Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. II. Capitul.
lassen. Es wollen aber auch theils die allzuweite
Entfernung, und die allzugrossen Unkosten die zu ei-
ner solchen Reise erfordert würden, theils die
Nothwendigkeit der Regierungs-Geschäffte, theils
und vornehmlich aber das verdrüßliche Ceremo-
niel-
Wesen, dergleichen Visiten nicht allezeit ver-
statten. Es würden auch zuweilen dergleichen
Zusammenkünffte, wenn die grossen Herren von
allzu discrepanten Gemüths-Neigungen seyn,
mehr hindern als befördern, mehr schaden als
nützen.

§. 2. Zu Vermeydung mancherley Praecedenz-
Streitigkeiten haben die grossen Herren ein Mittel
gefunden, nemlich unter einen angenommenen Cha-
racter,
oder incognito sich aufzuführen; iedoch
wollen der Wohlstand, die Umstände und vorfal-
lenden Begebenheiten nicht allemahl verstatten,
sich solches Mittels zu bedienen, sondern es fügt
sich gar offt, daß die Majestäten und ihnen gleich-
geltenden Personen unter denen ihnen angestamm-
ten, oder durch andere aufgetragenen Character mit
einander concurriren.

§. 3. Bey den Zusammenkünfften siehet man
mehrentheils auf das Herkommen, und auf die
Possess. Wo man aber keine Exempel vor sich hat,
darauf man sicher fußen kan, wird vorhero alles von
denjenigen Theilen, so mit einander concurriren
wollen, genau überlegt, und endlich durch gemein-
schafftlichen Consens ein solches Reglement abge-
faßt, daß einen ieden das gehörige mitgetheilet, und

der

II. Theil. II. Capitul.
laſſen. Es wollen aber auch theils die allzuweite
Entfernung, und die allzugroſſen Unkoſten die zu ei-
ner ſolchen Reiſe erfordert wuͤrden, theils die
Nothwendigkeit der Regierungs-Geſchaͤffte, theils
und vornehmlich aber das verdruͤßliche Ceremo-
niel-
Weſen, dergleichen Viſiten nicht allezeit ver-
ſtatten. Es wuͤrden auch zuweilen dergleichen
Zuſammenkuͤnffte, wenn die groſſen Herren von
allzu diſcrepanten Gemuͤths-Neigungen ſeyn,
mehr hindern als befoͤrdern, mehr ſchaden als
nuͤtzen.

§. 2. Zu Vermeydung mancherley Præcedenz-
Streitigkeiten haben die groſſen Herren ein Mittel
gefunden, nemlich unter einen angenommenen Cha-
racter,
oder incognito ſich aufzufuͤhren; iedoch
wollen der Wohlſtand, die Umſtaͤnde und vorfal-
lenden Begebenheiten nicht allemahl verſtatten,
ſich ſolches Mittels zu bedienen, ſondern es fuͤgt
ſich gar offt, daß die Majeſtaͤten und ihnen gleich-
geltenden Perſonen unter denen ihnen angeſtamm-
ten, oder durch andere aufgetragenen Character mit
einander concurriren.

§. 3. Bey den Zuſammenkuͤnfften ſiehet man
mehrentheils auf das Herkommen, und auf die
Poſſeſs. Wo man aber keine Exempel vor ſich hat,
darauf man ſicher fußen kan, wird vorhero alles von
denjenigen Theilen, ſo mit einander concurriren
wollen, genau uͤberlegt, und endlich durch gemein-
ſchafftlichen Conſens ein ſolches Reglement abge-
faßt, daß einen ieden das gehoͤrige mitgetheilet, und

