und Residenz, oder auch an einen dritten Orte, stets eines solchen Ceremoniels gegen denselben bedient, wodurch sein Vorzug vor dem andern kenntlich bleibt, ob er ihm gleich sonst alle nur er- sinnliche Höflichkeit beweiset. Der niedrige aber, er gebe oder bekomme eine Visite, muß allemahl ein solch Ceremoniel geben oder annehmen, durch welches den höhern ein mercklicher Vorzug gelas- sen wird. Sind aber die Persohnen, so mit ein- ander concurriren, von gleichen Range, z. E. ein König mit einem König, ein Churfürst mit einem Churfürsten, ein Cardinal mit einem Cardinal, so genüssen sie auch ein gleiches Ceremoniel in Essen, Unterredungen, in Sitzen, bey Bedeckungen des Haupts u. s. w. iedoch mit diesen Unterscheid, daß der Wirth den Gast im Gehen und Sitzen und al- lenthalben die Oberhand und den Vorzug, auch sonst aus purer Höflichkeit allerhand praerogativen läst, die er ihm an einen dritten Orte nicht verstat- ten würde.
§. 7. Dergleichen Actus sind offt merae faculta- tis, und gründen sich auf allerhand veränderliche Ursachen, nemlich auf Bluts-Freundschafft, Alli- anzen, erwiesene Freundschaffts-Gefälligkeiten, u. s. w. Nachdem nun diese und andere dergleichen Ursachen fortwähren oder aufhören, nachdem wird auch mit den Ceremoniellen eine Veränderung vorgenommen, und bey dergleichen Handlungen der Höflichkeit entweder etwas zugesetzt, oder ver- mindert.
§. 8.
II. Theil. II. Capitul.
und Reſidenz, oder auch an einen dritten Orte, ſtets eines ſolchen Ceremoniels gegen denſelben bedient, wodurch ſein Vorzug vor dem andern kenntlich bleibt, ob er ihm gleich ſonſt alle nur er- ſinnliche Hoͤflichkeit beweiſet. Der niedrige aber, er gebe oder bekomme eine Viſite, muß allemahl ein ſolch Ceremoniel geben oder annehmen, durch welches den hoͤhern ein mercklicher Vorzug gelaſ- ſen wird. Sind aber die Perſohnen, ſo mit ein- ander concurriren, von gleichen Range, z. E. ein Koͤnig mit einem Koͤnig, ein Churfuͤrſt mit einem Churfuͤrſten, ein Cardinal mit einem Cardinal, ſo genuͤſſen ſie auch ein gleiches Ceremoniel in Eſſen, Unterredungen, in Sitzen, bey Bedeckungen des Haupts u. ſ. w. iedoch mit dieſen Unterſcheid, daß der Wirth den Gaſt im Gehen und Sitzen und al- lenthalben die Oberhand und den Vorzug, auch ſonſt aus purer Hoͤflichkeit allerhand prærogativen laͤſt, die er ihm an einen dritten Orte nicht verſtat- ten wuͤrde.
§. 7. Dergleichen Actus ſind offt meræ faculta- tis, und gruͤnden ſich auf allerhand veraͤnderliche Urſachen, nemlich auf Bluts-Freundſchafft, Alli- anzen, erwieſene Freundſchaffts-Gefaͤlligkeiten, u. ſ. w. Nachdem nun dieſe und andere dergleichen Urſachen fortwaͤhren oder aufhoͤren, nachdem wird auch mit den Ceremoniellen eine Veraͤnderung vorgenommen, und bey dergleichen Handlungen der Hoͤflichkeit entweder etwas zugeſetzt, oder ver- mindert.
