§. 2. Der Frantzösische Autor, de la Serre, re- det in seinem vergnügten Menschen, oder in seiner Anweisung zur Gemüths-Ruhe von dieser Materie sehr wohl, p. 91. wenn er spricht: Wir dencken mehrentheils an nichts anders, als die Zeit zu ver- treiben, da man doch die geschwinde Vergänglich- keit derselben kaum begreiffen kan. Ein jeder be- klagt sich über die Länge der Zeit, gleichsam als wenn sie nicht geschwinde genug fortgienge. Was vor Thorheit! Wir haben bloß die noch übrigen wenigen Lebens-Tage, welche wir zu Erlangung der ewigen Seeligkeit anwenden sollen, und wissen uns dennoch über ihre Länge so sehr zu beschweh- ren, gleichsam als wenn wir bey geschwinden Fortgange der Zeit auch die Zeit selbst in Besitz nehmen könten.
§. 3. Es würde zu weitläufftig fallen, wenn ich allen den Divertissemens, von welchen ich in die- sem Capitul handle, moralische Anmerckungen bey- fügen wolte; ich will vielmehr allen meinen Le- sern dasjenige, was der Herr D. Pritius in seiner Ausübung der Christlichen Tugend- und Sitten- Lehre, p. 205. hievon anführt, bestens recomman- dirt haben. Ein rechtschaffner Christ, sagt er: hat in diesen und allen andern Belustigungen sich sorgfältig zu hüten, daß er niemahls, weder was die Zeit, noch was sein Vorsatz und Absehen anbe- trifft, aus seinen Schrancken schreite; Derowe- gen muß er sich nicht gar zu sehr drauf legen, und allzu viel Stunden darauf verwenden, sondern er
hat
II. Theil. XI. Capitul.
§. 2. Der Frantzoͤſiſche Autor, de la Serre, re- det in ſeinem vergnuͤgten Menſchen, oder in ſeiner Anweiſung zur Gemuͤths-Ruhe von dieſer Materie ſehr wohl, p. 91. wenn er ſpricht: Wir dencken mehrentheils an nichts anders, als die Zeit zu ver- treiben, da man doch die geſchwinde Vergaͤnglich- keit derſelben kaum begreiffen kan. Ein jeder be- klagt ſich uͤber die Laͤnge der Zeit, gleichſam als wenn ſie nicht geſchwinde genug fortgienge. Was vor Thorheit! Wir haben bloß die noch uͤbrigen wenigen Lebens-Tage, welche wir zu Erlangung der ewigen Seeligkeit anwenden ſollen, und wiſſen uns dennoch uͤber ihre Laͤnge ſo ſehr zu beſchweh- ren, gleichſam als wenn wir bey geſchwinden Fortgange der Zeit auch die Zeit ſelbſt in Beſitz nehmen koͤnten.
§. 3. Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fallen, wenn ich allen den Divertiſſemens, von welchen ich in die- ſem Capitul handle, moraliſche Anmerckungen bey- fuͤgen wolte; ich will vielmehr allen meinen Le- ſern dasjenige, was der Herr D. Pritius in ſeiner Ausuͤbung der Chriſtlichen Tugend- und Sitten- Lehre, p. 205. hievon anfuͤhrt, beſtens recomman- dirt haben. Ein rechtſchaffner Chriſt, ſagt er: hat in dieſen und allen andern Beluſtigungen ſich ſorgfaͤltig zu huͤten, daß er niemahls, weder was die Zeit, noch was ſein Vorſatz und Abſehen anbe- trifft, aus ſeinen Schrancken ſchreite; Derowe- gen muß er ſich nicht gar zu ſehr drauf legen, und allzu viel Stunden darauf verwenden, ſondern er
hat
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0514"n="494"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. <hirendition="#aq">XI.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/><p>§. 2. Der Frantzoͤſiſche <hirendition="#aq">Autor, de la Serre,</hi> re-<lb/>
det in ſeinem vergnuͤgten Menſchen, oder in ſeiner<lb/>
