also bitten sie diejenigen zu sich, von denen sie wis- sen, daß sie von ihnen wieder werden tractirt wer- den; noch andre aus Vorsatz, einem andern bey einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewis- sen ihnen vortheilhafften Absichten zu lencken.
§. 4. Die Freundschaffts-Gastgebothe sind, wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol- len man versichert ist, zu sich invitirt, um ihnen nach seinem Vermögen Gutes zu thun, aus keinem an- dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor diejenigen Dienste, die sie uns ehedem geleistet, seine Erkentlichkeit erweise, oder ihnen sonst unser Wohl- wollen hiedurch an Tage lege. Bey diesen wird das Ceremoniel-Wesen bey Seite gesetzt, eine liebreiche und anständige Freyheit ist die beste Cere- monie, und das aufrichtige Freundschaffts-Hertz des Wirths, das beste Gerichte der Gäste. Diese Gastgebothe sind die angenehmsten, aber in Anse- hung der unter den Christen fast gantz erloschenen Liebe des Nächsten, gewiß auch die raresten.
§. 5. Die hämischen Gastereyen sind, wenn boßhaffte und gottlose Gemüther aus einem bösen Vorsatz andere zu sich bitten, theils daß sie diesel- ben zu einen übermäßigen Trunck forciren, und hernach an ihren seltzamen Bezeugen ihre Freude haben wollen, oder die Einfältigen sonst schrauben und zum besten haben theils das sie unter wider- wärtigen Gemüthern, die einander nicht wohl leiden können, Feindseligkeiten erregen, und ihnen sonst
auf
II. Theil. IX. Capitul.
alſo bitten ſie diejenigen zu ſich, von denen ſie wiſ- ſen, daß ſie von ihnen wieder werden tractirt wer- den; noch andre aus Vorſatz, einem andern bey einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewiſ- ſen ihnen vortheilhafften Abſichten zu lencken.
§. 4. Die Freundſchaffts-Gaſtgebothe ſind, wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol- len man verſichert iſt, zu ſich invitirt, um ihnen nach ſeinem Vermoͤgen Gutes zu thun, aus keinem an- dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor diejenigen Dienſte, die ſie uns ehedem geleiſtet, ſeine Erkentlichkeit erweiſe, oder ihnen ſonſt unſer Wohl- wollen hiedurch an Tage lege. Bey dieſen wird das Ceremoniel-Weſen bey Seite geſetzt, eine liebreiche und anſtaͤndige Freyheit iſt die beſte Cere- monie, und das aufrichtige Freundſchaffts-Hertz des Wirths, das beſte Gerichte der Gaͤſte. Dieſe Gaſtgebothe ſind die angenehmſten, aber in Anſe- hung der unter den Chriſten faſt gantz erloſchenen Liebe des Naͤchſten, gewiß auch die rareſten.
§. 5. Die haͤmiſchen Gaſtereyen ſind, wenn boßhaffte und gottloſe Gemuͤther aus einem boͤſen Vorſatz andere zu ſich bitten, theils daß ſie dieſel- ben zu einen uͤbermaͤßigen Trunck forciren, und hernach an ihren ſeltzamen Bezeugen ihre Freude haben wollen, oder die Einfaͤltigen ſonſt ſchrauben und zum beſten haben theils das ſie unter wider- waͤrtigen Gemuͤthern, die einander nicht wohl leiden koͤnnen, Feindſeligkeiten erregen, und ihnen ſonſt
auf
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0450"n="430"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. <hirendition="#aq">IX.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
alſo bitten ſie diejenigen zu ſich, von denen ſie wiſ-<lb/>ſen, daß ſie von ihnen wieder werden <hirendition="#aq">tracti</hi>rt wer-<lb/>
