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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Titul-Wesen und Praedicaten.
ren waren die Chur-Fürstlichen und Fürstlichen
Princeßinnen mit dem Titul der Fräulein zu frieden
und bey unsrer Zeit fangen manche von den adeli-
chen ledigen Frauenzimmer an das Maul zu rumpf-
fen, wenn man sie Fräulein schlecht weg nennt, und
nicht das Ehren-Beywort Gnädig hinzufügt, oder
sie gerne ihren Ehrgeitz zu sättigen, und den Kützel
ihrer Ohren zu vergnügen, mit Jhro Gnaden,
Gnädig Fräulein, betitulirt. Unsere Groß-Väter,
von adelichen Stande, begnügten sich, wenn sie von
den Geringern Jhro Gestrengten genennt wur-
den, und viele von unsern jetzigen Cavaliern, wür-
den denjenigen vor einen Phantasten halten, der sie
unter dieser Benennung beehren wolte. Unsere
adelichen Mütter und Groß-Mütter hießen von ein
50. biß 60. Jahren noch Jungfern, und jetzund
will sich fast eines gemeinen Kramers-Tochter die-
ses Tituls schämen, und das Wort Mademoiselle
lieber hören. Es sind auch wohl einige Titulatu-
ren an einigen Orten, meines Erachtens, von ein
zwantzig Jahren her, auf einen höhern Grad getrie-
ben worden. Also war es zu Eingang dieses Se-
culi
noch ziemlich fremde und unbekandt, daß man
die hohen Staats-Ministres mit dem Bey-
Wort, Jhro Hohe Excellenz beehrte, oder ihre
Gemahlinnen, Jhro Excellenz titulirte, welches zu
unsern Zeiten Mode worden.

§. 5. Von den Zeiten an, da man angefangen,
bey den Tituln mehr auf die Geburth, als auf die
Tugend, mehr auf bloße Dienste, als Verdienste,

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Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
ren waren die Chur-Fuͤrſtlichen und Fuͤrſtlichen
Princeßinnen mit dem Titul der Fraͤulein zu frieden
und bey unſrer Zeit fangen manche von den adeli-
chen ledigen Frauenzimmer an das Maul zu rumpf-
fen, wenn man ſie Fraͤulein ſchlecht weg nennt, und
nicht das Ehren-Beywort Gnaͤdig hinzufuͤgt, oder
ſie gerne ihren Ehrgeitz zu ſaͤttigen, und den Kuͤtzel
ihrer Ohren zu vergnuͤgen, mit Jhro Gnaden,
Gnaͤdig Fraͤulein, betitulirt. Unſere Groß-Vaͤter,
von adelichen Stande, begnuͤgten ſich, wenn ſie von
den Geringern Jhro Geſtrengten genennt wur-
den, und viele von unſern jetzigen Cavaliern, wuͤr-
den denjenigen vor einen Phantaſten halten, der ſie
unter dieſer Benennung beehren wolte. Unſere
adelichen Muͤtter und Groß-Muͤtter hießen von ein
50. biß 60. Jahren noch Jungfern, und jetzund
will ſich faſt eines gemeinen Kramers-Tochter die-
ſes Tituls ſchaͤmen, und das Wort Mademoiſelle
lieber hoͤren. Es ſind auch wohl einige Titulatu-
ren an einigen Orten, meines Erachtens, von ein
zwantzig Jahren her, auf einen hoͤhern Grad getrie-
ben worden. Alſo war es zu Eingang dieſes Se-
culi
noch ziemlich fremde und unbekandt, daß man
die hohen Staats-Miniſtres mit dem Bey-
Wort, Jhro Hohe Excellenz beehrte, oder ihre
Gemahlinnen, Jhro Excellenz titulirte, welches zu
unſern Zeiten Mode worden.

§. 5. Von den Zeiten an, da man angefangen,
bey den Tituln mehr auf die Geburth, als auf die
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[57/0077] Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. ren waren die Chur-Fuͤrſtlichen und Fuͤrſtlichen Princeßinnen mit dem Titul der Fraͤulein zu frieden und bey unſrer Zeit fangen manche von den adeli- chen ledigen Frauenzimmer an das Maul zu rumpf- fen, wenn man ſie Fraͤulein ſchlecht weg nennt, und nicht das Ehren-Beywort Gnaͤdig hinzufuͤgt, oder ſie gerne ihren Ehrgeitz zu ſaͤttigen, und den Kuͤtzel ihrer Ohren zu vergnuͤgen, mit Jhro Gnaden, Gnaͤdig Fraͤulein, betitulirt. Unſere Groß-Vaͤter, von adelichen Stande, begnuͤgten ſich, wenn ſie von den Geringern Jhro Geſtrengten genennt wur- den, und viele von unſern jetzigen Cavaliern, wuͤr- den denjenigen vor einen Phantaſten halten, der ſie unter dieſer Benennung beehren wolte. Unſere adelichen Muͤtter und Groß-Muͤtter hießen von ein 50. biß 60. Jahren noch Jungfern, und jetzund will ſich faſt eines gemeinen Kramers-Tochter die- ſes Tituls ſchaͤmen, und das Wort Mademoiſelle lieber hoͤren. Es ſind auch wohl einige Titulatu- ren an einigen Orten, meines Erachtens, von ein zwantzig Jahren her, auf einen hoͤhern Grad getrie- ben worden. Alſo war es zu Eingang dieſes Se- culi noch ziemlich fremde und unbekandt, daß man die hohen Staats-Miniſtres mit dem Bey- Wort, Jhro Hohe Excellenz beehrte, oder ihre Gemahlinnen, Jhro Excellenz titulirte, welches zu unſern Zeiten Mode worden. §. 5. Von den Zeiten an, da man angefangen, bey den Tituln mehr auf die Geburth, als auf die Tugend, mehr auf bloße Dienſte, als Verdienſte, mehr D 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/77>, abgerufen am 27.11.2024.