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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Verehlichung.
schen Umgang vor einen bösen Schein und vor ein
höchst ärgerliches Leben ansehen würden, zu einem
Mährlein und zu einem Spott werden, und was
vor mehrere Bewegungs-Gründe etwan sie deter-
mini
ren können, daß sie ihren Freundschaffts-Con-
tract
durch Priesters Hand befestigen lassen.

§. 21. Es erfolge die Trauung, oder sie erfolge
nicht, so ist und bleibet dennoch diese Verbindung
nichts anders als eine Freundschafft, die zwar mit
dem Ehestande einige Aehnlichkeit hat, nichts desto
weniger aber gar sehr von ihm unterschieden. Es
fehlet ja hier hauptsächlich der Consens und die
Einwilligung zur Ehe, die das Hauptwerck aus-
macht. Sie wollen nicht Ehe-Leute seyn, sondern
keusche und vertraute Freunde, und müssen, um der
im vorhergehenden angeführten Gründe willen, den
Schein von sich geben, als ob sie Ehe-Leute wären.
Der Haupt-Endzweck der Ehe, der bißanhero von
den meisten unserer Gottes- und Rechtsgelehrten
davor gehalten worden, nemlich die Zeugung der
Kinder, und Löschung der Brunst, fehlet hier. Der
Grund ihrer Liebe ist nicht die Vereinigung der Lei-
ber, wie unter Ehe-Leuten, sondern die Vereinigung
der Gemüther. Es wird auch wohl hierbey ein
Unterschied unter den Nahmen vorkommen. Die
Person männlichen Geschlechts wird das Frauen-
zimmer, wenn er von ihr redet, nicht seine Frau, sei-
nen Ehegatten, sein Eheweib u. s. w. nennen, sondern
seine Liebste, seine Haußwirthin, seine beste Freun-
din; das Frauenzimmer wird ihn nicht ihren

Mann,
Q q

Von der Verehlichung.
ſchen Umgang vor einen boͤſen Schein und vor ein
hoͤchſt aͤrgerliches Leben anſehen wuͤrden, zu einem
Maͤhrlein und zu einem Spott werden, und was
vor mehrere Bewegungs-Gruͤnde etwan ſie deter-
mini
ren koͤnnen, daß ſie ihren Freundſchaffts-Con-
tract
durch Prieſters Hand befeſtigen laſſen.

§. 21. Es erfolge die Trauung, oder ſie erfolge
nicht, ſo iſt und bleibet dennoch dieſe Verbindung
nichts anders als eine Freundſchafft, die zwar mit
dem Eheſtande einige Aehnlichkeit hat, nichts deſto
weniger aber gar ſehr von ihm unterſchieden. Es
fehlet ja hier hauptſaͤchlich der Conſens und die
Einwilligung zur Ehe, die das Hauptwerck aus-
macht. Sie wollen nicht Ehe-Leute ſeyn, ſondern
keuſche und vertraute Freunde, und muͤſſen, um der
im vorhergehenden angefuͤhrten Gruͤnde willen, den
Schein von ſich geben, als ob ſie Ehe-Leute waͤren.
Der Haupt-Endzweck der Ehe, der bißanhero von
den meiſten unſerer Gottes- und Rechtsgelehrten
davor gehalten worden, nemlich die Zeugung der
Kinder, und Loͤſchung der Brunſt, fehlet hier. Der
Grund ihrer Liebe iſt nicht die Vereinigung der Lei-
ber, wie unter Ehe-Leuten, ſondern die Vereinigung
der Gemuͤther. Es wird auch wohl hierbey ein
Unterſchied unter den Nahmen vorkommen. Die
Perſon maͤnnlichen Geſchlechts wird das Frauen-
zimmer, wenn er von ihr redet, nicht ſeine Frau, ſei-
nen Ehegatten, ſein Eheweib u. ſ. w. nennen, ſondern
ſeine Liebſte, ſeine Haußwirthin, ſeine beſte Freun-
din; das Frauenzimmer wird ihn nicht ihren

Mann,
Q q
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[609/0629] Von der Verehlichung. ſchen Umgang vor einen boͤſen Schein und vor ein hoͤchſt aͤrgerliches Leben anſehen wuͤrden, zu einem Maͤhrlein und zu einem Spott werden, und was vor mehrere Bewegungs-Gruͤnde etwan ſie deter- miniren koͤnnen, daß ſie ihren Freundſchaffts-Con- tract durch Prieſters Hand befeſtigen laſſen. §. 21. Es erfolge die Trauung, oder ſie erfolge nicht, ſo iſt und bleibet dennoch dieſe Verbindung nichts anders als eine Freundſchafft, die zwar mit dem Eheſtande einige Aehnlichkeit hat, nichts deſto weniger aber gar ſehr von ihm unterſchieden. Es fehlet ja hier hauptſaͤchlich der Conſens und die Einwilligung zur Ehe, die das Hauptwerck aus- macht. Sie wollen nicht Ehe-Leute ſeyn, ſondern keuſche und vertraute Freunde, und muͤſſen, um der im vorhergehenden angefuͤhrten Gruͤnde willen, den Schein von ſich geben, als ob ſie Ehe-Leute waͤren. Der Haupt-Endzweck der Ehe, der bißanhero von den meiſten unſerer Gottes- und Rechtsgelehrten davor gehalten worden, nemlich die Zeugung der Kinder, und Loͤſchung der Brunſt, fehlet hier. Der Grund ihrer Liebe iſt nicht die Vereinigung der Lei- ber, wie unter Ehe-Leuten, ſondern die Vereinigung der Gemuͤther. Es wird auch wohl hierbey ein Unterſchied unter den Nahmen vorkommen. Die Perſon maͤnnlichen Geſchlechts wird das Frauen- zimmer, wenn er von ihr redet, nicht ſeine Frau, ſei- nen Ehegatten, ſein Eheweib u. ſ. w. nennen, ſondern ſeine Liebſte, ſeine Haußwirthin, ſeine beſte Freun- din; das Frauenzimmer wird ihn nicht ihren Mann, Q q

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/629>, abgerufen am 21.11.2024.