Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. III. Capitul.
ihnen die Zuhörer heimlichen Beyfall, und machen
sich hierdurch lächerlich und verächtlich, wenn sie
von sich selbst ein so wahres Urtheil fällen. Es er-
gehet ihnen hierbey, wie einigen Priestern, die so
schlecht geprediget, als ihnen möglich gewesen, und
bey dem Schluß der Predigt gedencken, daß sie
den Text in aller möglichen Kürtze und Einfalt ab-
gehandelt. Meines Erachtens thäten sie besser,
wenn sie sagten, sie hätten den Text nach dem Ver-
mögen, so ihnen GOtt dargereicht, abgehandelt.
Tragen aber die Redner ihre Sachen mit Geschick-
lichkeit vor, und sie erwehnen so gar öffters ihre Un-
geschicklichkeit, so nehmen es viele von den Zuhörern
davor an, als ob sie hiedurch ihre Begierde zum
Lobe anzeigten. Ob zwar ein Redner so wenig
als ein anderer Mensch den unzeitigen Urtheilen der
andern entgehen kan, er mag auch reden was er will,
und sich aufführen wie er will, so muß er doch auch
hierinnen thun was ihm möglich, und das Split-
ter-richten nach Möglichkeit zu vermeiden suchen.

§. 11. Ein teutscher Redner muß sich bey den
Hof- und Staats-Reden in seiner Mutter-Spra-
che erklären, so gut er kan, und die fremden Wörter
aus den ausländischen Sprachen, insonderheit aus
der Lateinischen und Frantzösischen weglassen, wenn
er sie in dem Teutschen eben so gut ausdrücken kan;
jedoch muß er auch hierinnen keinen besondern Ei-
gensinn bezeigen, daß er denen, die alle fremden
Wörter ausmustern wollen, nachahmen solte.
Worinnen er andere vornehme und Welt-kluge

Redner

II. Theil. III. Capitul.
ihnen die Zuhoͤrer heimlichen Beyfall, und machen
ſich hierdurch laͤcherlich und veraͤchtlich, wenn ſie
von ſich ſelbſt ein ſo wahres Urtheil faͤllen. Es er-
gehet ihnen hierbey, wie einigen Prieſtern, die ſo
ſchlecht geprediget, als ihnen moͤglich geweſen, und
bey dem Schluß der Predigt gedencken, daß ſie
den Text in aller moͤglichen Kuͤrtze und Einfalt ab-
gehandelt. Meines Erachtens thaͤten ſie beſſer,
wenn ſie ſagten, ſie haͤtten den Text nach dem Ver-
moͤgen, ſo ihnen GOtt dargereicht, abgehandelt.
Tragen aber die Redner ihre Sachen mit Geſchick-
lichkeit vor, und ſie erwehnen ſo gar oͤffters ihre Un-
geſchicklichkeit, ſo nehmen es viele von den Zuhoͤrern
davor an, als ob ſie hiedurch ihre Begierde zum
Lobe anzeigten. Ob zwar ein Redner ſo wenig
als ein anderer Menſch den unzeitigen Urtheilen der
andern entgehen kan, er mag auch reden was er will,
und ſich auffuͤhren wie er will, ſo muß er doch auch
hierinnen thun was ihm moͤglich, und das Split-
ter-richten nach Moͤglichkeit zu vermeiden ſuchen.

§. 11. Ein teutſcher Redner muß ſich bey den
Hof- und Staats-Reden in ſeiner Mutter-Spra-
che erklaͤren, ſo gut er kan, und die fremden Woͤrter
aus den auslaͤndiſchen Sprachen, inſonderheit aus
der Lateiniſchen und Frantzoͤſiſchen weglaſſen, wenn
er ſie in dem Teutſchen eben ſo gut ausdruͤcken kan;
jedoch muß er auch hierinnen keinen beſondern Ei-
genſinn bezeigen, daß er denen, die alle fremden
Woͤrter ausmuſtern wollen, nachahmen ſolte.
Worinnen er andere vornehme und Welt-kluge

