anders zu leſen, zu plaudern, und ſeine Nachbarn zu ſtoͤhren, und wollen doch die Hand- R 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/279
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/279>, abgerufen am 24.11.2024.