Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Conversation.
beruhet auf einigen allgemeinen Regeln und An-
merckungen der natürlichen Beredsamkeit, und ist
weit nützlicher, als die vielen oratorischen Figuren,
zu denen junge Leute angeführt werden. Es gehet
bißweilen eine lange Zeit hin, ehe eine Gelegenheit
vorfällt, eine zierliche Rede nach der Kunst zu hal-
ten, einen natürlichen und ordentlichen Vortrag
hingegen braucht man alle Tage, theils in Reden,
theils in Schreiben, da man eine speciem facti auf-
setzen, oder einen Bericht abstatten muß.

§. 16. Ein vernünfftiger Mensch muß in seinen
Reden auch auf den Thon der Sprache Achtung
geben, damit er auch hiebey den Wohlstand beob-
achtet, und dem Spötter nicht Gelegenheit gebe,
ungleich von ihm zu urtheilen. Er kan sich zwar
keinen andern Klang der Aussprache geben, als
ihm GOtt und die Natur durch die Geburth mit-
getheilet, er muß aber doch, so viel als möglich, an
sich bessern, daß er dasjenige, was hierbey vor un-
angenehm und unanständig geachtet wird, ver-
meyden möge, diesemnach muß er den Accent, der
sein Vaterland vermuth, und etwan bloß dem Pöbel
unter seinen Landes-Leuten eigenthümlich ist, weg-
lassen, und sich einen andern angewöhnen. Er
muß in der gemeinen Conversation nicht pathe-
ti
sch oder oratorisch reden, welchen Fehler man
bey einigen von den Herren Geistlichen gewahr
wird, die auf der Cantzel eine gute Schwadam ha-
ben, und in dem gemeinen Discours den Klang
ihrer Worte so einrichten, als ob sie auf dem Ca-

the-
T

Von der Converſation.
beruhet auf einigen allgemeinen Regeln und An-
merckungen der natuͤrlichen Beredſamkeit, und iſt
weit nuͤtzlicher, als die vielen oratoriſchen Figuren,
zu denen junge Leute angefuͤhrt werden. Es gehet
bißweilen eine lange Zeit hin, ehe eine Gelegenheit
vorfaͤllt, eine zierliche Rede nach der Kunſt zu hal-
ten, einen natuͤrlichen und ordentlichen Vortrag
hingegen braucht man alle Tage, theils in Reden,
theils in Schreiben, da man eine ſpeciem facti auf-
ſetzen, oder einen Bericht abſtatten muß.

§. 16. Ein vernuͤnfftiger Menſch muß in ſeinen
Reden auch auf den Thon der Sprache Achtung
geben, damit er auch hiebey den Wohlſtand beob-
achtet, und dem Spoͤtter nicht Gelegenheit gebe,
ungleich von ihm zu urtheilen. Er kan ſich zwar
keinen andern Klang der Ausſprache geben, als
ihm GOtt und die Natur durch die Geburth mit-
getheilet, er muß aber doch, ſo viel als moͤglich, an
ſich beſſern, daß er dasjenige, was hierbey vor un-
angenehm und unanſtaͤndig geachtet wird, ver-
meyden moͤge, dieſemnach muß er den Accent, der
ſein Vaterland vermuth, und etwan bloß dem Poͤbel
unter ſeinen Landes-Leuten eigenthuͤmlich iſt, weg-
laſſen, und ſich einen andern angewoͤhnen. Er
muß in der gemeinen Converſation nicht pathe-
ti
ſch oder oratoriſch reden, welchen Fehler man
bey einigen von den Herren Geiſtlichen gewahr
wird, die auf der Cantzel eine gute Schwadam ha-
ben, und in dem gemeinen Diſcours den Klang
ihrer Worte ſo einrichten, als ob ſie auf dem Ca-

