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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

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Von Visiten u. Zusammenk. grosser Herren.

§. 8. Es wird auch öffters, wenn viel Königliche
und Churfürstliche Personen zusammen kommen,
zu Vermeydung des Rang-Streits nur eine bunte
Reyhe gehalten, und sie setzen sich pele mele an die
Tafel. Die hohen Standes-Personen männli-
chen Geschlechts nehmen die Hochfürstlichen Da-
mes
bey der Hand, und führen sie zur Tafel, ohne
auf einigen Rang zu reflectiren, entweder wie sie
wollen, oder wie sie zu gewissen Stellen durch das
Loß angewiesen werden.

§. 9. Wenn eine Visite von einem geringern an
einen höhern abgestattet werden soll, die zwar aus
Höflichkeit geschehen könnte oder würde, die aber
doch nicht von unvermeydlicher Nothwendigkeit
ist, und der geringere erfährt, daß er bey dem hö-
heren ein allzuschlecht Ceremoniel bekommen soll,
so bleibt er lieber davon. Dieses ereignet sich
nicht selten in Teutschland, wenn mächtige und an-
sehnliche Vasallen bey ihren Lehns-Herren einspre-
chen wollen. Sie praetendiren bey ihren Visiten
dasjenige, so andern Standes-Personen bey der-
gleichen Zusprüchen an Höflichkeit erwiesen wird,
sie wollen mit ihren Kutschen in den innern
Schloß-Hof hineinfahren, und unten an der
Stiegen absteigen, sie verlangen einen Cammer-
Juncker zur Aufwartung, sie wollen in den Fürst-
lichen Zimmern logiren, und wie die andern servirt
seyn, u. s. w. doch dergleichen Ceremoniel wird ih-
nen gar selten accordirt.

§. 10. Sind ihre Gemahlinnen von höheren

Stande,
Z 5
Von Viſiten u. Zuſammenk. groſſer Herren.

§. 8. Es wird auch oͤffters, wenn viel Koͤnigliche
und Churfuͤrſtliche Perſonen zuſammen kommen,
zu Vermeydung des Rang-Streits nur eine bunte
Reyhe gehalten, und ſie ſetzen ſich péle méle an die
Tafel. Die hohen Standes-Perſonen maͤnnli-
chen Geſchlechts nehmen die Hochfuͤrſtlichen Da-
mes
bey der Hand, und fuͤhren ſie zur Tafel, ohne
auf einigen Rang zu reflectiren, entweder wie ſie
wollen, oder wie ſie zu gewiſſen Stellen durch das
Loß angewieſen werden.

§. 9. Wenn eine Viſite von einem geringern an
einen hoͤhern abgeſtattet werden ſoll, die zwar aus
Hoͤflichkeit geſchehen koͤnnte oder wuͤrde, die aber
doch nicht von unvermeydlicher Nothwendigkeit
iſt, und der geringere erfaͤhrt, daß er bey dem hoͤ-
heren ein allzuſchlecht Ceremoniel bekommen ſoll,
ſo bleibt er lieber davon. Dieſes ereignet ſich
nicht ſelten in Teutſchland, wenn maͤchtige und an-
ſehnliche Vaſallen bey ihren Lehns-Herren einſpre-
chen wollen. Sie prætendiren bey ihren Viſiten
dasjenige, ſo andern Standes-Perſonen bey der-
gleichen Zuſpruͤchen an Hoͤflichkeit erwieſen wird,
ſie wollen mit ihren Kutſchen in den innern
Schloß-Hof hineinfahren, und unten an der
Stiegen abſteigen, ſie verlangen einen Cammer-
Juncker zur Aufwartung, ſie wollen in den Fuͤrſt-
lichen Zimmern logiren, und wie die andern ſervirt
ſeyn, u. ſ. w. doch dergleichen Ceremoniel wird ih-
nen gar ſelten accordirt.

§. 10. Sind ihre Gemahlinnen von hoͤheren

Stande,
Z 5
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[361/0385] Von Viſiten u. Zuſammenk. groſſer Herren. §. 8. Es wird auch oͤffters, wenn viel Koͤnigliche und Churfuͤrſtliche Perſonen zuſammen kommen, zu Vermeydung des Rang-Streits nur eine bunte Reyhe gehalten, und ſie ſetzen ſich péle méle an die Tafel. Die hohen Standes-Perſonen maͤnnli- chen Geſchlechts nehmen die Hochfuͤrſtlichen Da- mes bey der Hand, und fuͤhren ſie zur Tafel, ohne auf einigen Rang zu reflectiren, entweder wie ſie wollen, oder wie ſie zu gewiſſen Stellen durch das Loß angewieſen werden. §. 9. Wenn eine Viſite von einem geringern an einen hoͤhern abgeſtattet werden ſoll, die zwar aus Hoͤflichkeit geſchehen koͤnnte oder wuͤrde, die aber doch nicht von unvermeydlicher Nothwendigkeit iſt, und der geringere erfaͤhrt, daß er bey dem hoͤ- heren ein allzuſchlecht Ceremoniel bekommen ſoll, ſo bleibt er lieber davon. Dieſes ereignet ſich nicht ſelten in Teutſchland, wenn maͤchtige und an- ſehnliche Vaſallen bey ihren Lehns-Herren einſpre- chen wollen. Sie prætendiren bey ihren Viſiten dasjenige, ſo andern Standes-Perſonen bey der- gleichen Zuſpruͤchen an Hoͤflichkeit erwieſen wird, ſie wollen mit ihren Kutſchen in den innern Schloß-Hof hineinfahren, und unten an der Stiegen abſteigen, ſie verlangen einen Cammer- Juncker zur Aufwartung, ſie wollen in den Fuͤrſt- lichen Zimmern logiren, und wie die andern ſervirt ſeyn, u. ſ. w. doch dergleichen Ceremoniel wird ih- nen gar ſelten accordirt. §. 10. Sind ihre Gemahlinnen von hoͤheren Stande, Z 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/385>, abgerufen am 24.11.2024.