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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. IX. Capitul.
gungs-Compliment, oder sehen es doch gerne,
wenn sie es gegen andre rühmen, und sich also er-
kenntlich bezeigen; und sie wollen doch selbst nicht
dem Geber alles Guten, vor so viel Delicatessen
die er ihnen vorsetzt, Danck abstatten. Der sel.
Spener ertheilt in seinem thätigen Christenthum
Dominica VIi. post Trinit. p. 294. eine gute Er-
innerung wenn er schreibt: Wir sollen die Speise
heiligen mit Gebeth, aber daß es auch ein Gebeth
und nicht ein Geschwätz sey, wie es fast leyder bey
den meisten, die vor und nach Tische bethen, ge-
schiehet, daß sie eben die gewöhnlichen von Jugend
auf gelernten Formulgen behalten und hersprechen,
aber nicht erwegen was wir darinnen sagen, in-
dem die öfftere Wiederhohlungen, und weil sie uns
so gar gemein sind, machen, daß man ihrer nicht
achtet.

§. 36. Ein Wirth muß sich allenthalben gefäl-
lig gegen seine Gäste bezeigen, er muß allen denje-
nigen, die er in seine Gesellschafft ziehet, und seiner
Einladung würdiget, eine gleich durchgehende Höf-
lichkeit erzeigen, und besorgt seyn, daß ein ieder von
ihnen mit einerley Speise und Tranck versorget
werde, und die er dergleichen Höflichkeit unwür-
dig achtet, lieber davon ausschliessen. Es ist da-
her über die maßen unanständig, wenn der Wirth,
wie einige bißweilen zu thun pflegen, das beste
Stück aus der Schüssel heraus nimmt, und seinen
Gästen etwas schlechters vorlegt, oder bey dem
Wein einen Unterscheid macht, einige Gäste von

dem

II. Theil. IX. Capitul.
gungs-Compliment, oder ſehen es doch gerne,
wenn ſie es gegen andre ruͤhmen, und ſich alſo er-
kenntlich bezeigen; und ſie wollen doch ſelbſt nicht
dem Geber alles Guten, vor ſo viel Delicateſſen
die er ihnen vorſetzt, Danck abſtatten. Der ſel.
Spener ertheilt in ſeinem thaͤtigen Chriſtenthum
Dominica VIi. poſt Trinit. p. 294. eine gute Er-
innerung wenn er ſchreibt: Wir ſollen die Speiſe
heiligen mit Gebeth, aber daß es auch ein Gebeth
und nicht ein Geſchwaͤtz ſey, wie es faſt leyder bey
den meiſten, die vor und nach Tiſche bethen, ge-
ſchiehet, daß ſie eben die gewoͤhnlichen von Jugend
auf gelernten Formulgen behalten und herſprechen,
aber nicht erwegen was wir darinnen ſagen, in-
dem die oͤfftere Wiederhohlungen, und weil ſie uns
ſo gar gemein ſind, machen, daß man ihrer nicht
achtet.

§. 36. Ein Wirth muß ſich allenthalben gefaͤl-
lig gegen ſeine Gaͤſte bezeigen, er muß allen denje-
nigen, die er in ſeine Geſellſchafft ziehet, und ſeiner
Einladung wuͤrdiget, eine gleich durchgehende Hoͤf-
lichkeit erzeigen, und beſorgt ſeyn, daß ein ieder von
ihnen mit einerley Speiſe und Tranck verſorget
werde, und die er dergleichen Hoͤflichkeit unwuͤr-
dig achtet, lieber davon ausſchlieſſen. Es iſt da-
her uͤber die maßen unanſtaͤndig, wenn der Wirth,
wie einige bißweilen zu thun pflegen, das beſte
Stuͤck aus der Schuͤſſel heraus nimmt, und ſeinen
Gaͤſten etwas ſchlechters vorlegt, oder bey dem
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dem
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[448/0468] II. Theil. IX. Capitul. gungs-Compliment, oder ſehen es doch gerne, wenn ſie es gegen andre ruͤhmen, und ſich alſo er- kenntlich bezeigen; und ſie wollen doch ſelbſt nicht dem Geber alles Guten, vor ſo viel Delicateſſen die er ihnen vorſetzt, Danck abſtatten. Der ſel. Spener ertheilt in ſeinem thaͤtigen Chriſtenthum Dominica VIi. poſt Trinit. p. 294. eine gute Er- innerung wenn er ſchreibt: Wir ſollen die Speiſe heiligen mit Gebeth, aber daß es auch ein Gebeth und nicht ein Geſchwaͤtz ſey, wie es faſt leyder bey den meiſten, die vor und nach Tiſche bethen, ge- ſchiehet, daß ſie eben die gewoͤhnlichen von Jugend auf gelernten Formulgen behalten und herſprechen, aber nicht erwegen was wir darinnen ſagen, in- dem die oͤfftere Wiederhohlungen, und weil ſie uns ſo gar gemein ſind, machen, daß man ihrer nicht achtet. §. 36. Ein Wirth muß ſich allenthalben gefaͤl- lig gegen ſeine Gaͤſte bezeigen, er muß allen denje- nigen, die er in ſeine Geſellſchafft ziehet, und ſeiner Einladung wuͤrdiget, eine gleich durchgehende Hoͤf- lichkeit erzeigen, und beſorgt ſeyn, daß ein ieder von ihnen mit einerley Speiſe und Tranck verſorget werde, und die er dergleichen Hoͤflichkeit unwuͤr- dig achtet, lieber davon ausſchlieſſen. Es iſt da- her uͤber die maßen unanſtaͤndig, wenn der Wirth, wie einige bißweilen zu thun pflegen, das beſte Stuͤck aus der Schuͤſſel heraus nimmt, und ſeinen Gaͤſten etwas ſchlechters vorlegt, oder bey dem Wein einen Unterſcheid macht, einige Gaͤſte von dem

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/468>, abgerufen am 22.11.2024.