Redner
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0330" n="310"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">III.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
ihnen die Zuho&#x0364;rer heimlichen Beyfall, und machen<lb/>
&#x017F;ich hierdurch la&#x0364;cherlich und vera&#x0364;chtlich, wenn &#x017F;ie<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ein &#x017F;o wahres Urtheil fa&#x0364;llen. Es er-<lb/>
gehet ihnen hierbey, wie einigen Prie&#x017F;tern, die &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlecht geprediget, als ihnen mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en, und<lb/>
bey dem Schluß der Predigt gedencken, daß &#x017F;ie<lb/>
den Text in aller mo&#x0364;glichen Ku&#x0364;rtze und Einfalt ab-<lb/>
gehandelt. Meines Erachtens tha&#x0364;ten &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;agten, &#x017F;ie ha&#x0364;tten den Text nach dem Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen, &#x017F;o ihnen GOtt dargereicht, abgehandelt.<lb/>
Tragen aber die Redner ihre Sachen mit Ge&#x017F;chick-<lb/>
lichkeit vor, und &#x017F;ie erwehnen &#x017F;o gar o&#x0364;ffters ihre Un-<lb/>
ge&#x017F;chicklichkeit, &#x017F;o nehmen es viele von den Zuho&#x0364;rern<lb/>
davor an, als ob &#x017F;ie hiedurch ihre Begierde zum<lb/>
Lobe anzeigten. Ob zwar ein Redner &#x017F;o wenig<lb/>
als ein anderer Men&#x017F;ch den unzeitigen Urtheilen der<lb/>
andern entgehen kan, er mag auch reden was er will,<lb/>
und &#x017F;ich auffu&#x0364;hren wie er will, &#x017F;o muß er doch auch<lb/>
hierinnen thun was ihm mo&#x0364;glich, und das Split-<lb/>
ter-richten nach Mo&#x0364;glichkeit zu vermeiden &#x017F;uchen.</p><lb/>
        <p>§. 11. Ein teut&#x017F;cher Redner muß &#x017F;ich bey den<lb/>
Hof- und Staats-Reden in &#x017F;einer Mutter-Spra-<lb/>
che erkla&#x0364;ren, &#x017F;o gut er kan, und die fremden Wo&#x0364;rter<lb/>
aus den ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen Sprachen, in&#x017F;onderheit aus<lb/>
der Lateini&#x017F;chen und Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen wegla&#x017F;&#x017F;en, wenn<lb/>
er &#x017F;ie in dem Teut&#x017F;chen eben &#x017F;o gut ausdru&#x0364;cken kan;<lb/>
jedoch muß er auch hierinnen keinen be&#x017F;ondern Ei-<lb/>
gen&#x017F;inn bezeigen, daß er denen, die alle fremden<lb/>
Wo&#x0364;rter ausmu&#x017F;tern wollen, nachahmen &#x017F;olte.<lb/>
Worinnen er andere vornehme und Welt-kluge<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Redner</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0330] II. Theil. III. Capitul. ihnen die Zuhoͤrer heimlichen Beyfall, und machen ſich hierdurch laͤcherlich und veraͤchtlich, wenn ſie von ſich ſelbſt ein ſo wahres Urtheil faͤllen. Es er- gehet ihnen hierbey, wie einigen Prieſtern, die ſo ſchlecht geprediget, als ihnen moͤglich geweſen, und bey dem Schluß der Predigt gedencken, daß ſie den Text in aller moͤglichen Kuͤrtze und Einfalt ab- gehandelt. Meines Erachtens thaͤten ſie beſſer, wenn ſie ſagten, ſie haͤtten den Text nach dem Ver- moͤgen, ſo ihnen GOtt dargereicht, abgehandelt. Tragen aber die Redner ihre Sachen mit Geſchick- lichkeit vor, und ſie erwehnen ſo gar oͤffters ihre Un- geſchicklichkeit, ſo nehmen es viele von den Zuhoͤrern davor an, als ob ſie hiedurch ihre Begierde zum Lobe anzeigten. Ob zwar ein Redner ſo wenig als ein anderer Menſch den unzeitigen Urtheilen der andern entgehen kan, er mag auch reden was er will, und ſich auffuͤhren wie er will, ſo muß er doch auch hierinnen thun was ihm moͤglich, und das Split- ter-richten nach Moͤglichkeit zu vermeiden ſuchen. §. 11. Ein teutſcher Redner muß ſich bey den Hof- und Staats-Reden in ſeiner Mutter-Spra- che erklaͤren, ſo gut er kan, und die fremden Woͤrter aus den auslaͤndiſchen Sprachen, inſonderheit aus der Lateiniſchen und Frantzoͤſiſchen weglaſſen, wenn er ſie in dem Teutſchen eben ſo gut ausdruͤcken kan; jedoch muß er auch hierinnen keinen beſondern Ei- genſinn bezeigen, daß er denen, die alle fremden Woͤrter ausmuſtern wollen, nachahmen ſolte. Worinnen er andere vornehme und Welt-kluge Redner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/330
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/330>, abgerufen am 13.06.2024.