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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XV. Capitul.
ein gutes Gewissen haben, beydes gegen GOtt, und
auch gegen die Menschen, und mancherley schlim-
me Urtheile, und unnütze Worte, die sein Nächster
sonst über seine Handlungen aussprechen würde,
zu vermeiden suchen.

§. 7. Dieses ist die Regel; Nachdem sich aber
auch bißweilen Fälle ereignen können, da man ei-
nen züchtigen Grund findet zu Schliessung derglei-
chen Heyrathen, so entstehen die Ausnahmen, und
zwar unter andern bey folgenden Umständen.
(1) Wenn man nicht so wohl selbst wehlt, als viel-
mehr die von GOtt geschehene Wahl sich gefallen
läst, und dem göttlichen Willen nicht wiederstreben
will, da man diese Handlung in bußfertigen und
andächtigen Gebet seinem GOtt lange Zeit aufge-
tragen, und so wohl nach seiner eignen Beurthei-
lung, als nach eingeholten Erkänntniß gelehrter und
erleuchteter Theologorum überzeugt ist, daß sie
von GOttes dirigirendem Willen beschlossen sey.
(2) Wenn sie mit Einwilligung derer vollzogen
wird, die den göttlichen und weltlichen Rechten
nach ihr Ja-Wort dazu geben sollen. (3) Wenn
die Verbindung auf Gleichförmigkeit der Gemü-
ther, auf Gottesfurcht und Tugend gegründet,
wenn man Verstand dem Stande, den alten und
wahren Adel des Gemüthes, den neuen Adel des
Geblütes vorziehet. (4) Wenn man hiedurch
seine zeitliche Glückseeligkeit nicht beeinträchtiget,
das ist, seine Einkünffte, seine Ehren-Stellen, der
Gnade seiner Herrschafft und Vorgesetzten, der

Liebe

II. Theil. XV. Capitul.
ein gutes Gewiſſen haben, beydes gegen GOtt, und
auch gegen die Menſchen, und mancherley ſchlim-
me Urtheile, und unnuͤtze Worte, die ſein Naͤchſter
ſonſt uͤber ſeine Handlungen ausſprechen wuͤrde,
zu vermeiden ſuchen.

§. 7. Dieſes iſt die Regel; Nachdem ſich aber
auch bißweilen Faͤlle ereignen koͤnnen, da man ei-
nen zuͤchtigen Grund findet zu Schlieſſung derglei-
chen Heyrathen, ſo entſtehen die Ausnahmen, und
zwar unter andern bey folgenden Umſtaͤnden.
(1) Wenn man nicht ſo wohl ſelbſt wehlt, als viel-
mehr die von GOtt geſchehene Wahl ſich gefallen
laͤſt, und dem goͤttlichen Willen nicht wiederſtreben
will, da man dieſe Handlung in bußfertigen und
andaͤchtigen Gebet ſeinem GOtt lange Zeit aufge-
tragen, und ſo wohl nach ſeiner eignen Beurthei-
lung, als nach eingeholten Erkaͤnntniß gelehrter und
erleuchteter Theologorum uͤberzeugt iſt, daß ſie
von GOttes dirigirendem Willen beſchloſſen ſey.
(2) Wenn ſie mit Einwilligung derer vollzogen
wird, die den goͤttlichen und weltlichen Rechten
nach ihr Ja-Wort dazu geben ſollen. (3) Wenn
die Verbindung auf Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤ-
ther, auf Gottesfurcht und Tugend gegruͤndet,
wenn man Verſtand dem Stande, den alten und
wahren Adel des Gemuͤthes, den neuen Adel des
Gebluͤtes vorziehet. (4) Wenn man hiedurch
ſeine zeitliche Gluͤckſeeligkeit nicht beeintraͤchtiget,
das iſt, ſeine Einkuͤnffte, ſeine Ehren-Stellen, der
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[594/0614] II. Theil. XV. Capitul. ein gutes Gewiſſen haben, beydes gegen GOtt, und auch gegen die Menſchen, und mancherley ſchlim- me Urtheile, und unnuͤtze Worte, die ſein Naͤchſter ſonſt uͤber ſeine Handlungen ausſprechen wuͤrde, zu vermeiden ſuchen. §. 7. Dieſes iſt die Regel; Nachdem ſich aber auch bißweilen Faͤlle ereignen koͤnnen, da man ei- nen zuͤchtigen Grund findet zu Schlieſſung derglei- chen Heyrathen, ſo entſtehen die Ausnahmen, und zwar unter andern bey folgenden Umſtaͤnden. (1) Wenn man nicht ſo wohl ſelbſt wehlt, als viel- mehr die von GOtt geſchehene Wahl ſich gefallen laͤſt, und dem goͤttlichen Willen nicht wiederſtreben will, da man dieſe Handlung in bußfertigen und andaͤchtigen Gebet ſeinem GOtt lange Zeit aufge- tragen, und ſo wohl nach ſeiner eignen Beurthei- lung, als nach eingeholten Erkaͤnntniß gelehrter und erleuchteter Theologorum uͤberzeugt iſt, daß ſie von GOttes dirigirendem Willen beſchloſſen ſey. (2) Wenn ſie mit Einwilligung derer vollzogen wird, die den goͤttlichen und weltlichen Rechten nach ihr Ja-Wort dazu geben ſollen. (3) Wenn die Verbindung auf Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤ- ther, auf Gottesfurcht und Tugend gegruͤndet, wenn man Verſtand dem Stande, den alten und wahren Adel des Gemuͤthes, den neuen Adel des Gebluͤtes vorziehet. (4) Wenn man hiedurch ſeine zeitliche Gluͤckſeeligkeit nicht beeintraͤchtiget, das iſt, ſeine Einkuͤnffte, ſeine Ehren-Stellen, der Gnade ſeiner Herrſchafft und Vorgeſetzten, der Liebe

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/614>, abgerufen am 21.11.2024.