den; noch andre aus Vorſatz, einem andern bey<lb/>
einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewiſ-<lb/>ſen ihnen vortheilhafften Abſichten zu lencken.</p><lb/><p>§. 4. Die Freundſchaffts-Gaſtgebothe ſind,<lb/>
wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol-<lb/>
len man verſichert iſt, zu ſich <hirendition="#aq">inviti</hi>rt, um ihnen nach<lb/>ſeinem Vermoͤgen Gutes zu thun, aus keinem an-<lb/>
dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor<lb/>
diejenigen Dienſte, die ſie uns ehedem geleiſtet, ſeine<lb/>
Erkentlichkeit erweiſe, oder ihnen ſonſt unſer Wohl-<lb/>
wollen hiedurch an Tage lege. Bey dieſen wird<lb/>
das <hirendition="#aq">Ceremoniel-</hi>Weſen bey Seite geſetzt, eine<lb/>
liebreiche und anſtaͤndige Freyheit iſt die beſte <hirendition="#aq">Cere-<lb/>
monie,</hi> und das aufrichtige Freundſchaffts-Hertz<lb/>
des Wirths, das beſte Gerichte der Gaͤſte. Dieſe<lb/>
Gaſtgebothe ſind die angenehmſten, aber in Anſe-<lb/>
hung der unter den Chriſten faſt gantz erloſchenen<lb/>
Liebe des Naͤchſten, gewiß auch die rareſten.</p><lb/><p>§. 5. Die haͤmiſchen Gaſtereyen ſind, wenn<lb/>
boßhaffte und gottloſe Gemuͤther aus einem boͤſen<lb/>
Vorſatz andere zu ſich bitten, theils daß ſie dieſel-<lb/>
ben zu einen uͤbermaͤßigen Trunck <hirendition="#aq">forci</hi>ren, und<lb/>
hernach an ihren ſeltzamen Bezeugen ihre Freude<lb/>
haben wollen, oder die Einfaͤltigen ſonſt ſchrauben<lb/>
und zum beſten haben theils das ſie unter wider-<lb/>
waͤrtigen Gemuͤthern, die einander nicht wohl leiden<lb/>
koͤnnen, Feindſeligkeiten erregen, und ihnen ſonſt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">auf</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[430/0450]
II. Theil. IX. Capitul.
alſo bitten ſie diejenigen zu ſich, von denen ſie wiſ-
ſen, daß ſie von ihnen wieder werden tractirt wer-
den; noch andre aus Vorſatz, einem andern bey
einem Glaß Wein und bey der Mahlzeit zu gewiſ-
ſen ihnen vortheilhafften Abſichten zu lencken.
§. 4. Die Freundſchaffts-Gaſtgebothe ſind,
wenn man diejenigen, deren Liebe und Wohlwol-
len man verſichert iſt, zu ſich invitirt, um ihnen nach
ſeinem Vermoͤgen Gutes zu thun, aus keinem an-
dern Endzweck, als daß man ihnen entweder vor
diejenigen Dienſte, die ſie uns ehedem geleiſtet, ſeine
Erkentlichkeit erweiſe, oder ihnen ſonſt unſer Wohl-
wollen hiedurch an Tage lege. Bey dieſen wird
das Ceremoniel-Weſen bey Seite geſetzt, eine
liebreiche und anſtaͤndige Freyheit iſt die beſte Cere-
monie, und das aufrichtige Freundſchaffts-Hertz
des Wirths, das beſte Gerichte der Gaͤſte. Dieſe
Gaſtgebothe ſind die angenehmſten, aber in Anſe-
hung der unter den Chriſten faſt gantz erloſchenen
Liebe des Naͤchſten, gewiß auch die rareſten.
§. 5. Die haͤmiſchen Gaſtereyen ſind, wenn
boßhaffte und gottloſe Gemuͤther aus einem boͤſen
Vorſatz andere zu ſich bitten, theils daß ſie dieſel-
ben zu einen uͤbermaͤßigen Trunck forciren, und
hernach an ihren ſeltzamen Bezeugen ihre Freude
haben wollen, oder die Einfaͤltigen ſonſt ſchrauben
und zum beſten haben theils das ſie unter wider-
waͤrtigen Gemuͤthern, die einander nicht wohl leiden
koͤnnen, Feindſeligkeiten erregen, und ihnen ſonſt
auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/450>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.