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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XVII. Capitul.
ärmste Bauer bitten solte; er ist zufrieden mit sei-
nen Mit-Gevattern, wenn es nur ehrliche und un-
bescholtene Leute sind, die in dem bürgerlichen Um-
gange bey andern ehrlichen Leuten geduldet wer-
den.

§. 10. Er ist gegen die Eltern und gegen die Mit-
Gevattern liebreich, höflich und freundlich, so viel
als die Christen-Pflicht erfordert, siehet aber doch
auch zugleich auf seinen Stand und übrigen Um-
stände, und führet sich hierbey vernünfftig auf; er
macht nicht solche grosse Complimens gegen dieje-
nigen, die dergleichen nicht gewohnt, oder nach ih-
ren Umständen vermuthend seyn können, daß es
nicht scheinet, als ob er sie aufziehen, und ihrer spot-
ten wolte, begegnet ihnen aber auch nicht unhöflich.
Hat er das heilige Werck verrichtet, und nach ge-
wöhnlichem Gebrauch bey den Eltern seinen Besuch
abgestattet, so verfügt er sich nach Hause, um ihnen
nicht, durch Vorsetzung einiger Speisen und Ge-
träncke, Beschwerlichkeit zu verursachen. Dafern
sie, oder seine Mit-Gevattern aber ihn inständig er-
suchen, zu bleiben, und sonst gar mißvergnügt darü-
ber seyn würden, so läst er sichs auch gefallen; er ist
mit der Kost, die sie ihm vorsetzen, sie mag schlecht
oder herrlich seyn, gantz wohl zufrieden, isset und
trincket mäßig, erzeiget sich mit seinen Mit-Gevat-
tern, unter steter Beobachtung der Regeln der Klug-
heit/ gantz vergnügt, und gehet bey Zeiten wieder
nach Hause.

§. 11. Uber dieses hilfft er vor die Auferziehung

seines

II. Theil. XVII. Capitul.
aͤrmſte Bauer bitten ſolte; er iſt zufrieden mit ſei-
nen Mit-Gevattern, wenn es nur ehrliche und un-
beſcholtene Leute ſind, die in dem buͤrgerlichen Um-
gange bey andern ehrlichen Leuten geduldet wer-
den.

§. 10. Er iſt gegen die Eltern und gegen die Mit-
Gevattern liebreich, hoͤflich und freundlich, ſo viel
als die Chriſten-Pflicht erfordert, ſiehet aber doch
auch zugleich auf ſeinen Stand und uͤbrigen Um-
ſtaͤnde, und fuͤhret ſich hierbey vernuͤnfftig auf; er
macht nicht ſolche groſſe Complimens gegen dieje-
nigen, die dergleichen nicht gewohnt, oder nach ih-
ren Umſtaͤnden vermuthend ſeyn koͤnnen, daß es
nicht ſcheinet, als ob er ſie aufziehen, und ihrer ſpot-
ten wolte, begegnet ihnen aber auch nicht unhoͤflich.
Hat er das heilige Werck verrichtet, und nach ge-
woͤhnlichem Gebrauch bey den Eltern ſeinen Beſuch
abgeſtattet, ſo verfuͤgt er ſich nach Hauſe, um ihnen
nicht, durch Vorſetzung einiger Speiſen und Ge-
traͤncke, Beſchwerlichkeit zu verurſachen. Dafern
ſie, oder ſeine Mit-Gevattern aber ihn inſtaͤndig er-
ſuchen, zu bleiben, und ſonſt gar mißvergnuͤgt daruͤ-
ber ſeyn wuͤrden, ſo laͤſt er ſichs auch gefallen; er iſt
mit der Koſt, die ſie ihm vorſetzen, ſie mag ſchlecht
oder herrlich ſeyn, gantz wohl zufrieden, iſſet und
trincket maͤßig, erzeiget ſich mit ſeinen Mit-Gevat-
tern, unter ſteter Beobachtung der Regeln der Klug-
heit/ gantz vergnuͤgt, und gehet bey Zeiten wieder
nach Hauſe.

§. 11. Uber dieſes hilfft er vor die Auferziehung

ſeines
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[646/0666] II. Theil. XVII. Capitul. aͤrmſte Bauer bitten ſolte; er iſt zufrieden mit ſei- nen Mit-Gevattern, wenn es nur ehrliche und un- beſcholtene Leute ſind, die in dem buͤrgerlichen Um- gange bey andern ehrlichen Leuten geduldet wer- den. §. 10. Er iſt gegen die Eltern und gegen die Mit- Gevattern liebreich, hoͤflich und freundlich, ſo viel als die Chriſten-Pflicht erfordert, ſiehet aber doch auch zugleich auf ſeinen Stand und uͤbrigen Um- ſtaͤnde, und fuͤhret ſich hierbey vernuͤnfftig auf; er macht nicht ſolche groſſe Complimens gegen dieje- nigen, die dergleichen nicht gewohnt, oder nach ih- ren Umſtaͤnden vermuthend ſeyn koͤnnen, daß es nicht ſcheinet, als ob er ſie aufziehen, und ihrer ſpot- ten wolte, begegnet ihnen aber auch nicht unhoͤflich. Hat er das heilige Werck verrichtet, und nach ge- woͤhnlichem Gebrauch bey den Eltern ſeinen Beſuch abgeſtattet, ſo verfuͤgt er ſich nach Hauſe, um ihnen nicht, durch Vorſetzung einiger Speiſen und Ge- traͤncke, Beſchwerlichkeit zu verurſachen. Dafern ſie, oder ſeine Mit-Gevattern aber ihn inſtaͤndig er- ſuchen, zu bleiben, und ſonſt gar mißvergnuͤgt daruͤ- ber ſeyn wuͤrden, ſo laͤſt er ſichs auch gefallen; er iſt mit der Koſt, die ſie ihm vorſetzen, ſie mag ſchlecht oder herrlich ſeyn, gantz wohl zufrieden, iſſet und trincket maͤßig, erzeiget ſich mit ſeinen Mit-Gevat- tern, unter ſteter Beobachtung der Regeln der Klug- heit/ gantz vergnuͤgt, und gehet bey Zeiten wieder nach Hauſe. §. 11. Uber dieſes hilfft er vor die Auferziehung ſeines

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/666>, abgerufen am 22.11.2024.