Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. IX. Capitul.
also bitten sie diejenigen zu sich, von denen sie wis-
sen, daß sie von ihnen wieder werden tractirt wer-
den; noch andre aus Vorsatz, einem andern bey
einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewis-
sen ihnen vortheilhafften Absichten zu lencken.

§. 4. Die Freundschaffts-Gastgebothe sind,
wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol-
len man versichert ist, zu sich invitirt, um ihnen nach
seinem Vermögen Gutes zu thun, aus keinem an-
dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor
diejenigen Dienste, die sie uns ehedem geleistet, seine
Erkentlichkeit erweise, oder ihnen sonst unser Wohl-
wollen hiedurch an Tage lege. Bey diesen wird
das Ceremoniel-Wesen bey Seite gesetzt, eine
liebreiche und anständige Freyheit ist die beste Cere-
monie,
und das aufrichtige Freundschaffts-Hertz
des Wirths, das beste Gerichte der Gäste. Diese
Gastgebothe sind die angenehmsten, aber in Anse-
hung der unter den Christen fast gantz erloschenen
Liebe des Nächsten, gewiß auch die raresten.

§. 5. Die hämischen Gastereyen sind, wenn
boßhaffte und gottlose Gemüther aus einem bösen
Vorsatz andere zu sich bitten, theils daß sie diesel-
ben zu einen übermäßigen Trunck forciren, und
hernach an ihren seltzamen Bezeugen ihre Freude
haben wollen, oder die Einfältigen sonst schrauben
und zum besten haben theils das sie unter wider-
wärtigen Gemüthern, die einander nicht wohl leiden
können, Feindseligkeiten erregen, und ihnen sonst

auf

II. Theil. IX. Capitul.
alſo bitten ſie diejenigen zu ſich, von denen ſie wiſ-
ſen, daß ſie von ihnen wieder werden tractirt wer-
den; noch andre aus Vorſatz, einem andern bey
einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewiſ-
ſen ihnen vortheilhafften Abſichten zu lencken.

§. 4. Die Freundſchaffts-Gaſtgebothe ſind,
wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol-
len man verſichert iſt, zu ſich invitirt, um ihnen nach
ſeinem Vermoͤgen Gutes zu thun, aus keinem an-
dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor
diejenigen Dienſte, die ſie uns ehedem geleiſtet, ſeine
Erkentlichkeit erweiſe, oder ihnen ſonſt unſer Wohl-
wollen hiedurch an Tage lege. Bey dieſen wird
das Ceremoniel-Weſen bey Seite geſetzt, eine
liebreiche und anſtaͤndige Freyheit iſt die beſte Cere-
monie,
und das aufrichtige Freundſchaffts-Hertz
des Wirths, das beſte Gerichte der Gaͤſte. Dieſe
Gaſtgebothe ſind die angenehmſten, aber in Anſe-
hung der unter den Chriſten faſt gantz erloſchenen
Liebe des Naͤchſten, gewiß auch die rareſten.

§. 5. Die haͤmiſchen Gaſtereyen ſind, wenn
boßhaffte und gottloſe Gemuͤther aus einem boͤſen
Vorſatz andere zu ſich bitten, theils daß ſie dieſel-
ben zu einen uͤbermaͤßigen Trunck forciren, und
hernach an ihren ſeltzamen Bezeugen ihre Freude
haben wollen, oder die Einfaͤltigen ſonſt ſchrauben
und zum beſten haben theils das ſie unter wider-
waͤrtigen Gemuͤthern, die einander nicht wohl leiden
koͤnnen, Feindſeligkeiten erregen, und ihnen ſonſt

auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0450" n="430"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">IX.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
al&#x017F;o bitten &#x017F;ie diejenigen zu &#x017F;ich, von denen &#x017F;ie wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, daß &#x017F;ie von ihnen wieder werden <hi rendition="#aq">tracti</hi>rt wer-<lb/>
den; noch andre aus Vor&#x017F;atz, einem andern bey<lb/>
einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ihnen vortheilhafften Ab&#x017F;ichten zu lencken.</p><lb/>
        <p>§. 4. Die Freund&#x017F;chaffts-Ga&#x017F;tgebothe &#x017F;ind,<lb/>
wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol-<lb/>
len man ver&#x017F;ichert i&#x017F;t, zu &#x017F;ich <hi rendition="#aq">inviti</hi>rt, um ihnen nach<lb/>
&#x017F;einem Vermo&#x0364;gen Gutes zu thun, aus keinem an-<lb/>
dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor<lb/>
diejenigen Dien&#x017F;te, die &#x017F;ie uns ehedem gelei&#x017F;tet, &#x017F;eine<lb/>
Erkentlichkeit erwei&#x017F;e, oder ihnen &#x017F;on&#x017F;t un&#x017F;er Wohl-<lb/>
wollen hiedurch an Tage lege. Bey die&#x017F;en wird<lb/>
das <hi rendition="#aq">Ceremoniel-</hi>We&#x017F;en bey Seite ge&#x017F;etzt, eine<lb/>
liebreiche und an&#x017F;ta&#x0364;ndige Freyheit i&#x017F;t die be&#x017F;te <hi rendition="#aq">Cere-<lb/>
monie,</hi> und das aufrichtige Freund&#x017F;chaffts-Hertz<lb/>
des Wirths, das be&#x017F;te Gerichte der Ga&#x0364;&#x017F;te. Die&#x017F;e<lb/>
Ga&#x017F;tgebothe &#x017F;ind die angenehm&#x017F;ten, aber in An&#x017F;e-<lb/>
hung der unter den Chri&#x017F;ten fa&#x017F;t gantz erlo&#x017F;chenen<lb/>
Liebe des Na&#x0364;ch&#x017F;ten, gewiß auch die rare&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>§. 5. Die ha&#x0364;mi&#x017F;chen Ga&#x017F;tereyen &#x017F;ind, wenn<lb/>
boßhaffte und gottlo&#x017F;e Gemu&#x0364;ther aus einem bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Vor&#x017F;atz andere zu &#x017F;ich bitten, theils daß &#x017F;ie die&#x017F;el-<lb/>
ben zu einen u&#x0364;berma&#x0364;ßigen Trunck <hi rendition="#aq">forci</hi>ren, und<lb/>
hernach an ihren &#x017F;eltzamen Bezeugen ihre Freude<lb/>
haben wollen, oder die Einfa&#x0364;ltigen &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;chrauben<lb/>
und zum be&#x017F;ten haben theils das &#x017F;ie unter wider-<lb/>
wa&#x0364;rtigen Gemu&#x0364;thern, die einander nicht wohl leiden<lb/>
ko&#x0364;nnen, Feind&#x017F;eligkeiten erregen, und ihnen &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[430/0450] II. Theil. IX. Capitul. alſo bitten ſie diejenigen zu ſich, von denen ſie wiſ- ſen, daß ſie von ihnen wieder werden tractirt wer- den; noch andre aus Vorſatz, einem andern bey einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewiſ- ſen ihnen vortheilhafften Abſichten zu lencken. §. 4. Die Freundſchaffts-Gaſtgebothe ſind, wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol- len man verſichert iſt, zu ſich invitirt, um ihnen nach ſeinem Vermoͤgen Gutes zu thun, aus keinem an- dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor diejenigen Dienſte, die ſie uns ehedem geleiſtet, ſeine Erkentlichkeit erweiſe, oder ihnen ſonſt unſer Wohl- wollen hiedurch an Tage lege. Bey dieſen wird das Ceremoniel-Weſen bey Seite geſetzt, eine liebreiche und anſtaͤndige Freyheit iſt die beſte Cere- monie, und das aufrichtige Freundſchaffts-Hertz des Wirths, das beſte Gerichte der Gaͤſte. Dieſe Gaſtgebothe ſind die angenehmſten, aber in Anſe- hung der unter den Chriſten faſt gantz erloſchenen Liebe des Naͤchſten, gewiß auch die rareſten. §. 5. Die haͤmiſchen Gaſtereyen ſind, wenn boßhaffte und gottloſe Gemuͤther aus einem boͤſen Vorſatz andere zu ſich bitten, theils daß ſie dieſel- ben zu einen uͤbermaͤßigen Trunck forciren, und hernach an ihren ſeltzamen Bezeugen ihre Freude haben wollen, oder die Einfaͤltigen ſonſt ſchrauben und zum beſten haben theils das ſie unter wider- waͤrtigen Gemuͤthern, die einander nicht wohl leiden koͤnnen, Feindſeligkeiten erregen, und ihnen ſonſt auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/450
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/450>, abgerufen am 22.11.2024.