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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Conversation.
wenn dergleichen in Gegenwart höherer Personen
geschicht, oder wenn sie sagen: Nun geben sie recht
Achtung, jetzt kommt es noch viel lustiger, sie ge-
ben den Schein von sich, als ob sie wie ein Zahn-
Artzt ihre Zuhörer zu einer besondern Aufmercksam-
keit hiedurch aufmuntern wolten.

§. 19. Das Aufschneiden ist von vernünfftigen
Leuten jederzeit als etwas lasterhafftes verabscheuet
worden, und wird mit gutem Fug als eine Schwä-
che des Verstandes angesehen. Sarnicius erzeh-
let von der Republica Babinensi, oder Narren-
Gesellschafft, daß sie von etlichen Polnischen
Magnaten angelegt worden, und aus lauter Raille-
ri
en bestanden, hätte einer aus der Gesellschafft
von der Jägerey allzuviel aufgeschnitten, so hätten
sie ihn zum Ober-Jägermeister ihrer Zunfft ge-
macht, einen andern aber, der von seinen Helden-
Thaten viel hergeplaudert, zum Feld-Herrn ihrer
Compagnie erwehlt, durch diese Narren-Benen-
nungen hätte man es endlich dahin gebracht, daß
die gewaltigen Aufschneider unter diesen Landes-
Leuten abgekommen.

§. 20. Ein vernünfftiger Mensch vermeidet in
seinen Reden so wohl das Prahlen, als auch das
unnöthige Klagen, und erzehlet nicht leichtlich et-
was, das zu seiner oder der Seinigen Verachtung
gereicht, und wodurch er sich bey der Gesellschafft
geringer macht; er weiß wohl, daß er bey den we-
nigsten Mitleiden findet, und mehrere sich über sei-
nem Unfall kützeln und erfreuen, als betrüben; er

kla-
T 2

Von der Converſation.
wenn dergleichen in Gegenwart hoͤherer Perſonen
geſchicht, oder wenn ſie ſagen: Nun geben ſie recht
Achtung, jetzt kommt es noch viel luſtiger, ſie ge-
ben den Schein von ſich, als ob ſie wie ein Zahn-
Artzt ihre Zuhoͤrer zu einer beſondern Aufmerckſam-
keit hiedurch aufmuntern wolten.

§. 19. Das Aufſchneiden iſt von vernuͤnfftigen
Leuten jederzeit als etwas laſterhafftes verabſcheuet
worden, und wird mit gutem Fug als eine Schwaͤ-
che des Verſtandes angeſehen. Sarnicius erzeh-
let von der Republica Babinenſi, oder Narren-
Geſellſchafft, daß ſie von etlichen Polniſchen
Magnaten angelegt worden, und aus lauter Raille-
ri
en beſtanden, haͤtte einer aus der Geſellſchafft
von der Jaͤgerey allzuviel aufgeſchnitten, ſo haͤtten
ſie ihn zum Ober-Jaͤgermeiſter ihrer Zunfft ge-
macht, einen andern aber, der von ſeinen Helden-
Thaten viel hergeplaudert, zum Feld-Herrn ihrer
Compagnie erwehlt, durch dieſe Narren-Benen-
nungen haͤtte man es endlich dahin gebracht, daß
die gewaltigen Aufſchneider unter dieſen Landes-
Leuten abgekommen.

§. 20. Ein vernuͤnfftiger Menſch vermeidet in
ſeinen Reden ſo wohl das Prahlen, als auch das
unnoͤthige Klagen, und erzehlet nicht leichtlich et-
was, das zu ſeiner oder der Seinigen Verachtung
gereicht, und wodurch er ſich bey der Geſellſchafft
geringer macht; er weiß wohl, daß er bey den we-
nigſten Mitleiden findet, und mehrere ſich uͤber ſei-
nem Unfall kuͤtzeln und erfreuen, als betruͤben; er

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[291/0311] Von der Converſation. wenn dergleichen in Gegenwart hoͤherer Perſonen geſchicht, oder wenn ſie ſagen: Nun geben ſie recht Achtung, jetzt kommt es noch viel luſtiger, ſie ge- ben den Schein von ſich, als ob ſie wie ein Zahn- Artzt ihre Zuhoͤrer zu einer beſondern Aufmerckſam- keit hiedurch aufmuntern wolten. §. 19. Das Aufſchneiden iſt von vernuͤnfftigen Leuten jederzeit als etwas laſterhafftes verabſcheuet worden, und wird mit gutem Fug als eine Schwaͤ- che des Verſtandes angeſehen. Sarnicius erzeh- let von der Republica Babinenſi, oder Narren- Geſellſchafft, daß ſie von etlichen Polniſchen Magnaten angelegt worden, und aus lauter Raille- rien beſtanden, haͤtte einer aus der Geſellſchafft von der Jaͤgerey allzuviel aufgeſchnitten, ſo haͤtten ſie ihn zum Ober-Jaͤgermeiſter ihrer Zunfft ge- macht, einen andern aber, der von ſeinen Helden- Thaten viel hergeplaudert, zum Feld-Herrn ihrer Compagnie erwehlt, durch dieſe Narren-Benen- nungen haͤtte man es endlich dahin gebracht, daß die gewaltigen Aufſchneider unter dieſen Landes- Leuten abgekommen. §. 20. Ein vernuͤnfftiger Menſch vermeidet in ſeinen Reden ſo wohl das Prahlen, als auch das unnoͤthige Klagen, und erzehlet nicht leichtlich et- was, das zu ſeiner oder der Seinigen Verachtung gereicht, und wodurch er ſich bey der Geſellſchafft geringer macht; er weiß wohl, daß er bey den we- nigſten Mitleiden findet, und mehrere ſich uͤber ſei- nem Unfall kuͤtzeln und erfreuen, als betruͤben; er kla- T 2

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/311>, abgerufen am 21.11.2024.