misch-Catholischen, nach Veranlassung ihrer Re- ligions-Sätze, das Ceremoniel gar öffters gantz anders reguliret, als unter den Evangelisch-Lutheri- schen. Viel Gebräuche sind auch, nach den Unter- schied der Höfe in Teutschland, von einander unter- schieden, denn der Wille des Landes-Herrn und der vornehmsten im Lande, die aber gar öffters von gar ungleichen Gemüthern, geben dem Ceremo- niel-Wesen sein gantzes Leben. Was an diesem Hofe vor einen Wohlstand gehalten wird, ist an jenem vor einen Ubelstand anzusehen. Es begehen daher manche Leute, die sich sonst in ihrer übrigen Aufführung gantz vernünfftig bezeigen, einen Feh- ler, und machen sich lächerlich, wenn so die Gebräu- che, die an diesem Hofe, oder bey gewissen Ministris eingeführt, ohn Unterscheid auf andre appliciren wollen.
§. 14. Unsere teutschen Gebräuche sondern sich nicht allein in viel Stücken von den Sitten der an- dern Europäischen Völcker ab, sondern sie sind auch nach dem Unterscheid der Provintzen in Teutschland einander ungleich und unähnlich. Also ist das privat-Ceremoniel-Wesen bey einigen Puncten anders in Ober-Sachßen, als in Nieder-Sachßen, und hinwiederum anders in Schlesien, als in Oe- sterreich. Ja was will ich von dem Unterscheid der Länder gedencken, sind doch die Gebräuche in einem eintzigen Lande nach dem Unterscheid der Oerter von einander unterschieden. Wenn man ein gantz Land ausreiset, und sich an jedem Orte nach spe-
ciel-
Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
miſch-Catholiſchen, nach Veranlaſſung ihrer Re- ligions-Saͤtze, das Ceremoniel gar oͤffters gantz anders reguliret, als unter den Evangeliſch-Lutheri- ſchen. Viel Gebraͤuche ſind auch, nach den Unter- ſchied der Hoͤfe in Teutſchland, von einander unter- ſchieden, denn der Wille des Landes-Herrn und der vornehmſten im Lande, die aber gar oͤffters von gar ungleichen Gemuͤthern, geben dem Ceremo- niel-Weſen ſein gantzes Leben. Was an dieſem Hofe vor einen Wohlſtand gehalten wird, iſt an jenem vor einen Ubelſtand anzuſehen. Es begehen daher manche Leute, die ſich ſonſt in ihrer uͤbrigen Auffuͤhrung gantz vernuͤnfftig bezeigen, einen Feh- ler, und machen ſich laͤcherlich, wenn ſo die Gebraͤu- che, die an dieſem Hofe, oder bey gewiſſen Miniſtris eingefuͤhrt, ohn Unterſcheid auf andre appliciren wollen.
§. 14. Unſere teutſchen Gebraͤuche ſondern ſich nicht allein in viel Stuͤcken von den Sitten der an- dern Europaͤiſchen Voͤlcker ab, ſondern ſie ſind auch nach dem Unterſcheid der Provintzen in Teutſchland einander ungleich und unaͤhnlich. Alſo iſt das privat-Ceremoniel-Weſen bey einigen Puncten anders in Ober-Sachßen, als in Nieder-Sachßen, und hinwiederum anders in Schleſien, als in Oe- ſterreich. Ja was will ich von dem Unterſcheid der Laͤnder gedencken, ſind doch die Gebraͤuche in einem eintzigen Lande nach dem Unterſcheid der Oerter von einander unterſchieden. Wenn man ein gantz Land ausreiſet, und ſich an jedem Orte nach ſpe-
ciel-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="11"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der <hirendition="#aq">Ceremoniel-</hi>Wiſſenſch. uͤberh.</hi></fw><lb/>
miſch-Catholiſchen, nach Veranlaſſung ihrer Re-<lb/>
ligions-Saͤtze, das <hirendition="#aq">Ceremoniel</hi> gar oͤffters gantz<lb/>
