dieses, meines Erachtens, eine überflüßige Scham- hafftigkeit und unnöthige Erbarkeit; es verstehet sich von selbst, daß sie, nach ihrer Christen-Pflicht, schuldig ist, dem andern keine andere Dienste zu lei- sten, als die sie ihm mit Zucht und Ehre abstatten kan, und der andere hat auch ihre Unterthänigkeit und Gehorsam, und wenn es auch der gröste Herr wäre, in keinem andern Verstande anzunehmen.
§. 25. Man befleißige sich in seinem Schreiben, so viel als möglich, einer galanten Schreib-Art. Es sind aber galante Briefe Schreiben, in welchen etwas artiges verborgenes steckt, das man weder beschreiben noch nennen kan. Denn es ist zu ei- nem galanten Briefe nicht eben allezeit vonnöthen, daß man etwas sonderliches und künstliches ersinne, sondern die freye ungezwungene Manier, deren sich ein Cavalier bedient, und, mit einem Wort, der ar- tige Zug, mit welchem er seine Briefe anfängt, fort- führt und beschlüßt, ist das fürnehmste, was ihn von gemeinen Geistern unterschieden, und seine Schreib- Art galant und allen Leuten beliebt und angenehm macht. S. Benjamin Neukirch, p. 248.
§. 26. Daß man zu den Briefen, die an höhere Personen gerichtet, klares nnd nettes Post-Papier zu nehmen habe, lehret der Wohlstand. Ob es an dem Rande vergüldet sey oder nicht, thut zur Sache nichts; ob der Streusand aus Goldflitterchen be- stehe, oder ob es gemeiner Sand sey, damit die nas- sen Buchstaben getrocknet werden, ist ebenfalls ei- nerley, wenn er nur nicht allzu grob, daß er einem
Stück
II. Theil. IV. Capitul.
dieſes, meines Erachtens, eine uͤberfluͤßige Scham- hafftigkeit und unnoͤthige Erbarkeit; es verſtehet ſich von ſelbſt, daß ſie, nach ihrer Chriſten-Pflicht, ſchuldig iſt, dem andern keine andere Dienſte zu lei- ſten, als die ſie ihm mit Zucht und Ehre abſtatten kan, und der andere hat auch ihre Unterthaͤnigkeit und Gehorſam, und wenn es auch der groͤſte Herr waͤre, in keinem andern Verſtande anzunehmen.
§. 25. Man befleißige ſich in ſeinem Schreiben, ſo viel als moͤglich, einer galanten Schreib-Art. Es ſind aber galante Briefe Schreiben, in welchen etwas artiges verborgenes ſteckt, das man weder beſchreiben noch nennen kan. Denn es iſt zu ei- nem galanten Briefe nicht eben allezeit vonnoͤthen, daß man etwas ſonderliches und kuͤnſtliches erſinne, ſondern die freye ungezwungene Manier, deren ſich ein Cavalier bedient, und, mit einem Wort, der ar- tige Zug, mit welchem er ſeine Briefe anfaͤngt, fort- fuͤhrt und beſchluͤßt, iſt das fuͤrnehmſte, was ihn von gemeinen Geiſtern unterſchieden, und ſeine Schreib- Art galant und allen Leuten beliebt und angenehm macht. S. Benjamin Neukirch, p. 248.
§. 26. Daß man zu den Briefen, die an hoͤhere Perſonen gerichtet, klares nnd nettes Poſt-Papier zu nehmen habe, lehret der Wohlſtand. Ob es an dem Rande verguͤldet ſey oder nicht, thut zur Sache nichts; ob der Streuſand aus Goldflitterchen be- ſtehe, oder ob es gemeiner Sand ſey, damit die naſ- ſen Buchſtaben getrocknet werden, iſt ebenfalls ei- nerley, wenn er nur nicht allzu grob, daß er einem
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II. Theil. IV. Capitul.
dieſes, meines Erachtens, eine uͤberfluͤßige Scham-
hafftigkeit und unnoͤthige Erbarkeit; es verſtehet
ſich von ſelbſt, daß ſie, nach ihrer Chriſten-Pflicht,
ſchuldig iſt, dem andern keine andere Dienſte zu lei-
ſten, als die ſie ihm mit Zucht und Ehre abſtatten
kan, und der andere hat auch ihre Unterthaͤnigkeit
und Gehorſam, und wenn es auch der groͤſte Herr
waͤre, in keinem andern Verſtande anzunehmen.
§. 25. Man befleißige ſich in ſeinem Schreiben,
ſo viel als moͤglich, einer galanten Schreib-Art.
Es ſind aber galante Briefe Schreiben, in welchen
etwas artiges verborgenes ſteckt, das man weder
beſchreiben noch nennen kan. Denn es iſt zu ei-
nem galanten Briefe nicht eben allezeit vonnoͤthen,
daß man etwas ſonderliches und kuͤnſtliches erſinne,
ſondern die freye ungezwungene Manier, deren ſich
ein Cavalier bedient, und, mit einem Wort, der ar-
tige Zug, mit welchem er ſeine Briefe anfaͤngt, fort-
fuͤhrt und beſchluͤßt, iſt das fuͤrnehmſte, was ihn von
gemeinen Geiſtern unterſchieden, und ſeine Schreib-
Art galant und allen Leuten beliebt und angenehm
macht. S. Benjamin Neukirch, p. 248.
§. 26. Daß man zu den Briefen, die an hoͤhere
Perſonen gerichtet, klares nnd nettes Poſt-Papier
zu nehmen habe, lehret der Wohlſtand. Ob es an
dem Rande verguͤldet ſey oder nicht, thut zur Sache
nichts; ob der Streuſand aus Goldflitterchen be-
ſtehe, oder ob es gemeiner Sand ſey, damit die naſ-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/358>, abgerufen am 25.11.2024.
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