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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Begräbnissen.
Gottesacker-Kirchen, vor Uppigkeit, ja öffters vor
Hurerey und Unzucht unter dem bösen Gesindet bey
dieser Gelegenheit vorzugehen pflegt.

§. 8. Die Leichen-Predigten haben auf gewisse
Maße ihren guten Grund. Es ist billig, daß man
den löblich-geführten Lebens-Wandel rechtschaf-
fener und wohlverdienter Personen, beyderley Ge-
schlechts, deren Andencken jederzeit im Seegen blei-
ben soll, denen andern zu einer guten Nachfolge, öf-
fentlich vorstelle. Es ist auch gut, daß manche Zu-
hörer/ die sonst sehr selten an den Tod gedencken, bey
dieser Gelegenheit, wider ihren Willen, ihres Ster-
bens erinnert werden. Zu beklagen aber ists daß
sie heutiges Tages gröstentheils zu einem Staats-
und Gewohnheits-Werck geworden. Jst der
Priester nicht ein wahrer Gläubiger, so wird aus der
Leichen-Predigt eine leichte und leichtsinnige, ja
wohl gar eine Lügen-Predigt. Da heist es, wie
sich der selig Verstorbene den von ihm selbst erwehl-
ten Leichen-Text bey allen Fällen zu Nutz gemacht,
da er doch manchmahl keinen einzigen Spruch gött-
licher heiliger Schrifft mehr im Kopff gehabt, und
an seinen Leichen-Text wohl nicht eher gedacht, biß
ihm der Priester und Beicht-Vater unterschiedene
auf seinem Sterbe-Bette vorgeschlagen, und er sich
einen daraus ausgelesen. Jst der Verstorbene von
vornehmen Hause und hoher Bedienung, oder sei-
ne Hinterlassenen sind bey der Stadt angesehene
Leute, oder der Priester weiß, daß er einen stattlichen
Recompens vor seine Mühe werde zu gewarten

haben,

Von Begraͤbniſſen.
Gottesacker-Kirchen, vor Uppigkeit, ja oͤffters vor
Hurerey und Unzucht unter dem boͤſen Geſindet bey
dieſer Gelegenheit vorzugehen pflegt.

§. 8. Die Leichen-Predigten haben auf gewiſſe
Maße ihren guten Grund. Es iſt billig, daß man
den loͤblich-gefuͤhrten Lebens-Wandel rechtſchaf-
fener und wohlverdienter Perſonen, beyderley Ge-
ſchlechts, deren Andencken jederzeit im Seegen blei-
ben ſoll, denen andern zu einer guten Nachfolge, oͤf-
fentlich vorſtelle. Es iſt auch gut, daß manche Zu-
hoͤrer/ die ſonſt ſehr ſelten an den Tod gedencken, bey
dieſer Gelegenheit, wider ihren Willen, ihres Ster-
bens erinnert werden. Zu beklagen aber iſts daß
ſie heutiges Tages groͤſtentheils zu einem Staats-
und Gewohnheits-Werck geworden. Jſt der
Prieſter nicht ein wahrer Glaͤubiger, ſo wird aus der
Leichen-Predigt eine leichte und leichtſinnige, ja
wohl gar eine Luͤgen-Predigt. Da heiſt es, wie
ſich der ſelig Verſtorbene den von ihm ſelbſt erwehl-
ten Leichen-Text bey allen Faͤllen zu Nutz gemacht,
da er doch manchmahl keinen einzigen Spruch goͤtt-
licher heiliger Schrifft mehr im Kopff gehabt, und
an ſeinen Leichen-Text wohl nicht eher gedacht, biß
ihm der Prieſter und Beicht-Vater unterſchiedene
auf ſeinem Sterbe-Bette vorgeſchlagen, und er ſich
einen daraus ausgeleſen. Jſt der Verſtorbene von
vornehmen Hauſe und hoher Bedienung, oder ſei-
ne Hinterlaſſenen ſind bey der Stadt angeſehene
Leute, oder der Prieſter weiß, daß er einen ſtattlichen
Recompens vor ſeine Muͤhe werde zu gewarten

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[667/0687] Von Begraͤbniſſen. Gottesacker-Kirchen, vor Uppigkeit, ja oͤffters vor Hurerey und Unzucht unter dem boͤſen Geſindet bey dieſer Gelegenheit vorzugehen pflegt. §. 8. Die Leichen-Predigten haben auf gewiſſe Maße ihren guten Grund. Es iſt billig, daß man den loͤblich-gefuͤhrten Lebens-Wandel rechtſchaf- fener und wohlverdienter Perſonen, beyderley Ge- ſchlechts, deren Andencken jederzeit im Seegen blei- ben ſoll, denen andern zu einer guten Nachfolge, oͤf- fentlich vorſtelle. Es iſt auch gut, daß manche Zu- hoͤrer/ die ſonſt ſehr ſelten an den Tod gedencken, bey dieſer Gelegenheit, wider ihren Willen, ihres Ster- bens erinnert werden. Zu beklagen aber iſts daß ſie heutiges Tages groͤſtentheils zu einem Staats- und Gewohnheits-Werck geworden. Jſt der Prieſter nicht ein wahrer Glaͤubiger, ſo wird aus der Leichen-Predigt eine leichte und leichtſinnige, ja wohl gar eine Luͤgen-Predigt. Da heiſt es, wie ſich der ſelig Verſtorbene den von ihm ſelbſt erwehl- ten Leichen-Text bey allen Faͤllen zu Nutz gemacht, da er doch manchmahl keinen einzigen Spruch goͤtt- licher heiliger Schrifft mehr im Kopff gehabt, und an ſeinen Leichen-Text wohl nicht eher gedacht, biß ihm der Prieſter und Beicht-Vater unterſchiedene auf ſeinem Sterbe-Bette vorgeſchlagen, und er ſich einen daraus ausgeleſen. Jſt der Verſtorbene von vornehmen Hauſe und hoher Bedienung, oder ſei- ne Hinterlaſſenen ſind bey der Stadt angeſehene Leute, oder der Prieſter weiß, daß er einen ſtattlichen Recompens vor ſeine Muͤhe werde zu gewarten haben,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/687>, abgerufen am 22.11.2024.