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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. I. Capitul.
in übrigen gesund, starck und munter, eine Ausnah-
me gemacht wäre, ist nirgends ausgedruckt. An
statt der zur Ehre GOttes, und zur Ermunterung
ihrer Andacht von der hohen Landes-Obrigkeit an-
befohlenen Fasten, erwehlen sich ihrer viele nach ei-
genen Gefallen ein eigenes, besonderes und unnü-
tzes Fasten, da sie an einem gewissen Tag, an dem
sie sich des Todes einer geliebten Person erinnern
wollen, oder da sie bey einer andern Gelegenheit,
und aus einer andern Absicht eine dergleichen Ge-
lübde gethan, biß nach der Sonnen Untergang
nichts von Speise und Geträncke zu sich nehmen,
und hingegen dasjenige, was sie bey der Mittags-
Mahlzeit versäumet, entweder bey der Abend-
Mahlzeit, oder doch den andern folgenden Tag
doppelt wieder einbringen.

§. 16. Bey den Ablesen und Herbeten der öf-
fentlichen Kirchen-Gebeter nach geendigter Pre-
digt, nimmt man bey der Welt ebenfalls mancher-
ley Fehler wahr, die dem Wohlstand zuwider und
billig abgestellt werden solten und könten; einige be-
ten die Kirchen-Gebeter gantz und gar nicht mit,
sie dencken, sie haben ihre Andacht schon überflüßlg
an den Tag gelegt, wenn sie der Predig zugehört.
Wenn aber ja solche Leute in so glückseeligen Um-
ständen sich befänden, daß sie meynten, sie könten
GOttes und des Gebets entbehren, so solten sie doch
zum wenigsten den äußerlichen Wohlstand nach,
und zu Vermeydung des öffentlichen Aergernisses
unter währenden allgemeinen Kirchen-Gebet stille

seyn,

II. Theil. I. Capitul.
in uͤbrigen geſund, ſtarck und munter, eine Ausnah-
me gemacht waͤre, iſt nirgends ausgedruckt. An
ſtatt der zur Ehre GOttes, und zur Ermunterung
ihrer Andacht von der hohen Landes-Obrigkeit an-
befohlenen Faſten, erwehlen ſich ihrer viele nach ei-
genen Gefallen ein eigenes, beſonderes und unnuͤ-
tzes Faſten, da ſie an einem gewiſſen Tag, an dem
ſie ſich des Todes einer geliebten Perſon erinnern
wollen, oder da ſie bey einer andern Gelegenheit,
und aus einer andern Abſicht eine dergleichen Ge-
luͤbde gethan, biß nach der Sonnen Untergang
nichts von Speiſe und Getraͤncke zu ſich nehmen,
und hingegen dasjenige, was ſie bey der Mittags-
Mahlzeit verſaͤumet, entweder bey der Abend-
Mahlzeit, oder doch den andern folgenden Tag
doppelt wieder einbringen.

§. 16. Bey den Ableſen und Herbeten der oͤf-
fentlichen Kirchen-Gebeter nach geendigter Pre-
digt, nimmt man bey der Welt ebenfalls mancher-
ley Fehler wahr, die dem Wohlſtand zuwider und
billig abgeſtellt werden ſolten und koͤnten; einige be-
ten die Kirchen-Gebeter gantz und gar nicht mit,
ſie dencken, ſie haben ihre Andacht ſchon uͤberfluͤßlg
an den Tag gelegt, wenn ſie der Predig zugehoͤrt.
Wenn aber ja ſolche Leute in ſo gluͤckſeeligen Um-
ſtaͤnden ſich befaͤnden, daß ſie meynten, ſie koͤnten
GOttes und des Gebets entbehren, ſo ſolten ſie doch
zum wenigſten den aͤußerlichen Wohlſtand nach,
und zu Vermeydung des oͤffentlichen Aergerniſſes
unter waͤhrenden allgemeinen Kirchen-Gebet ſtille

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[262/0282] II. Theil. I. Capitul. in uͤbrigen geſund, ſtarck und munter, eine Ausnah- me gemacht waͤre, iſt nirgends ausgedruckt. An ſtatt der zur Ehre GOttes, und zur Ermunterung ihrer Andacht von der hohen Landes-Obrigkeit an- befohlenen Faſten, erwehlen ſich ihrer viele nach ei- genen Gefallen ein eigenes, beſonderes und unnuͤ- tzes Faſten, da ſie an einem gewiſſen Tag, an dem ſie ſich des Todes einer geliebten Perſon erinnern wollen, oder da ſie bey einer andern Gelegenheit, und aus einer andern Abſicht eine dergleichen Ge- luͤbde gethan, biß nach der Sonnen Untergang nichts von Speiſe und Getraͤncke zu ſich nehmen, und hingegen dasjenige, was ſie bey der Mittags- Mahlzeit verſaͤumet, entweder bey der Abend- Mahlzeit, oder doch den andern folgenden Tag doppelt wieder einbringen. §. 16. Bey den Ableſen und Herbeten der oͤf- fentlichen Kirchen-Gebeter nach geendigter Pre- digt, nimmt man bey der Welt ebenfalls mancher- ley Fehler wahr, die dem Wohlſtand zuwider und billig abgeſtellt werden ſolten und koͤnten; einige be- ten die Kirchen-Gebeter gantz und gar nicht mit, ſie dencken, ſie haben ihre Andacht ſchon uͤberfluͤßlg an den Tag gelegt, wenn ſie der Predig zugehoͤrt. Wenn aber ja ſolche Leute in ſo gluͤckſeeligen Um- ſtaͤnden ſich befaͤnden, daß ſie meynten, ſie koͤnten GOttes und des Gebets entbehren, ſo ſolten ſie doch zum wenigſten den aͤußerlichen Wohlſtand nach, und zu Vermeydung des oͤffentlichen Aergerniſſes unter waͤhrenden allgemeinen Kirchen-Gebet ſtille ſeyn,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/282>, abgerufen am 24.11.2024.