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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

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II. Theil. II. Capitul.
und Residenz, oder auch an einen dritten Orte,
stets eines solchen Ceremoniels gegen denselben
bedient, wodurch sein Vorzug vor dem andern
kenntlich bleibt, ob er ihm gleich sonst alle nur er-
sinnliche Höflichkeit beweiset. Der niedrige aber,
er gebe oder bekomme eine Visite, muß allemahl ein
solch Ceremoniel geben oder annehmen, durch
welches den höhern ein mercklicher Vorzug gelas-
sen wird. Sind aber die Persohnen, so mit ein-
ander concurriren, von gleichen Range, z. E. ein
König mit einem König, ein Churfürst mit einem
Churfürsten, ein Cardinal mit einem Cardinal, so
genüssen sie auch ein gleiches Ceremoniel in Essen,
Unterredungen, in Sitzen, bey Bedeckungen des
Haupts u. s. w. iedoch mit diesen Unterscheid, daß
der Wirth den Gast im Gehen und Sitzen und al-
lenthalben die Oberhand und den Vorzug, auch
sonst aus purer Höflichkeit allerhand praerogativen
läst, die er ihm an einen dritten Orte nicht verstat-
ten würde.

§. 7. Dergleichen Actus sind offt merae faculta-
tis,
und gründen sich auf allerhand veränderliche
Ursachen, nemlich auf Bluts-Freundschafft, Alli-
anz
en, erwiesene Freundschaffts-Gefälligkeiten, u.
s. w. Nachdem nun diese und andere dergleichen
Ursachen fortwähren oder aufhören, nachdem wird
auch mit den Ceremoniellen eine Veränderung
vorgenommen, und bey dergleichen Handlungen
der Höflichkeit entweder etwas zugesetzt, oder ver-
mindert.

§. 8.

II. Theil. II. Capitul.
und Reſidenz, oder auch an einen dritten Orte,
ſtets eines ſolchen Ceremoniels gegen denſelben
bedient, wodurch ſein Vorzug vor dem andern
kenntlich bleibt, ob er ihm gleich ſonſt alle nur er-
ſinnliche Hoͤflichkeit beweiſet. Der niedrige aber,
er gebe oder bekomme eine Viſite, muß allemahl ein
ſolch Ceremoniel geben oder annehmen, durch
welches den hoͤhern ein mercklicher Vorzug gelaſ-
ſen wird. Sind aber die Perſohnen, ſo mit ein-
ander concurriren, von gleichen Range, z. E. ein
Koͤnig mit einem Koͤnig, ein Churfuͤrſt mit einem
Churfuͤrſten, ein Cardinal mit einem Cardinal, ſo
genuͤſſen ſie auch ein gleiches Ceremoniel in Eſſen,
Unterredungen, in Sitzen, bey Bedeckungen des
Haupts u. ſ. w. iedoch mit dieſen Unterſcheid, daß
der Wirth den Gaſt im Gehen und Sitzen und al-
lenthalben die Oberhand und den Vorzug, auch
ſonſt aus purer Hoͤflichkeit allerhand prærogativen
laͤſt, die er ihm an einen dritten Orte nicht verſtat-
ten wuͤrde.

§. 7. Dergleichen Actus ſind offt meræ faculta-
tis,
und gruͤnden ſich auf allerhand veraͤnderliche
Urſachen, nemlich auf Bluts-Freundſchafft, Alli-
anz
en, erwieſene Freundſchaffts-Gefaͤlligkeiten, u.
ſ. w. Nachdem nun dieſe und andere dergleichen
Urſachen fortwaͤhren oder aufhoͤren, nachdem wird
auch mit den Ceremoniellen eine Veraͤnderung
vorgenommen, und bey dergleichen Handlungen
der Hoͤflichkeit entweder etwas zugeſetzt, oder ver-
mindert.

§. 8.
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[360/0384] II. Theil. II. Capitul. und Reſidenz, oder auch an einen dritten Orte, ſtets eines ſolchen Ceremoniels gegen denſelben bedient, wodurch ſein Vorzug vor dem andern kenntlich bleibt, ob er ihm gleich ſonſt alle nur er- ſinnliche Hoͤflichkeit beweiſet. Der niedrige aber, er gebe oder bekomme eine Viſite, muß allemahl ein ſolch Ceremoniel geben oder annehmen, durch welches den hoͤhern ein mercklicher Vorzug gelaſ- ſen wird. Sind aber die Perſohnen, ſo mit ein- ander concurriren, von gleichen Range, z. E. ein Koͤnig mit einem Koͤnig, ein Churfuͤrſt mit einem Churfuͤrſten, ein Cardinal mit einem Cardinal, ſo genuͤſſen ſie auch ein gleiches Ceremoniel in Eſſen, Unterredungen, in Sitzen, bey Bedeckungen des Haupts u. ſ. w. iedoch mit dieſen Unterſcheid, daß der Wirth den Gaſt im Gehen und Sitzen und al- lenthalben die Oberhand und den Vorzug, auch ſonſt aus purer Hoͤflichkeit allerhand prærogativen laͤſt, die er ihm an einen dritten Orte nicht verſtat- ten wuͤrde. §. 7. Dergleichen Actus ſind offt meræ faculta- tis, und gruͤnden ſich auf allerhand veraͤnderliche Urſachen, nemlich auf Bluts-Freundſchafft, Alli- anzen, erwieſene Freundſchaffts-Gefaͤlligkeiten, u. ſ. w. Nachdem nun dieſe und andere dergleichen Urſachen fortwaͤhren oder aufhoͤren, nachdem wird auch mit den Ceremoniellen eine Veraͤnderung vorgenommen, und bey dergleichen Handlungen der Hoͤflichkeit entweder etwas zugeſetzt, oder ver- mindert. §. 8.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/384>, abgerufen am 24.11.2024.