Anweiſung zur Gemuͤths-Ruhe von dieſer Materie<lb/>ſehr wohl, <hirendition="#aq">p.</hi> 91. wenn er ſpricht: Wir dencken<lb/>
mehrentheils an nichts anders, als die Zeit zu ver-<lb/>
treiben, da man doch die geſchwinde Vergaͤnglich-<lb/>
keit derſelben kaum begreiffen kan. Ein jeder be-<lb/>
klagt ſich uͤber die Laͤnge der Zeit, gleichſam als<lb/>
wenn ſie nicht geſchwinde genug fortgienge. Was<lb/>
vor Thorheit! Wir haben bloß die noch uͤbrigen<lb/>
wenigen Lebens-Tage, welche wir zu Erlangung<lb/>
der ewigen Seeligkeit anwenden ſollen, und wiſſen<lb/>
uns dennoch uͤber ihre Laͤnge ſo ſehr zu beſchweh-<lb/>
ren, gleichſam als wenn wir bey geſchwinden<lb/>
Fortgange der Zeit auch die Zeit ſelbſt in Beſitz<lb/>
nehmen koͤnten.</p><lb/><p>§. 3. Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fallen, wenn ich<lb/>
allen den <hirendition="#aq">Divertiſſemens,</hi> von welchen ich in die-<lb/>ſem Capitul handle, <hirendition="#aq">morali</hi>ſche Anmerckungen bey-<lb/>
fuͤgen wolte; ich will vielmehr allen meinen Le-<lb/>ſern dasjenige, was der Herr <hirendition="#aq">D. Pritius</hi> in ſeiner<lb/>
Ausuͤbung der Chriſtlichen Tugend- und Sitten-<lb/>
Lehre, <hirendition="#aq">p.</hi> 205. hievon anfuͤhrt, beſtens <hirendition="#aq">recomman-<lb/>
di</hi>rt haben. Ein rechtſchaffner Chriſt, ſagt er:<lb/>
hat in dieſen und allen andern Beluſtigungen ſich<lb/>ſorgfaͤltig zu huͤten, daß er niemahls, weder was<lb/>
die Zeit, noch was ſein Vorſatz und Abſehen anbe-<lb/>
trifft, aus ſeinen Schrancken ſchreite; Derowe-<lb/>
gen muß er ſich nicht gar zu ſehr drauf legen, und<lb/>
allzu viel Stunden darauf verwenden, ſondern er<lb/><fwplace="bottom"type="catch">hat</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[494/0514]
II. Theil. XI. Capitul.
§. 2. Der Frantzoͤſiſche Autor, de la Serre, re-
det in ſeinem vergnuͤgten Menſchen, oder in ſeiner
Anweiſung zur Gemuͤths-Ruhe von dieſer Materie
ſehr wohl, p. 91. wenn er ſpricht: Wir dencken
mehrentheils an nichts anders, als die Zeit zu ver-
treiben, da man doch die geſchwinde Vergaͤnglich-
keit derſelben kaum begreiffen kan. Ein jeder be-
klagt ſich uͤber die Laͤnge der Zeit, gleichſam als
wenn ſie nicht geſchwinde genug fortgienge. Was
vor Thorheit! Wir haben bloß die noch uͤbrigen
wenigen Lebens-Tage, welche wir zu Erlangung
der ewigen Seeligkeit anwenden ſollen, und wiſſen
uns dennoch uͤber ihre Laͤnge ſo ſehr zu beſchweh-
ren, gleichſam als wenn wir bey geſchwinden
Fortgange der Zeit auch die Zeit ſelbſt in Beſitz
nehmen koͤnten.
§. 3. Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fallen, wenn ich
allen den Divertiſſemens, von welchen ich in die-
ſem Capitul handle, moraliſche Anmerckungen bey-
fuͤgen wolte; ich will vielmehr allen meinen Le-
ſern dasjenige, was der Herr D. Pritius in ſeiner
Ausuͤbung der Chriſtlichen Tugend- und Sitten-
Lehre, p. 205. hievon anfuͤhrt, beſtens recomman-
dirt haben. Ein rechtſchaffner Chriſt, ſagt er:
hat in dieſen und allen andern Beluſtigungen ſich
ſorgfaͤltig zu huͤten, daß er niemahls, weder was
die Zeit, noch was ſein Vorſatz und Abſehen anbe-
trifft, aus ſeinen Schrancken ſchreite; Derowe-
gen muß er ſich nicht gar zu ſehr drauf legen, und
allzu viel Stunden darauf verwenden, ſondern er
hat
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/514>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.