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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Conversation.
gar zu sehr schmeichelt, und dadurch den Schein
von sich giebt, als ob uns selbst mit der grösten
Schmeicheley viel gedient wäre. Faramond sagt
in den Betrachtungen über die Sitten der gegen-
wärtigen Zeit p. 39. Eine gewisse Dame, welche
eine neue Liebes-Geschicht verfertiget hat, bittet ei-
nen jungen Herrn um Erlaubniß, ihn ihre Anbe-
tung kniend zu erweisen; Man hat Ursache über
diese Redens-Art zu erstaunen, iedoch die Erstau-
nung muß aufhören, so bald man bedencket, daß
diese Demuths-volle Stellung des Leibes, wann sie
eine Manns-Person ausübet, dem weiblichen Ge-
schlecht sehr angenehm ist, und dessen Eitelkeit über-
aus vergnüglich vorschmeichelt. Was ist es denn
Wunder, daß sich diese Dame eingebildet hat, es
sey dem jungen Herrn, in Ansehung ihrer, eben auch
also zu Muthe. Die grösten Schmeichler sind
diejenigen, welche am liebsten hören daß man ih-
nen schmeichelt, eben also, wie keine Leute sich über
die Verleumdungen so sehr erzürnen, als diejenigen,
welche am meisten geneigt sind von ihrem Nächsten
übel zu reden.

§. 31. Man muß bey dem Lobe nicht allezeit auf
diejenigen sehen, denen zu Gefallen man das Lob
ausschüttet, sondern auch zugleich mit auf andere.
Eine große Verwunderung und ein unmäßig Lob
wird nicht selten vor ein klares Kennzeichen der
Einfalt und Unwissenheit angesehen. Wer in der
Welt nicht gar viel gesehen, ist auch vermögend
aus Kleinigkeiten, die ein Redner vor nichts beson-

ders

Von der Converſation.
gar zu ſehr ſchmeichelt, und dadurch den Schein
von ſich giebt, als ob uns ſelbſt mit der groͤſten
Schmeicheley viel gedient waͤre. Faramond ſagt
in den Betrachtungen uͤber die Sitten der gegen-
waͤrtigen Zeit p. 39. Eine gewiſſe Dame, welche
eine neue Liebes-Geſchicht verfertiget hat, bittet ei-
nen jungen Herrn um Erlaubniß, ihn ihre Anbe-
tung kniend zu erweiſen; Man hat Urſache uͤber
dieſe Redens-Art zu erſtaunen, iedoch die Erſtau-
nung muß aufhoͤren, ſo bald man bedencket, daß
dieſe Demuths-volle Stellung des Leibes, wann ſie
eine Manns-Perſon ausuͤbet, dem weiblichen Ge-
ſchlecht ſehr angenehm iſt, und deſſen Eitelkeit uͤber-
aus vergnuͤglich vorſchmeichelt. Was iſt es denn
Wunder, daß ſich dieſe Dame eingebildet hat, es
ſey dem jungen Herrn, in Anſehung ihrer, eben auch
alſo zu Muthe. Die groͤſten Schmeichler ſind
diejenigen, welche am liebſten hoͤren daß man ih-
nen ſchmeichelt, eben alſo, wie keine Leute ſich uͤber
die Verleumdungen ſo ſehr erzuͤrnen, als diejenigen,
welche am meiſten geneigt ſind von ihrem Naͤchſten
uͤbel zu reden.

§. 31. Man muß bey dem Lobe nicht allezeit auf
diejenigen ſehen, denen zu Gefallen man das Lob
ausſchuͤttet, ſondern auch zugleich mit auf andere.
Eine große Verwunderung und ein unmaͤßig Lob
wird nicht ſelten vor ein klares Kennzeichen der
Einfalt und Unwiſſenheit angeſehen. Wer in der
Welt nicht gar viel geſehen, iſt auch vermoͤgend
aus Kleinigkeiten, die ein Redner vor nichts beſon-

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[299/0319] Von der Converſation. gar zu ſehr ſchmeichelt, und dadurch den Schein von ſich giebt, als ob uns ſelbſt mit der groͤſten Schmeicheley viel gedient waͤre. Faramond ſagt in den Betrachtungen uͤber die Sitten der gegen- waͤrtigen Zeit p. 39. Eine gewiſſe Dame, welche eine neue Liebes-Geſchicht verfertiget hat, bittet ei- nen jungen Herrn um Erlaubniß, ihn ihre Anbe- tung kniend zu erweiſen; Man hat Urſache uͤber dieſe Redens-Art zu erſtaunen, iedoch die Erſtau- nung muß aufhoͤren, ſo bald man bedencket, daß dieſe Demuths-volle Stellung des Leibes, wann ſie eine Manns-Perſon ausuͤbet, dem weiblichen Ge- ſchlecht ſehr angenehm iſt, und deſſen Eitelkeit uͤber- aus vergnuͤglich vorſchmeichelt. Was iſt es denn Wunder, daß ſich dieſe Dame eingebildet hat, es ſey dem jungen Herrn, in Anſehung ihrer, eben auch alſo zu Muthe. Die groͤſten Schmeichler ſind diejenigen, welche am liebſten hoͤren daß man ih- nen ſchmeichelt, eben alſo, wie keine Leute ſich uͤber die Verleumdungen ſo ſehr erzuͤrnen, als diejenigen, welche am meiſten geneigt ſind von ihrem Naͤchſten uͤbel zu reden. §. 31. Man muß bey dem Lobe nicht allezeit auf diejenigen ſehen, denen zu Gefallen man das Lob ausſchuͤttet, ſondern auch zugleich mit auf andere. Eine große Verwunderung und ein unmaͤßig Lob wird nicht ſelten vor ein klares Kennzeichen der Einfalt und Unwiſſenheit angeſehen. Wer in der Welt nicht gar viel geſehen, iſt auch vermoͤgend aus Kleinigkeiten, die ein Redner vor nichts beſon- ders

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/319>, abgerufen am 21.11.2024.