er hält davor, daß er kein Recht, keine Vollmacht, ja nicht Verstand und Erfahrung gnug habe, von solchem ein geschickteres Raisonement zu fällen. Jhre Rathschlüsse geschehen in geheimen Cabine- tern, darein kein niedriges Auge zu sehen Erlaubniß hat. Fürsten haben lange Arme, welche die Tad- ler züchtigen, stürtzen und tödten können. S. Neu- kirchs Anweisung zur Conduite, p. 62.
§. 23. Mit der Religion schertzet er niemahls, damit er nicht den Schein von sich gebe, als ob er gar wenig Ehrerbietung vor sie hege. Die Reli- gion ist ja das Aller-Ehrerbietungs-würdigste und Venerableste von der Welt. Heist nun dieses die- selbe respectiren, wenn man kluge Kurtzweile damit treibet, die eine Verachtung vor solche erwecken können? Giebt es denn in der Welt sonst keine Sachen, die eine Raillerie verdienen, wenn man durchaus schertzen will? Und muß man solche Sa- chen angreiffen, deren Hoheit uns unsere Nichts- würdigkeit erkennen lernen, deren Autorität nichts als Gehorsam von uns fordert, und deren heiliges Wesen und Reinigkeit uns selbst zitternd machen, wenn wir uns nur Gedancken aufsteigen lassen, sie mit verwegenen Stichel-Reden, Correctionen und Critiquen anzugreiffen? Gewiß, die frechen Redner würden vielmahls davon schweigen, wenn sie von der allerheiligsten Wahrheit derselben versi- chert wären. S. Menantes kluge Behutsamkeit im Reden. p. 49.
§. 24.
T 3
Von der Converſation.
er haͤlt davor, daß er kein Recht, keine Vollmacht, ja nicht Verſtand und Erfahrung gnug habe, von ſolchem ein geſchickteres Raiſonement zu faͤllen. Jhre Rathſchluͤſſe geſchehen in geheimen Cabine- tern, darein kein niedriges Auge zu ſehen Erlaubniß hat. Fuͤrſten haben lange Arme, welche die Tad- ler zuͤchtigen, ſtuͤrtzen und toͤdten koͤnnen. S. Neu- kirchs Anweiſung zur Conduite, p. 62.
§. 23. Mit der Religion ſchertzet er niemahls, damit er nicht den Schein von ſich gebe, als ob er gar wenig Ehrerbietung vor ſie hege. Die Reli- gion iſt ja das Aller-Ehrerbietungs-wuͤrdigſte und Venerableſte von der Welt. Heiſt nun dieſes die- ſelbe reſpectiren, wenn man kluge Kurtzweile damit treibet, die eine Verachtung vor ſolche erwecken koͤnnen? Giebt es denn in der Welt ſonſt keine Sachen, die eine Raillerie verdienen, wenn man durchaus ſchertzen will? Und muß man ſolche Sa- chen angreiffen, deren Hoheit uns unſere Nichts- wuͤrdigkeit erkennen lernen, deren Autoritaͤt nichts als Gehorſam von uns fordert, und deren heiliges Weſen und Reinigkeit uns ſelbſt zitternd machen, wenn wir uns nur Gedancken aufſteigen laſſen, ſie mit verwegenen Stichel-Reden, Correctionen und Critiquen anzugreiffen? Gewiß, die frechen Redner wuͤrden vielmahls davon ſchweigen, wenn ſie von der allerheiligſten Wahrheit derſelben verſi- chert waͤren. S. Menantes kluge Behutſamkeit im Reden. p. 49.
§. 24.
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Von der Converſation.
er haͤlt davor, daß er kein Recht, keine Vollmacht,
ja nicht Verſtand und Erfahrung gnug habe, von
ſolchem ein geſchickteres Raiſonement zu faͤllen.
Jhre Rathſchluͤſſe geſchehen in geheimen Cabine-
tern, darein kein niedriges Auge zu ſehen Erlaubniß
hat. Fuͤrſten haben lange Arme, welche die Tad-
ler zuͤchtigen, ſtuͤrtzen und toͤdten koͤnnen. S. Neu-
kirchs Anweiſung zur Conduite, p. 62.
§. 23. Mit der Religion ſchertzet er niemahls,
damit er nicht den Schein von ſich gebe, als ob er
gar wenig Ehrerbietung vor ſie hege. Die Reli-
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Venerableſte von der Welt. Heiſt nun dieſes die-
ſelbe reſpectiren, wenn man kluge Kurtzweile damit
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koͤnnen? Giebt es denn in der Welt ſonſt keine
Sachen, die eine Raillerie verdienen, wenn man
durchaus ſchertzen will? Und muß man ſolche Sa-
chen angreiffen, deren Hoheit uns unſere Nichts-
wuͤrdigkeit erkennen lernen, deren Autoritaͤt nichts
als Gehorſam von uns fordert, und deren heiliges
Weſen und Reinigkeit uns ſelbſt zitternd machen,
wenn wir uns nur Gedancken aufſteigen laſſen, ſie
mit verwegenen Stichel-Reden, Correctionen
und Critiquen anzugreiffen? Gewiß, die frechen
Redner wuͤrden vielmahls davon ſchweigen, wenn
ſie von der allerheiligſten Wahrheit derſelben verſi-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/313>, abgerufen am 24.11.2024.
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