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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. I. Capitul.
rer Profession gehört, wohl erfahren, und die all-
gemeinen Regeln des Wohlstandes, die in dem
menschlichen Leben unter vernünfftigen Leuten ein-
geführet, zu beobachten wissen. Herr Johann
George Neukirch raisonirt in seinen Maximen und
Anweisungen zur guten Conduite p. 22. sehr wohl,
wenn er schreibet: Diese sind eben keine Pedanten,
die die Hof-Sitten und das Ceremoniel nicht
wissen, so in der Conversation üblich; denn das
Wissen der Hof-Sitten gehört eben nicht zu ei-
nem Gelehrten. Kan er die Ceremonien, ist es
gut, und ein gewisses Merckmahl seiner grossen
Fähigkeit, wo nicht, ist es genug wenn er das de-
corum
seines Standes weiß, wie denn ein jeder
Stand sein besonder decorum hat.

§. 32. Die allgemeinen Regeln, die zu der Lehre
des Wohlstandes gehören, haben ihren besondern
Nutzen, es ist auch wohl gethan, wenn sich ein jetzi-
ger Cavalier die besondern Maximen, die an die-
sem oder jenem Orte bey dem Ceremoniel-Wesen
eingeführt, bekannt macht und aufzeichnet; die
Haupt-Regel aber ist und bleibt diese, daß man
sich an allen Orten und bey allen Gesellschafften,
unter die man zu gehen hat, vorhero nach einem
und andern Gebrauch bey diesem oder jenem Um-
stande zu erkundigen hat, damit man sich nicht ver-
stosse. Es ist unmöglich, daß man alle und jede Ge-
bräuche wissen, und sie in dem Gedächtniß behalten
kan, gleichwohl ist überaus viel daran gelegen,
wenn man sich in seinen äusserlichen Handlungen,

denen

I. Theil. I. Capitul.
rer Profeſſion gehoͤrt, wohl erfahren, und die all-
gemeinen Regeln des Wohlſtandes, die in dem
menſchlichen Leben unter vernuͤnfftigen Leuten ein-
gefuͤhret, zu beobachten wiſſen. Herr Johann
George Neukirch raiſonirt in ſeinen Maximen und
Anweiſungen zur guten Conduite p. 22. ſehr wohl,
wenn er ſchreibet: Dieſe ſind eben keine Pedanten,
die die Hof-Sitten und das Ceremoniel nicht
wiſſen, ſo in der Converſation uͤblich; denn das
Wiſſen der Hof-Sitten gehoͤrt eben nicht zu ei-
nem Gelehrten. Kan er die Ceremonien, iſt es
gut, und ein gewiſſes Merckmahl ſeiner groſſen
Faͤhigkeit, wo nicht, iſt es genug wenn er das de-
corum
ſeines Standes weiß, wie denn ein jeder
Stand ſein beſonder decorum hat.

§. 32. Die allgemeinen Regeln, die zu der Lehre
des Wohlſtandes gehoͤren, haben ihren beſondern
Nutzen, es iſt auch wohl gethan, wenn ſich ein jetzi-
ger Cavalier die beſondern Maximen, die an die-
ſem oder jenem Orte bey dem Ceremoniel-Weſen
eingefuͤhrt, bekannt macht und aufzeichnet; die
Haupt-Regel aber iſt und bleibt dieſe, daß man
ſich an allen Orten und bey allen Geſellſchafften,
unter die man zu gehen hat, vorhero nach einem
und andern Gebrauch bey dieſem oder jenem Um-
ſtande zu erkundigen hat, damit man ſich nicht ver-
ſtoſſe. Es iſt unmoͤglich, daß man alle und jede Ge-
braͤuche wiſſen, und ſie in dem Gedaͤchtniß behalten
kan, gleichwohl iſt uͤberaus viel daran gelegen,
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[28/0048] I. Theil. I. Capitul. rer Profeſſion gehoͤrt, wohl erfahren, und die all- gemeinen Regeln des Wohlſtandes, die in dem menſchlichen Leben unter vernuͤnfftigen Leuten ein- gefuͤhret, zu beobachten wiſſen. Herr Johann George Neukirch raiſonirt in ſeinen Maximen und Anweiſungen zur guten Conduite p. 22. ſehr wohl, wenn er ſchreibet: Dieſe ſind eben keine Pedanten, die die Hof-Sitten und das Ceremoniel nicht wiſſen, ſo in der Converſation uͤblich; denn das Wiſſen der Hof-Sitten gehoͤrt eben nicht zu ei- nem Gelehrten. Kan er die Ceremonien, iſt es gut, und ein gewiſſes Merckmahl ſeiner groſſen Faͤhigkeit, wo nicht, iſt es genug wenn er das de- corum ſeines Standes weiß, wie denn ein jeder Stand ſein beſonder decorum hat. §. 32. Die allgemeinen Regeln, die zu der Lehre des Wohlſtandes gehoͤren, haben ihren beſondern Nutzen, es iſt auch wohl gethan, wenn ſich ein jetzi- ger Cavalier die beſondern Maximen, die an die- ſem oder jenem Orte bey dem Ceremoniel-Weſen eingefuͤhrt, bekannt macht und aufzeichnet; die Haupt-Regel aber iſt und bleibt dieſe, daß man ſich an allen Orten und bey allen Geſellſchafften, unter die man zu gehen hat, vorhero nach einem und andern Gebrauch bey dieſem oder jenem Um- ſtande zu erkundigen hat, damit man ſich nicht ver- ſtoſſe. Es iſt unmoͤglich, daß man alle und jede Ge- braͤuche wiſſen, und ſie in dem Gedaͤchtniß behalten kan, gleichwohl iſt uͤberaus viel daran gelegen, wenn man ſich in ſeinen aͤuſſerlichen Handlungen, denen

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/48>, abgerufen am 03.12.2024.