anders <hirendition="#aq">reguli</hi>ret, als unter den Evangeliſch-Lutheri-<lb/>ſchen. Viel Gebraͤuche ſind auch, nach den Unter-<lb/>ſchied der Hoͤfe in Teutſchland, von einander unter-<lb/>ſchieden, denn der Wille des Landes-Herrn und<lb/>
der vornehmſten im Lande, die aber gar oͤffters von<lb/>
gar ungleichen Gemuͤthern, geben dem <hirendition="#aq">Ceremo-<lb/>
niel-</hi>Weſen ſein gantzes Leben. Was an dieſem<lb/>
Hofe vor einen Wohlſtand gehalten wird, iſt an<lb/>
jenem vor einen Ubelſtand anzuſehen. Es begehen<lb/>
daher manche Leute, die ſich ſonſt in ihrer uͤbrigen<lb/>
Auffuͤhrung gantz vernuͤnfftig bezeigen, einen Feh-<lb/>
ler, und machen ſich laͤcherlich, wenn ſo die Gebraͤu-<lb/>
che, die an dieſem Hofe, oder bey gewiſſen <hirendition="#aq">Miniſtris</hi><lb/>
eingefuͤhrt, ohn Unterſcheid auf andre <hirendition="#aq">applici</hi>ren<lb/>
wollen.</p><lb/><p>§. 14. Unſere teutſchen Gebraͤuche ſondern ſich<lb/>
nicht allein in viel Stuͤcken von den Sitten der an-<lb/>
dern Europaͤiſchen Voͤlcker ab, ſondern ſie ſind auch<lb/>
nach dem Unterſcheid der Provintzen in Teutſchland<lb/>
einander ungleich und unaͤhnlich. Alſo iſt das<lb/><hirendition="#aq">privat-Ceremoniel-</hi>Weſen bey einigen Puncten<lb/>
anders in Ober-Sachßen, als in Nieder-Sachßen,<lb/>
und hinwiederum anders in Schleſien, als in Oe-<lb/>ſterreich. Ja was will ich von dem Unterſcheid der<lb/>
Laͤnder gedencken, ſind doch die Gebraͤuche in einem<lb/>
eintzigen Lande nach dem Unterſcheid der Oerter von<lb/>
einander unterſchieden. Wenn man ein gantz<lb/>
Land ausreiſet, und ſich an jedem Orte nach <hirendition="#aq">ſpe-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">ciel-</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0031]
Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
miſch-Catholiſchen, nach Veranlaſſung ihrer Re-
ligions-Saͤtze, das Ceremoniel gar oͤffters gantz
anders reguliret, als unter den Evangeliſch-Lutheri-
ſchen. Viel Gebraͤuche ſind auch, nach den Unter-
ſchied der Hoͤfe in Teutſchland, von einander unter-
ſchieden, denn der Wille des Landes-Herrn und
der vornehmſten im Lande, die aber gar oͤffters von
gar ungleichen Gemuͤthern, geben dem Ceremo-
niel-Weſen ſein gantzes Leben. Was an dieſem
Hofe vor einen Wohlſtand gehalten wird, iſt an
jenem vor einen Ubelſtand anzuſehen. Es begehen
daher manche Leute, die ſich ſonſt in ihrer uͤbrigen
Auffuͤhrung gantz vernuͤnfftig bezeigen, einen Feh-
ler, und machen ſich laͤcherlich, wenn ſo die Gebraͤu-
che, die an dieſem Hofe, oder bey gewiſſen Miniſtris
eingefuͤhrt, ohn Unterſcheid auf andre appliciren
wollen.
§. 14. Unſere teutſchen Gebraͤuche ſondern ſich
nicht allein in viel Stuͤcken von den Sitten der an-
dern Europaͤiſchen Voͤlcker ab, ſondern ſie ſind auch
nach dem Unterſcheid der Provintzen in Teutſchland
einander ungleich und unaͤhnlich. Alſo iſt das
privat-Ceremoniel-Weſen bey einigen Puncten
anders in Ober-Sachßen, als in Nieder-Sachßen,
und hinwiederum anders in Schleſien, als in Oe-
ſterreich. Ja was will ich von dem Unterſcheid der
Laͤnder gedencken, ſind doch die Gebraͤuche in einem
eintzigen Lande nach dem Unterſcheid der Oerter von
einander unterſchieden. Wenn man ein gantz
Land ausreiſet, und ſich an jedem Orte nach ſpe-
ciel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/31>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.