seyn, und sich so anstellen, als ob sie mitbeteten. Andere beten sie zwar mit, aber ohne einige Andacht und Aufmercksamkeit, welches man daher siehet, weil sie die allgemeine Absolutions-Formul, ich, als ein beruffner und verordneter Diener des Wortes GOttes, u. s. w. andächtig mit be- ten, als ob sie vor sie gehörte, und sich bey ihrem Nachbarn zum Gespött und Gelächter machen. Noch andere die doch sonst wohl eben nicht die be- sten Christen, und ihren Glauben durch die Wercke gar schlecht beweisen, pflegen in dem Nachbeten der allgemeinen Kirchen Gebeter gantz laut zu stöh- nen und zu seuffzen, sie auch wohl ziemlich laut nach- zubeten. Doch diese jählige Andacht, die ihren Nachbarn bißweilen zum Gelächter dienet, ist mehr eine Würckung der Gewohnheit, als ein Trieb des Geistes; ein andächtig Gebet des Hertzens kan wohl ohne solch laut Stöhnen verrichtet werden; mancher der in dem Kirchen-Gebet stöhnet, hat wohl die gantze Predigt durch geplaudert. Es giebt auch den Schein einer großen Heucheley von sich.
§. 17. Wie nun einige bey ihrem Beten eine all- zu grosse Andacht von sich geben so findet man hin- gegen wieder andere, und zwar deren noch mehr, als der vorhergehenden, die sich des Gebets gantz und gar schämen, und nicht allein des Gebets, sondern auch des Wortes GOttes selbst und anderer hei- ligen Ubungen. Wenn sie wissen, daß einige vor- nehme Leute, die auf GOtt und sein Wort nicht viel
hal-
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Vom Gottesdienſt.
ſeyn, und ſich ſo anſtellen, als ob ſie mitbeteten. Andere beten ſie zwar mit, aber ohne einige Andacht und Aufmerckſamkeit, welches man daher ſiehet, weil ſie die allgemeine Abſolutions-Formul, ich, als ein beruffner und verordneter Diener des Wortes GOttes, u. ſ. w. andaͤchtig mit be- ten, als ob ſie vor ſie gehoͤrte, und ſich bey ihrem Nachbarn zum Geſpoͤtt und Gelaͤchter machen. Noch andere die doch ſonſt wohl eben nicht die be- ſten Chriſten, und ihren Glauben durch die Wercke gar ſchlecht beweiſen, pflegen in dem Nachbeten der allgemeinen Kirchen Gebeter gantz laut zu ſtoͤh- nen und zu ſeuffzen, ſie auch wohl ziemlich laut nach- zubeten. Doch dieſe jaͤhlige Andacht, die ihren Nachbarn bißweilen zum Gelaͤchter dienet, iſt mehr eine Wuͤrckung der Gewohnheit, als ein Trieb des Geiſtes; ein andaͤchtig Gebet des Hertzens kan wohl ohne ſolch laut Stoͤhnen verrichtet werden; mancher der in dem Kirchen-Gebet ſtoͤhnet, hat wohl die gantze Predigt durch geplaudert. Es giebt auch den Schein einer großen Heucheley von ſich.
§. 17. Wie nun einige bey ihrem Beten eine all- zu groſſe Andacht von ſich geben ſo findet man hin- gegen wieder andere, und zwar deren noch mehr, als der vorhergehenden, die ſich des Gebets gantz und gar ſchaͤmen, und nicht allein des Gebets, ſondern auch des Wortes GOttes ſelbſt und anderer hei- ligen Ubungen. Wenn ſie wiſſen, daß einige vor- nehme Leute, die auf GOtt und ſein Wort nicht viel
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Vom Gottesdienſt.
ſeyn, und ſich ſo anſtellen, als ob ſie mitbeteten.
Andere beten ſie zwar mit, aber ohne einige Andacht
und Aufmerckſamkeit, welches man daher ſiehet,
weil ſie die allgemeine Abſolutions-Formul,
ich, als ein beruffner und verordneter Diener
des Wortes GOttes, u. ſ. w. andaͤchtig mit be-
ten, als ob ſie vor ſie gehoͤrte, und ſich bey ihrem
Nachbarn zum Geſpoͤtt und Gelaͤchter machen.
Noch andere die doch ſonſt wohl eben nicht die be-
ſten Chriſten, und ihren Glauben durch die Wercke
gar ſchlecht beweiſen, pflegen in dem Nachbeten
der allgemeinen Kirchen Gebeter gantz laut zu ſtoͤh-
nen und zu ſeuffzen, ſie auch wohl ziemlich laut nach-
zubeten. Doch dieſe jaͤhlige Andacht, die ihren
Nachbarn bißweilen zum Gelaͤchter dienet, iſt mehr
eine Wuͤrckung der Gewohnheit, als ein Trieb des
Geiſtes; ein andaͤchtig Gebet des Hertzens kan
wohl ohne ſolch laut Stoͤhnen verrichtet werden;
mancher der in dem Kirchen-Gebet ſtoͤhnet, hat
wohl die gantze Predigt durch geplaudert. Es
giebt auch den Schein einer großen Heucheley von
ſich.
§. 17. Wie nun einige bey ihrem Beten eine all-
zu groſſe Andacht von ſich geben ſo findet man hin-
gegen wieder andere, und zwar deren noch mehr, als
der vorhergehenden, die ſich des Gebets gantz und
gar ſchaͤmen, und nicht allein des Gebets, ſondern
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/283>, abgerufen am 21.11.2024.
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