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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XV. Capitul.
nach, als auch den Regeln des Christenthums nach,
gewaltig vergehen. Die Falschheit und Lieblosig-
keit ihrer Urtheile erhellet gröstentheils aus folgen-
den Gründen: (1) Sie widersetzen sich durch ih-
ren Wahn und Eigensinn, und durch ihre hochmü-
thigen Vorurtheile, die sie sich in den Kopff gesetzt,
Göttlicher Majestät, und wollen ihm bey seiner Re-
gierung die Hände binden. Soll sich GOtt nach
dem Dünckel ihres Hertzens richten, weil sie der-
gleichen Heyrathen vor unanständig achten, so soll
GOtt dergleichen auch nicht dirigiren. (2) Sie
schräncken die Christliche Freyheit ein, und machen
bey einem Fall, der dem Göttlichen Willen nach
zuläßig ist, ein Verboth, und also durch ihren Men-
schen-Tand einen sündlichen Zusatz zu den Gebo-
then GOttes. Sie müssen entweder erweisen, daß
die Heyrathen ungleichen Standes von GOtt ge-
mißbilliget, und also nimmermehr von ihm dirigiret
werden, welches sie aber in Ewigkeit nicht werden
thun können, oder einräumen, daß sie sich nicht sel-
ten mit ihren Urtheilen als Unchristen erzeigen. (3)
Widersprechen ihrer viele gar öffters ihren eigenen
Urtheilen, und reden wider sich selbst. So bald
als ein Höherer, z. E. ein Fürst, ein Reichs-Graf,
sich zu ihrem Stand wendet, und eine eheliche Af-
fection
auf ein Adelich Fräulein wirfft, oder ein
reicher Cavalier eines Hoch-Edlen oder sonst cha-
racterisi
rten Bürgers Tochter heyrathen will, so
erkennt diejenige Famlie, die das Glück hat, mit ei-
nem Höhern alliirt zu werden/ es alsobald vor ein

Werck

II. Theil. XV. Capitul.
nach, als auch den Regeln des Chriſtenthums nach,
gewaltig vergehen. Die Falſchheit und Liebloſig-
keit ihrer Urtheile erhellet groͤſtentheils aus folgen-
den Gruͤnden: (1) Sie widerſetzen ſich durch ih-
ren Wahn und Eigenſinn, und durch ihre hochmuͤ-
thigen Vorurtheile, die ſie ſich in den Kopff geſetzt,
Goͤttlicher Majeſtaͤt, und wollen ihm bey ſeiner Re-
gierung die Haͤnde binden. Soll ſich GOtt nach
dem Duͤnckel ihres Hertzens richten, weil ſie der-
gleichen Heyrathen vor unanſtaͤndig achten, ſo ſoll
GOtt dergleichen auch nicht dirigiren. (2) Sie
ſchraͤncken die Chriſtliche Freyheit ein, und machen
bey einem Fall, der dem Goͤttlichen Willen nach
zulaͤßig iſt, ein Verboth, und alſo durch ihren Men-
ſchen-Tand einen ſuͤndlichen Zuſatz zu den Gebo-
then GOttes. Sie muͤſſen entweder erweiſen, daß
die Heyrathen ungleichen Standes von GOtt ge-
mißbilliget, und alſo nimmermehr von ihm dirigiret
werden, welches ſie aber in Ewigkeit nicht werden
thun koͤnnen, oder einraͤumen, daß ſie ſich nicht ſel-
ten mit ihren Urtheilen als Unchriſten erzeigen. (3)
Widerſprechen ihrer viele gar oͤffters ihren eigenen
Urtheilen, und reden wider ſich ſelbſt. So bald
als ein Hoͤherer, z. E. ein Fuͤrſt, ein Reichs-Graf,
ſich zu ihrem Stand wendet, und eine eheliche Af-
fection
auf ein Adelich Fraͤulein wirfft, oder ein
reicher Cavalier eines Hoch-Edlen oder ſonſt cha-
racteriſi
rten Buͤrgers Tochter heyrathen will, ſo
erkennt diejenige Famlie, die das Gluͤck hat, mit ei-
nem Hoͤhern alliirt zu werden/ es alſobald vor ein

Werck
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[596/0616] II. Theil. XV. Capitul. nach, als auch den Regeln des Chriſtenthums nach, gewaltig vergehen. Die Falſchheit und Liebloſig- keit ihrer Urtheile erhellet groͤſtentheils aus folgen- den Gruͤnden: (1) Sie widerſetzen ſich durch ih- ren Wahn und Eigenſinn, und durch ihre hochmuͤ- thigen Vorurtheile, die ſie ſich in den Kopff geſetzt, Goͤttlicher Majeſtaͤt, und wollen ihm bey ſeiner Re- gierung die Haͤnde binden. Soll ſich GOtt nach dem Duͤnckel ihres Hertzens richten, weil ſie der- gleichen Heyrathen vor unanſtaͤndig achten, ſo ſoll GOtt dergleichen auch nicht dirigiren. (2) Sie ſchraͤncken die Chriſtliche Freyheit ein, und machen bey einem Fall, der dem Goͤttlichen Willen nach zulaͤßig iſt, ein Verboth, und alſo durch ihren Men- ſchen-Tand einen ſuͤndlichen Zuſatz zu den Gebo- then GOttes. Sie muͤſſen entweder erweiſen, daß die Heyrathen ungleichen Standes von GOtt ge- mißbilliget, und alſo nimmermehr von ihm dirigiret werden, welches ſie aber in Ewigkeit nicht werden thun koͤnnen, oder einraͤumen, daß ſie ſich nicht ſel- ten mit ihren Urtheilen als Unchriſten erzeigen. (3) Widerſprechen ihrer viele gar oͤffters ihren eigenen Urtheilen, und reden wider ſich ſelbſt. So bald als ein Hoͤherer, z. E. ein Fuͤrſt, ein Reichs-Graf, ſich zu ihrem Stand wendet, und eine eheliche Af- fection auf ein Adelich Fraͤulein wirfft, oder ein reicher Cavalier eines Hoch-Edlen oder ſonſt cha- racteriſirten Buͤrgers Tochter heyrathen will, ſo erkennt diejenige Famlie, die das Gluͤck hat, mit ei- nem Hoͤhern alliirt zu werden/ es alſobald vor ein Werck

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/616>, abgerufen am 22.11.2024.