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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Gottesdienst.
wehlt, auf das schimpfflichste urtheilen. Es ist
schlimm, daß sie in ihren Reden, ohne daß es ihr Be-
ruff und die Nothwendigkeit der Sache zu erfor-
dern pflegt ihren Nächsten überhaupt richten; noch
schlimmer ists, daß sie rechtschaffene Priester ver-
unglimpffen, und am allerschlimmsten, daß sie vor
ihrem Beicht-Vater nicht grössere Ehrerbietung
haben; ich rede aber hier von solchen Beicht-
Vätern, die sich bey ihrer reinen Lehre und gott-
seeligem Leben, als treue Haußhalter GOttes und
Vorbilder ihrer Heerde aufführen; Hat ein treu
gesinnter Diener GOttes offenbahre Laster be-
strafft, oder wie es die Welt nennt, auf der Cantzel
geschmählt, so ist man hinter ihn drein, man schmä-
het und verfolgt ihn, wo man weiß und kan. Sol-
che Priester hat die Welt gerne, die stets trösten,
und niemahls straffen, die Welt will alles thun,
was sie will, und die Priester sollen ihrer Boßheit
und unbändigen Freyheit in keinem Stück einigen
Einhalt thun. Wenn sie doch vor ihre Beicht-
Väter so viel Ehrerbietung hätten, als vor ihre Me-
dicos,
denen sie sich anvertraut; Zeiget ihnen der
Medicus, daß sie sich auf diese oder jene Art die
Kranckheit zugezogen, er warnet sie vor allen dem,
was ihnen schädlich, bestraffet sie auch wohl, und
verweiset ihnen erstlich, daß sie seiner Vorschrifft
nicht gefolget, und durch ihre Nachläßigkeit und
Unordnung ihren Zufall verschlimmert, so nehmen
sie alles vor gut auf, sie loben seine Sorgfalt, sie
dancken ihm vor seine Treue, zeiget ihnen aber

der

Vom Gottesdienſt.
wehlt, auf das ſchimpfflichſte urtheilen. Es iſt
ſchlimm, daß ſie in ihren Reden, ohne daß es ihr Be-
ruff und die Nothwendigkeit der Sache zu erfor-
dern pflegt ihren Naͤchſten uͤberhaupt richten; noch
ſchlimmer iſts, daß ſie rechtſchaffene Prieſter ver-
unglimpffen, und am allerſchlimmſten, daß ſie vor
ihrem Beicht-Vater nicht groͤſſere Ehrerbietung
haben; ich rede aber hier von ſolchen Beicht-
Vaͤtern, die ſich bey ihrer reinen Lehre und gott-
ſeeligem Leben, als treue Haußhalter GOttes und
Vorbilder ihrer Heerde auffuͤhren; Hat ein treu
geſinnter Diener GOttes offenbahre Laſter be-
ſtrafft, oder wie es die Welt nennt, auf der Cantzel
geſchmaͤhlt, ſo iſt man hinter ihn drein, man ſchmaͤ-
het und verfolgt ihn, wo man weiß und kan. Sol-
che Prieſter hat die Welt gerne, die ſtets troͤſten,
und niemahls ſtraffen, die Welt will alles thun,
was ſie will, und die Prieſter ſollen ihrer Boßheit
und unbaͤndigen Freyheit in keinem Stuͤck einigen
Einhalt thun. Wenn ſie doch vor ihre Beicht-
Vaͤter ſo viel Ehrerbietung haͤtten, als vor ihre Me-
dicos,
denen ſie ſich anvertraut; Zeiget ihnen der
Medicus, daß ſie ſich auf dieſe oder jene Art die
Kranckheit zugezogen, er warnet ſie vor allen dem,
was ihnen ſchaͤdlich, beſtraffet ſie auch wohl, und
verweiſet ihnen erſtlich, daß ſie ſeiner Vorſchrifft
nicht gefolget, und durch ihre Nachlaͤßigkeit und
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ſie alles vor gut auf, ſie loben ſeine Sorgfalt, ſie
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[271/0291] Vom Gottesdienſt. wehlt, auf das ſchimpfflichſte urtheilen. Es iſt ſchlimm, daß ſie in ihren Reden, ohne daß es ihr Be- ruff und die Nothwendigkeit der Sache zu erfor- dern pflegt ihren Naͤchſten uͤberhaupt richten; noch ſchlimmer iſts, daß ſie rechtſchaffene Prieſter ver- unglimpffen, und am allerſchlimmſten, daß ſie vor ihrem Beicht-Vater nicht groͤſſere Ehrerbietung haben; ich rede aber hier von ſolchen Beicht- Vaͤtern, die ſich bey ihrer reinen Lehre und gott- ſeeligem Leben, als treue Haußhalter GOttes und Vorbilder ihrer Heerde auffuͤhren; Hat ein treu geſinnter Diener GOttes offenbahre Laſter be- ſtrafft, oder wie es die Welt nennt, auf der Cantzel geſchmaͤhlt, ſo iſt man hinter ihn drein, man ſchmaͤ- het und verfolgt ihn, wo man weiß und kan. Sol- che Prieſter hat die Welt gerne, die ſtets troͤſten, und niemahls ſtraffen, die Welt will alles thun, was ſie will, und die Prieſter ſollen ihrer Boßheit und unbaͤndigen Freyheit in keinem Stuͤck einigen Einhalt thun. Wenn ſie doch vor ihre Beicht- Vaͤter ſo viel Ehrerbietung haͤtten, als vor ihre Me- dicos, denen ſie ſich anvertraut; Zeiget ihnen der Medicus, daß ſie ſich auf dieſe oder jene Art die Kranckheit zugezogen, er warnet ſie vor allen dem, was ihnen ſchaͤdlich, beſtraffet ſie auch wohl, und verweiſet ihnen erſtlich, daß ſie ſeiner Vorſchrifft nicht gefolget, und durch ihre Nachlaͤßigkeit und Unordnung ihren Zufall verſchlimmert, ſo nehmen ſie alles vor gut auf, ſie loben ſeine Sorgfalt, ſie dancken ihm vor ſeine Treue, zeiget ihnen aber der

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/291>, abgerufen am 21.11.2024.