haben, so werden seine Verdienste, die doch bißwei- len mehr als zu schlecht sind, trefflich herausgestri- chen. Es wird mancher mit dem Lobe biß in den Himmel erhoben, dessen Seele doch, wegen seines Unglaubens und daraus herfliessenden Unbußfer- tigkeit des Lebens, in die Hölle gestürtzt worden. Jst nicht viel Eitelkeit bey Ablesung des Lebens- Lauffes, bey Prahlerey der Ahnen, den vielen Lei- chen-Carminibus, die darzu gedruckt werden? u. s. w.
§. 9. Was vor Mißbräuche gehen doch nicht mit der Benennung des Wortes Seelig vor, da man die Verstorbenen ohne Unterschied seelig zu nennen pflegt. Was unter denen Herren Gottes-Gelehr- ten über dieser Sache gestritten worden, ist bekandt genug. Jch pflichte hiebey dem gottseligen Autori der Klugheit der wahren, und Narrheit der falschen Christen, bey, der p. 175 der Meynung ist: Man könte den Titul, Seelig, endlich noch wohl behal- ten, jedoch mit dieser Bedingung, daß man ihn nicht zur Sicherheit mißbrauchte, sondern denselben also verstünde, daß man wünschet und hoffet, es möch- ten die Abgeschiedenen, wo nicht eher, doch noch in dem letzten Seuffzer sich bußfertig zu CHristo ge- wendet, und ihn mit seinem heiligen Verdienst er- griffen haben.
§. 10. Es ist eine Schande, daß manche, die doch in dem Zeitlichen so klug und weise sind, bey den geistlichen Dingen sich öffters so alber und einfältig aufführen; sie erweisen es nicht allein dey ihren
seltza-
II. Theil. XIX. Capitul.
haben, ſo werden ſeine Verdienſte, die doch bißwei- len mehr als zu ſchlecht ſind, trefflich herausgeſtri- chen. Es wird mancher mit dem Lobe biß in den Himmel erhoben, deſſen Seele doch, wegen ſeines Unglaubens und daraus herflieſſenden Unbußfer- tigkeit des Lebens, in die Hoͤlle geſtuͤrtzt worden. Jſt nicht viel Eitelkeit bey Ableſung des Lebens- Lauffes, bey Prahlerey der Ahnen, den vielen Lei- chen-Carminibus, die darzu gedruckt werden? u. ſ. w.
§. 9. Was vor Mißbraͤuche gehen doch nicht mit der Benennung des Wortes Seelig vor, da man die Verſtorbenen ohne Unterſchied ſeelig zu nennen pflegt. Was unter denen Herren Gottes-Gelehr- ten uͤber dieſer Sache geſtritten worden, iſt bekandt genug. Jch pflichte hiebey dem gottſeligen Autori der Klugheit der wahren, und Narrheit der falſchen Chriſten, bey, der p. 175 der Meynung iſt: Man koͤnte den Titul, Seelig, endlich noch wohl behal- ten, jedoch mit dieſer Bedingung, daß man ihn nicht zur Sicherheit mißbrauchte, ſondern denſelben alſo verſtuͤnde, daß man wuͤnſchet und hoffet, es moͤch- ten die Abgeſchiedenen, wo nicht eher, doch noch in dem letzten Seuffzer ſich bußfertig zu CHriſto ge- wendet, und ihn mit ſeinem heiligen Verdienſt er- griffen haben.
§. 10. Es iſt eine Schande, daß manche, die doch in dem Zeitlichen ſo klug und weiſe ſind, bey den geiſtlichen Dingen ſich oͤffters ſo alber und einfaͤltig auffuͤhren; ſie erweiſen es nicht allein dey ihren
ſeltza-
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II. Theil. XIX. Capitul.
haben, ſo werden ſeine Verdienſte, die doch bißwei-
len mehr als zu ſchlecht ſind, trefflich herausgeſtri-
chen. Es wird mancher mit dem Lobe biß in den
Himmel erhoben, deſſen Seele doch, wegen ſeines
Unglaubens und daraus herflieſſenden Unbußfer-
tigkeit des Lebens, in die Hoͤlle geſtuͤrtzt worden.
Jſt nicht viel Eitelkeit bey Ableſung des Lebens-
Lauffes, bey Prahlerey der Ahnen, den vielen Lei-
chen-Carminibus, die darzu gedruckt werden?
u. ſ. w.
§. 9. Was vor Mißbraͤuche gehen doch nicht mit
der Benennung des Wortes Seelig vor, da man
die Verſtorbenen ohne Unterſchied ſeelig zu nennen
pflegt. Was unter denen Herren Gottes-Gelehr-
ten uͤber dieſer Sache geſtritten worden, iſt bekandt
genug. Jch pflichte hiebey dem gottſeligen Autori
der Klugheit der wahren, und Narrheit der falſchen
Chriſten, bey, der p. 175 der Meynung iſt: Man
koͤnte den Titul, Seelig, endlich noch wohl behal-
ten, jedoch mit dieſer Bedingung, daß man ihn nicht
zur Sicherheit mißbrauchte, ſondern denſelben alſo
verſtuͤnde, daß man wuͤnſchet und hoffet, es moͤch-
ten die Abgeſchiedenen, wo nicht eher, doch noch in
dem letzten Seuffzer ſich bußfertig zu CHriſto ge-
wendet, und ihn mit ſeinem heiligen Verdienſt er-
griffen haben.
§. 10. Es iſt eine Schande, daß manche, die doch
in dem Zeitlichen ſo klug und weiſe ſind, bey den
geiſtlichen Dingen ſich oͤffters ſo alber und einfaͤltig
auffuͤhren; ſie erweiſen es nicht allein dey ihren
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/688>, abgerufen am 22.11.2024.
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