the-
T
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0309" n="289"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der <hi rendition="#aq">Conver&#x017F;ation.</hi></hi></fw><lb/>
beruhet auf einigen allgemeinen Regeln und An-<lb/>
merckungen der natu&#x0364;rlichen Bered&#x017F;amkeit, und i&#x017F;t<lb/>
weit nu&#x0364;tzlicher, als die vielen <hi rendition="#aq">oratori</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Figur</hi>en,<lb/>
zu denen junge Leute angefu&#x0364;hrt werden. Es gehet<lb/>
bißweilen eine lange Zeit hin, ehe eine Gelegenheit<lb/>
vorfa&#x0364;llt, eine zierliche Rede nach der Kun&#x017F;t zu hal-<lb/>
ten, einen natu&#x0364;rlichen und ordentlichen Vortrag<lb/>
hingegen braucht man alle Tage, theils in Reden,<lb/>
theils in Schreiben, da man eine <hi rendition="#aq">&#x017F;peciem facti</hi> auf-<lb/>
&#x017F;etzen, oder einen Bericht ab&#x017F;tatten muß.</p><lb/>
        <p>§. 16. Ein vernu&#x0364;nfftiger Men&#x017F;ch muß in &#x017F;einen<lb/>
Reden auch auf den Thon der Sprache Achtung<lb/>
geben, damit er auch hiebey den Wohl&#x017F;tand beob-<lb/>
achtet, und dem Spo&#x0364;tter nicht Gelegenheit gebe,<lb/>
ungleich von ihm zu urtheilen. Er kan &#x017F;ich zwar<lb/>
keinen andern Klang der Aus&#x017F;prache geben, als<lb/>
ihm GOtt und die Natur durch die Geburth mit-<lb/>
getheilet, er muß aber doch, &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich, an<lb/>
&#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;ern, daß er dasjenige, was hierbey vor un-<lb/>
angenehm und unan&#x017F;ta&#x0364;ndig geachtet wird, ver-<lb/>
meyden mo&#x0364;ge, die&#x017F;emnach muß er den <hi rendition="#aq">Accent,</hi> der<lb/>
&#x017F;ein Vaterland vermuth, und etwan bloß dem Po&#x0364;bel<lb/>
unter &#x017F;einen Landes-Leuten eigenthu&#x0364;mlich i&#x017F;t, weg-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich einen andern angewo&#x0364;hnen. Er<lb/>
muß in der gemeinen <hi rendition="#aq">Conver&#x017F;ation</hi> nicht <hi rendition="#aq">pathe-<lb/>
ti</hi>&#x017F;ch oder <hi rendition="#aq">oratori</hi>&#x017F;ch reden, welchen Fehler man<lb/>
bey einigen von den Herren Gei&#x017F;tlichen gewahr<lb/>
wird, die auf der Cantzel eine gute <hi rendition="#aq">Schwadam</hi> ha-<lb/>
ben, und in dem gemeinen <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cours</hi> den Klang<lb/>
ihrer Worte &#x017F;o einrichten, als ob &#x017F;ie auf dem <hi rendition="#aq">Ca-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">the-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0309] Von der Converſation. beruhet auf einigen allgemeinen Regeln und An- merckungen der natuͤrlichen Beredſamkeit, und iſt weit nuͤtzlicher, als die vielen oratoriſchen Figuren, zu denen junge Leute angefuͤhrt werden. Es gehet bißweilen eine lange Zeit hin, ehe eine Gelegenheit vorfaͤllt, eine zierliche Rede nach der Kunſt zu hal- ten, einen natuͤrlichen und ordentlichen Vortrag hingegen braucht man alle Tage, theils in Reden, theils in Schreiben, da man eine ſpeciem facti auf- ſetzen, oder einen Bericht abſtatten muß. §. 16. Ein vernuͤnfftiger Menſch muß in ſeinen Reden auch auf den Thon der Sprache Achtung geben, damit er auch hiebey den Wohlſtand beob- achtet, und dem Spoͤtter nicht Gelegenheit gebe, ungleich von ihm zu urtheilen. Er kan ſich zwar keinen andern Klang der Ausſprache geben, als ihm GOtt und die Natur durch die Geburth mit- getheilet, er muß aber doch, ſo viel als moͤglich, an ſich beſſern, daß er dasjenige, was hierbey vor un- angenehm und unanſtaͤndig geachtet wird, ver- meyden moͤge, dieſemnach muß er den Accent, der ſein Vaterland vermuth, und etwan bloß dem Poͤbel unter ſeinen Landes-Leuten eigenthuͤmlich iſt, weg- laſſen, und ſich einen andern angewoͤhnen. Er muß in der gemeinen Converſation nicht pathe- tiſch oder oratoriſch reden, welchen Fehler man bey einigen von den Herren Geiſtlichen gewahr wird, die auf der Cantzel eine gute Schwadam ha- ben, und in dem gemeinen Diſcours den Klang ihrer Worte ſo einrichten, als ob ſie auf dem Ca- the- T

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/309
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/309>, abgerufen am 13.06.2024.