Handlungen des Gottesdienstes auf eine solche Art profaniren, in einem Hause, welches der Ehre GOttes gewidmet.
§. 14. Ein vernünfftiger Mensch läst sich durch die Exempel anderer nicht irre machen, er versäu- met den an den Sonn- und Fest-Tägen angeord- neten Gottesdienst niemahls ohne Noth, er ist der erste mit von denen die in die Kirche gehen, und der letzte, der heraus gehet, er enthält sich alles dessen, wodurch seine Andacht gestöhret werden könte, und giebt bey der Predigt einen aufmercksamen Zuhö- rer ab. Bey dem singen der Christlichen Gesän- ge, achtet er sichs nicht vor eine Schande, das Ge- sang-Buch in die Hand zu nehmen, sintemahl er wohl weiß, daß man nicht allein die Lieder, zumahl die fremden und unbekandten genauer mitsingen kan, sondern auch die Andacht durch das Buch mehr erweckt, und den fremden Gedancken ge- wehret wird. Er beklaget die Thorheit der Welt- gesinnten, die bey dem Gesang der Christlichen Lieder, entweder als die steinern Oehl-Götzen da sitzen, oder doch die Lieder verstümmelt, falsch und ohne Aufmercksamkeit zum Aergerniß, und bißwei- len gar zum Gelächter ihrer Nachbarn mitsingen, da sie doch fast niemahls in ein Opern- Hauß ge- hen, wenn sie nicht das gedruckete Opern-Buch mitnehmen solten, und nachgehends fast kein Auge davon verwenden.
§. 15. Bey den allgemeinen Fast-Buß- und Beth-Tägen, die zu gewissen Zeiten ausgeschrieben
wor-
II. Theil. I. Capitul.
Handlungen des Gottesdienſtes auf eine ſolche Art profaniren, in einem Hauſe, welches der Ehre GOttes gewidmet.
§. 14. Ein vernuͤnfftiger Menſch laͤſt ſich durch die Exempel anderer nicht irre machen, er verſaͤu- met den an den Sonn- und Feſt-Taͤgen angeord- neten Gottesdienſt niemahls ohne Noth, er iſt der erſte mit von denen die in die Kirche gehen, und der letzte, der heraus gehet, er enthaͤlt ſich alles deſſen, wodurch ſeine Andacht geſtoͤhret werden koͤnte, und giebt bey der Predigt einen aufmerckſamen Zuhoͤ- rer ab. Bey dem ſingen der Chriſtlichen Geſaͤn- ge, achtet er ſichs nicht vor eine Schande, das Ge- ſang-Buch in die Hand zu nehmen, ſintemahl er wohl weiß, daß man nicht allein die Lieder, zumahl die fremden und unbekandten genauer mitſingen kan, ſondern auch die Andacht durch das Buch mehr erweckt, und den fremden Gedancken ge- wehret wird. Er beklaget die Thorheit der Welt- geſinnten, die bey dem Geſang der Chriſtlichen Lieder, entweder als die ſteinern Oehl-Goͤtzen da ſitzen, oder doch die Lieder verſtuͤmmelt, falſch und ohne Aufmerckſamkeit zum Aergerniß, und bißwei- len gar zum Gelaͤchter ihrer Nachbarn mitſingen, da ſie doch faſt niemahls in ein Opern- Hauß ge- hen, wenn ſie nicht das gedruckete Opern-Buch mitnehmen ſolten, und nachgehends faſt kein Auge davon verwenden.
§. 15. Bey den allgemeinen Faſt-Buß- und Beth-Taͤgen, die zu gewiſſen Zeiten ausgeſchrieben
wor-
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II. Theil. I. Capitul.
Handlungen des Gottesdienſtes auf eine ſolche Art
profaniren, in einem Hauſe, welches der Ehre
GOttes gewidmet.
§. 14. Ein vernuͤnfftiger Menſch laͤſt ſich durch
die Exempel anderer nicht irre machen, er verſaͤu-
met den an den Sonn- und Feſt-Taͤgen angeord-
neten Gottesdienſt niemahls ohne Noth, er iſt der
erſte mit von denen die in die Kirche gehen, und der
letzte, der heraus gehet, er enthaͤlt ſich alles deſſen,
wodurch ſeine Andacht geſtoͤhret werden koͤnte, und
giebt bey der Predigt einen aufmerckſamen Zuhoͤ-
rer ab. Bey dem ſingen der Chriſtlichen Geſaͤn-
ge, achtet er ſichs nicht vor eine Schande, das Ge-
ſang-Buch in die Hand zu nehmen, ſintemahl er
wohl weiß, daß man nicht allein die Lieder, zumahl
die fremden und unbekandten genauer mitſingen
kan, ſondern auch die Andacht durch das Buch
mehr erweckt, und den fremden Gedancken ge-
wehret wird. Er beklaget die Thorheit der Welt-
geſinnten, die bey dem Geſang der Chriſtlichen
Lieder, entweder als die ſteinern Oehl-Goͤtzen da
ſitzen, oder doch die Lieder verſtuͤmmelt, falſch und
ohne Aufmerckſamkeit zum Aergerniß, und bißwei-
len gar zum Gelaͤchter ihrer Nachbarn mitſingen,
da ſie doch faſt niemahls in ein Opern- Hauß ge-
hen, wenn ſie nicht das gedruckete Opern-Buch
mitnehmen ſolten, und nachgehends faſt kein Auge
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/280>, abgerufen am 24.11.2024.
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