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0382" n="358"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">II.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Es wollen aber auch theils die allzuweite<lb/>
Entfernung, und die allzugro&#x017F;&#x017F;en Unko&#x017F;ten die zu ei-<lb/>
ner &#x017F;olchen Rei&#x017F;e erfordert wu&#x0364;rden, theils die<lb/>
Nothwendigkeit der Regierungs-Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte, theils<lb/>
und vornehmlich aber das verdru&#x0364;ßliche <hi rendition="#aq">Ceremo-<lb/>
niel-</hi>We&#x017F;en, dergleichen <hi rendition="#aq">Vi&#x017F;it</hi>en nicht allezeit ver-<lb/>
&#x017F;tatten. Es wu&#x0364;rden auch zuweilen dergleichen<lb/>
Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nffte, wenn die gro&#x017F;&#x017F;en Herren von<lb/>
allzu <hi rendition="#aq">di&#x017F;crepant</hi>en Gemu&#x0364;ths-Neigungen &#x017F;eyn,<lb/>
mehr hindern als befo&#x0364;rdern, mehr &#x017F;chaden als<lb/>
nu&#x0364;tzen.</p><lb/>
          <p>§. 2. Zu Vermeydung mancherley <hi rendition="#aq">Præcedenz-</hi><lb/>
Streitigkeiten haben die gro&#x017F;&#x017F;en Herren ein Mittel<lb/>
gefunden, nemlich unter einen angenommenen <hi rendition="#aq">Cha-<lb/>
racter,</hi> oder <hi rendition="#aq">incognito</hi> &#x017F;ich aufzufu&#x0364;hren; iedoch<lb/>
wollen der Wohl&#x017F;tand, die Um&#x017F;ta&#x0364;nde und vorfal-<lb/>
lenden Begebenheiten nicht allemahl ver&#x017F;tatten,<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;olches Mittels zu bedienen, &#x017F;ondern es fu&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;ich gar offt, daß die Maje&#x017F;ta&#x0364;ten und ihnen gleich-<lb/>
geltenden Per&#x017F;onen unter denen ihnen ange&#x017F;tamm-<lb/>
ten, oder durch andere aufgetragenen <hi rendition="#aq">Character</hi> mit<lb/>
einander <hi rendition="#aq">concurri</hi>ren.</p><lb/>
          <p>§. 3. Bey den Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nfften &#x017F;iehet man<lb/>
mehrentheils auf das Herkommen, und auf die<lb/><hi rendition="#aq">Po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;s.</hi> Wo man aber keine Exempel vor &#x017F;ich hat,<lb/>
darauf man &#x017F;icher fußen kan, wird vorhero alles von<lb/>
denjenigen Theilen, &#x017F;o mit einander <hi rendition="#aq">concurri</hi>ren<lb/>
wollen, genau u&#x0364;berlegt, und endlich durch gemein-<lb/>
&#x017F;chafftlichen <hi rendition="#aq">Con&#x017F;ens</hi> ein &#x017F;olches <hi rendition="#aq">Reglement</hi> abge-<lb/>
faßt, daß einen ieden das geho&#x0364;rige mitgetheilet, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0382] II. Theil. II. Capitul. laſſen. Es wollen aber auch theils die allzuweite Entfernung, und die allzugroſſen Unkoſten die zu ei- ner ſolchen Reiſe erfordert wuͤrden, theils die Nothwendigkeit der Regierungs-Geſchaͤffte, theils und vornehmlich aber das verdruͤßliche Ceremo- niel-Weſen, dergleichen Viſiten nicht allezeit ver- ſtatten. Es wuͤrden auch zuweilen dergleichen Zuſammenkuͤnffte, wenn die groſſen Herren von allzu diſcrepanten Gemuͤths-Neigungen ſeyn, mehr hindern als befoͤrdern, mehr ſchaden als nuͤtzen. §. 2. Zu Vermeydung mancherley Præcedenz- Streitigkeiten haben die groſſen Herren ein Mittel gefunden, nemlich unter einen angenommenen Cha- racter, oder incognito ſich aufzufuͤhren; iedoch wollen der Wohlſtand, die Umſtaͤnde und vorfal- lenden Begebenheiten nicht allemahl verſtatten, ſich ſolches Mittels zu bedienen, ſondern es fuͤgt ſich gar offt, daß die Majeſtaͤten und ihnen gleich- geltenden Perſonen unter denen ihnen angeſtamm- ten, oder durch andere aufgetragenen Character mit einander concurriren. §. 3. Bey den Zuſammenkuͤnfften ſiehet man mehrentheils auf das Herkommen, und auf die Poſſeſs. Wo man aber keine Exempel vor ſich hat, darauf man ſicher fußen kan, wird vorhero alles von denjenigen Theilen, ſo mit einander concurriren wollen, genau uͤberlegt, und endlich durch gemein- ſchafftlichen Conſens ein ſolches Reglement abge- faßt, daß einen ieden das gehoͤrige mitgetheilet, und der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/382
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/382>, abgerufen am 24.11.2024.