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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. II. Capitul.
und ist dergleichen übereiltes Versehen etwan vor-
gegangen, so muß man sich also erklären, daß der an-
dere damit zufrieden seyn, und sich nicht vernünffti-
ger weise über uns beschweren kan. Wo man aber
merckt, daß der andere in seinen Worten auf uns
zielen möchte, so muß man sich dieses nicht alsofort
annehmen, sondern anstellen, als ob mans nicht
hörte und nicht verstünde, es müßte denn unsere Eh-
re auf eine so empfindliche Weise dadurch verletzt
werden, daß unsere Glückseligkeit sehr beeinträchti-
get würde.

§. 27. Es ist in der That sehr lächerlich, wenn
einige junge Leute, die das Lehr-Geld noch schuldig
sind, bey der ersten Anrede und Bekandtschafft ge-
gen dem andern eine so große Vertraulichkeit be-
zeigen, daß sie ihm aus Confidence oder sub rosa,
wie sie sagen, solche Sachen in ihren Discoursen
anvertrauen, die entweder würcklich vor etwas Ge-
heimes zu achten, oder die sie doch nach ihrer Be-
urtheilung davor ansehen. Sie bezeugen hie-
durch, daß es ihnen an der Erfahrung fehle, und
an der Gabe die Leute zu prüfen, ob sie auch nach
der Bekandtschafft, die man mit ihnen gemacht,
und den andern Umständen nach, wohl würdig sind,
daß sie ihnen dieses oder jenes entdecken.

§. 28. Ein weiser und kluger Mann wird sich
hüten, daß er das Gespräch nicht auf eine abson-
derliche Wissenschafft lenckt, durch welche er einen
größern Ruhm als andere erworben. Es ist nicht
allein dem Wohlstand gemäß, wenn man dieser

Grund-

II. Theil. II. Capitul.
und iſt dergleichen uͤbereiltes Verſehen etwan vor-
gegangen, ſo muß man ſich alſo erklaͤren, daß der an-
dere damit zufrieden ſeyn, und ſich nicht vernuͤnffti-
ger weiſe uͤber uns beſchweren kan. Wo man aber
merckt, daß der andere in ſeinen Worten auf uns
zielen moͤchte, ſo muß man ſich dieſes nicht alſofort
annehmen, ſondern anſtellen, als ob mans nicht
hoͤrte und nicht verſtuͤnde, es muͤßte denn unſere Eh-
re auf eine ſo empfindliche Weiſe dadurch verletzt
werden, daß unſere Gluͤckſeligkeit ſehr beeintraͤchti-
get wuͤrde.

§. 27. Es iſt in der That ſehr laͤcherlich, wenn
einige junge Leute, die das Lehr-Geld noch ſchuldig
ſind, bey der erſten Anrede und Bekandtſchafft ge-
gen dem andern eine ſo große Vertraulichkeit be-
zeigen, daß ſie ihm aus Confidence oder ſub roſa,
wie ſie ſagen, ſolche Sachen in ihren Diſcourſen
anvertrauen, die entweder wuͤrcklich vor etwas Ge-
heimes zu achten, oder die ſie doch nach ihrer Be-
urtheilung davor anſehen. Sie bezeugen hie-
durch, daß es ihnen an der Erfahrung fehle, und
an der Gabe die Leute zu pruͤfen, ob ſie auch nach
der Bekandtſchafft, die man mit ihnen gemacht,
und den andern Umſtaͤnden nach, wohl wuͤrdig ſind,
daß ſie ihnen dieſes oder jenes entdecken.

§. 28. Ein weiſer und kluger Mann wird ſich
huͤten, daß er das Geſpraͤch nicht auf eine abſon-
derliche Wiſſenſchafft lenckt, durch welche er einen
groͤßern Ruhm als andere erworben. Es iſt nicht
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Grund-
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[296/0316] II. Theil. II. Capitul. und iſt dergleichen uͤbereiltes Verſehen etwan vor- gegangen, ſo muß man ſich alſo erklaͤren, daß der an- dere damit zufrieden ſeyn, und ſich nicht vernuͤnffti- ger weiſe uͤber uns beſchweren kan. Wo man aber merckt, daß der andere in ſeinen Worten auf uns zielen moͤchte, ſo muß man ſich dieſes nicht alſofort annehmen, ſondern anſtellen, als ob mans nicht hoͤrte und nicht verſtuͤnde, es muͤßte denn unſere Eh- re auf eine ſo empfindliche Weiſe dadurch verletzt werden, daß unſere Gluͤckſeligkeit ſehr beeintraͤchti- get wuͤrde. §. 27. Es iſt in der That ſehr laͤcherlich, wenn einige junge Leute, die das Lehr-Geld noch ſchuldig ſind, bey der erſten Anrede und Bekandtſchafft ge- gen dem andern eine ſo große Vertraulichkeit be- zeigen, daß ſie ihm aus Confidence oder ſub roſa, wie ſie ſagen, ſolche Sachen in ihren Diſcourſen anvertrauen, die entweder wuͤrcklich vor etwas Ge- heimes zu achten, oder die ſie doch nach ihrer Be- urtheilung davor anſehen. Sie bezeugen hie- durch, daß es ihnen an der Erfahrung fehle, und an der Gabe die Leute zu pruͤfen, ob ſie auch nach der Bekandtſchafft, die man mit ihnen gemacht, und den andern Umſtaͤnden nach, wohl wuͤrdig ſind, daß ſie ihnen dieſes oder jenes entdecken. §. 28. Ein weiſer und kluger Mann wird ſich huͤten, daß er das Geſpraͤch nicht auf eine abſon- derliche Wiſſenſchafft lenckt, durch welche er einen groͤßern Ruhm als andere erworben. Es iſt nicht allein dem Wohlſtand gemaͤß, wenn man dieſer Grund-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/316>, abgerufen am 21.11.2024.