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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Ablegung öffentlicher Reden.
eigenen Nachsinnen zurück gehalten, und erlangen
also niemahls eine Geschicklichkeit, etwas aus ihrem
eigenen Gehirne zu erfinden, lernen auch ihre Kräff-
te nicht abmessen noch erkennen, sondern erweisen
auch bey den meisten von ihren Zuhörern, daß sie
mit fremden Federn prangen wollen. Eine Rede,
die aus anderer Leute Schrifften zusammen gesetzt,
gleichet einem Bettlers-Küttel, der aus mancherley
Lappen und Flecken bestehet. Wer ein wenig Er-
käntniß und Nachsinnen besitzt, kan aus der unglei-
chen Schreib-Art, aus dem Unterschied der schlech-
ten und wichtigen Gründe, der niedrigen und hohen
Gedancken, der gemeinen und prächtigen auserlese-
nen Redens-Arten wahrnehmen, daß ein Redner
fremdes und zusammen gestohlnes Guth mit dem
seinigen vereiniget. Jnsgemein muß der Arminius
des scharffsinnigen Herrn von Lohnstein herhalten;
da es aber den wenigsten gegeben ist, sich mit ihrem
Gefieder so hoch zu schwingen, wie der selige Cava-
lier,
so mercket man es auch am allerehesten, wenn
sie aus dieser Schrifft einige Federn ausrupffen, und
mit den ihrigen vermengen wollen.

§. 22. Ein vernünfftiger Redner muß sich zwar
in seiner gantzen Rede eines gleichen Vortrages,
und einer gleichen Schreib-Art befleißigen, jedoch
möchte ich einem fast rathen, daß er sich bemühen
solte, das schönste und feineste aus der gantzen Rede
bey dem Anfang und dem Schluß seine Rede anzu-
bringen. Bey dem Anfang sind die Zuhörer in
ihrer grösten Aufmercksamkeit, und ein jeder ist be-

gierig,

Von Ablegung oͤffentlicher Reden.
eigenen Nachſinnen zuruͤck gehalten, und erlangen
alſo niemahls eine Geſchicklichkeit, etwas aus ihrem
eigenen Gehirne zu erfinden, lernen auch ihre Kraͤff-
te nicht abmeſſen noch erkennen, ſondern erweiſen
auch bey den meiſten von ihren Zuhoͤrern, daß ſie
mit fremden Federn prangen wollen. Eine Rede,
die aus anderer Leute Schrifften zuſammen geſetzt,
gleichet einem Bettlers-Kuͤttel, der aus mancherley
Lappen und Flecken beſtehet. Wer ein wenig Er-
kaͤntniß und Nachſinnen beſitzt, kan aus der unglei-
chen Schreib-Art, aus dem Unterſchied der ſchlech-
ten und wichtigen Gruͤnde, der niedrigen und hohen
Gedancken, der gemeinen und praͤchtigen auserleſe-
nen Redens-Arten wahrnehmen, daß ein Redner
fremdes und zuſammen geſtohlnes Guth mit dem
ſeinigen vereiniget. Jnsgemein muß der Arminius
des ſcharffſinnigen Herrn von Lohnſtein herhalten;
da es aber den wenigſten gegeben iſt, ſich mit ihrem
Gefieder ſo hoch zu ſchwingen, wie der ſelige Cava-
lier,
ſo mercket man es auch am allereheſten, wenn
ſie aus dieſer Schrifft einige Federn ausrupffen, und
mit den ihrigen vermengen wollen.

§. 22. Ein vernuͤnfftiger Redner muß ſich zwar
in ſeiner gantzen Rede eines gleichen Vortrages,
und einer gleichen Schreib-Art befleißigen, jedoch
moͤchte ich einem faſt rathen, daß er ſich bemuͤhen
ſolte, das ſchoͤnſte und feineſte aus der gantzen Rede
bey dem Anfang und dem Schluß ſeine Rede anzu-
bringen. Bey dem Anfang ſind die Zuhoͤrer in
ihrer groͤſten Aufmerckſamkeit, und ein jeder iſt be-

gierig,
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[319/0339] Von Ablegung oͤffentlicher Reden. eigenen Nachſinnen zuruͤck gehalten, und erlangen alſo niemahls eine Geſchicklichkeit, etwas aus ihrem eigenen Gehirne zu erfinden, lernen auch ihre Kraͤff- te nicht abmeſſen noch erkennen, ſondern erweiſen auch bey den meiſten von ihren Zuhoͤrern, daß ſie mit fremden Federn prangen wollen. Eine Rede, die aus anderer Leute Schrifften zuſammen geſetzt, gleichet einem Bettlers-Kuͤttel, der aus mancherley Lappen und Flecken beſtehet. Wer ein wenig Er- kaͤntniß und Nachſinnen beſitzt, kan aus der unglei- chen Schreib-Art, aus dem Unterſchied der ſchlech- ten und wichtigen Gruͤnde, der niedrigen und hohen Gedancken, der gemeinen und praͤchtigen auserleſe- nen Redens-Arten wahrnehmen, daß ein Redner fremdes und zuſammen geſtohlnes Guth mit dem ſeinigen vereiniget. Jnsgemein muß der Arminius des ſcharffſinnigen Herrn von Lohnſtein herhalten; da es aber den wenigſten gegeben iſt, ſich mit ihrem Gefieder ſo hoch zu ſchwingen, wie der ſelige Cava- lier, ſo mercket man es auch am allereheſten, wenn ſie aus dieſer Schrifft einige Federn ausrupffen, und mit den ihrigen vermengen wollen. §. 22. Ein vernuͤnfftiger Redner muß ſich zwar in ſeiner gantzen Rede eines gleichen Vortrages, und einer gleichen Schreib-Art befleißigen, jedoch moͤchte ich einem faſt rathen, daß er ſich bemuͤhen ſolte, das ſchoͤnſte und feineſte aus der gantzen Rede bey dem Anfang und dem Schluß ſeine Rede anzu- bringen. Bey dem Anfang ſind die Zuhoͤrer in ihrer groͤſten Aufmerckſamkeit, und ein jeder iſt be- gierig,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/339>, abgerufen am 21.11.2024.