§. 8.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0384"n="360"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. <hirendition="#aq">II.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
und <hirendition="#aq">Reſidenz,</hi> oder auch an einen dritten Orte,<lb/>ſtets eines ſolchen <hirendition="#aq">Ceremoniels</hi> gegen denſelben<lb/>
bedient, wodurch ſein Vorzug vor dem andern<lb/>
kenntlich bleibt, ob er ihm gleich ſonſt alle nur er-<lb/>ſinnliche Hoͤflichkeit beweiſet. Der niedrige aber,<lb/>
er gebe oder bekomme eine <hirendition="#aq">Viſite,</hi> muß allemahl ein<lb/>ſolch <hirendition="#aq">Ceremoniel</hi> geben oder annehmen, durch<lb/>
welches den hoͤhern ein mercklicher Vorzug gelaſ-<lb/>ſen wird. Sind aber die Perſohnen, ſo mit ein-<lb/>
ander <hirendition="#aq">concurri</hi>ren, von gleichen Range, z. E. ein<lb/>
Koͤnig mit einem Koͤnig, ein Churfuͤrſt mit einem<lb/>
Churfuͤrſten, ein <hirendition="#aq">Cardinal</hi> mit einem <hirendition="#aq">Cardinal,</hi>ſo<lb/>
genuͤſſen ſie auch ein gleiches <hirendition="#aq">Ceremoniel</hi> in Eſſen,<lb/>
Unterredungen, in Sitzen, bey Bedeckungen des<lb/>
Haupts u. ſ. w. iedoch mit dieſen Unterſcheid, daß<lb/>
der Wirth den Gaſt im Gehen und Sitzen und al-<lb/>
lenthalben die Oberhand und den Vorzug, auch<lb/>ſonſt aus purer Hoͤflichkeit allerhand <hirendition="#aq">prærogativ</hi>en<lb/>
laͤſt, die er ihm an einen dritten Orte nicht verſtat-<lb/>
ten wuͤrde.</p><lb/><p>§. 7. Dergleichen <hirendition="#aq">Actus</hi>ſind offt <hirendition="#aq">meræ faculta-<lb/>
tis,</hi> und gruͤnden ſich auf allerhand veraͤnderliche<lb/>
Urſachen, nemlich auf Bluts-Freundſchafft, <hirendition="#aq">Alli-<lb/>
anz</hi>en, erwieſene Freundſchaffts-Gefaͤlligkeiten, u.<lb/>ſ. w. Nachdem nun dieſe und andere dergleichen<lb/>
Urſachen fortwaͤhren oder aufhoͤren, nachdem wird<lb/>
auch mit den <hirendition="#aq">Ceremoniell</hi>en eine Veraͤnderung<lb/>
vorgenommen, und bey dergleichen Handlungen<lb/>
der Hoͤflichkeit entweder etwas zugeſetzt, oder ver-<lb/>
mindert.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 8.</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[360/0384]
II. Theil. II. Capitul.
und Reſidenz, oder auch an einen dritten Orte,
ſtets eines ſolchen Ceremoniels gegen denſelben
bedient, wodurch ſein Vorzug vor dem andern
kenntlich bleibt, ob er ihm gleich ſonſt alle nur er-
ſinnliche Hoͤflichkeit beweiſet. Der niedrige aber,
er gebe oder bekomme eine Viſite, muß allemahl ein
ſolch Ceremoniel geben oder annehmen, durch
welches den hoͤhern ein mercklicher Vorzug gelaſ-
ſen wird. Sind aber die Perſohnen, ſo mit ein-
ander concurriren, von gleichen Range, z. E. ein
Koͤnig mit einem Koͤnig, ein Churfuͤrſt mit einem
Churfuͤrſten, ein Cardinal mit einem Cardinal, ſo
genuͤſſen ſie auch ein gleiches Ceremoniel in Eſſen,
Unterredungen, in Sitzen, bey Bedeckungen des
Haupts u. ſ. w. iedoch mit dieſen Unterſcheid, daß
der Wirth den Gaſt im Gehen und Sitzen und al-
lenthalben die Oberhand und den Vorzug, auch
ſonſt aus purer Hoͤflichkeit allerhand prærogativen
laͤſt, die er ihm an einen dritten Orte nicht verſtat-
ten wuͤrde.
§. 7. Dergleichen Actus ſind offt meræ faculta-
tis, und gruͤnden ſich auf allerhand veraͤnderliche
Urſachen, nemlich auf Bluts-Freundſchafft, Alli-
anzen, erwieſene Freundſchaffts-Gefaͤlligkeiten, u.
ſ. w. Nachdem nun dieſe und andere dergleichen
Urſachen fortwaͤhren oder aufhoͤren, nachdem wird
auch mit den Ceremoniellen eine Veraͤnderung
vorgenommen, und bey dergleichen Handlungen
der Hoͤflichkeit entweder etwas zugeſetzt, oder ver-
mindert.
§. 8.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/384>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.