Frieden floriret, und andere wollen es vor möglich achten/ daß unter allen Europäischen Puissancen ein perpetuirlicher Frieden herrsche, wie der Autor eines vor einigen Jahren von dieser Materie in Frantzösischer Sprache edirten Tractätgens dar- thun wollen. Doch dieses ist wohl zu wünschen, aber nach der ietzigen Beschaffenheit der Menschen, wie sie sich von ihren Neigungen gröstentheils be- herrschen lassen, nicht zu hoffen. Die Puissancen mögen in ihren Tractaten die Grentzen noch so deut- lich bemercken, die allerbündigste und sicherste Gua- rantie vor die allgemeine Ruhe stifften, und allen Gelegenheiten zum Kriege noch so weißlich zuvor- kommen, so wird dennoch die Klugheit und Tugend der Menschen, die etwas in dem gegenwärtigen Lauff der Zeiten beschleust, nicht alle Fälle der künff- tigen Zeiten vorher sehen, noch alle Boßheit der künfftigen Menschen verhindern können.
§. 3. Bißweilen werden Stillstande der Waf- fen getroffen, die von einer längern Dauer seyn als manche Friedens-Schlüsse, und hingegen einige Friedens-Schlüsse, ob sie schon ewig genernet werden, verwandeln sich in einer sehr kurtzen Zeit in einen blutigen Krieg. Einige Puissancen thun Friedens-Vorschläge nicht aus Ernst und aus ei- nem friedfertigen, sondern vielmehr feindseligen Ge- müthe damit sie sich unter der Hand rüsten und in bessern Stand setzen, ihren Feinden desto kräfftiger zu widerstehen; sie wollen die andern Puissanten, mit denen sie bißanhero in Krieg verwickelt gewe-
sen,
II. Theil. VIII. Capitul.
Frieden floriret, und andere wollen es vor moͤglich achten/ daß unter allen Europaͤiſchen Puiſſancen ein perpetuirlicher Frieden herrſche, wie der Autor eines vor einigen Jahren von dieſer Materie in Frantzoͤſiſcher Sprache edirten Tractaͤtgens dar- thun wollen. Doch dieſes iſt wohl zu wuͤnſchen, aber nach der ietzigen Beſchaffenheit der Menſchen, wie ſie ſich von ihren Neigungen groͤſtentheils be- herrſchen laſſen, nicht zu hoffen. Die Puiſſancen moͤgen in ihren Tractaten die Grentzen noch ſo deut- lich bemercken, die allerbuͤndigſte und ſicherſte Gua- rantie vor die allgemeine Ruhe ſtifften, und allen Gelegenheiten zum Kriege noch ſo weißlich zuvor- kommen, ſo wird dennoch die Klugheit und Tugend der Menſchen, die etwas in dem gegenwaͤrtigen Lauff der Zeiten beſchleuſt, nicht alle Faͤlle der kuͤnff- tigen Zeiten vorher ſehen, noch alle Boßheit der kuͤnfftigen Menſchen verhindern koͤnnen.
§. 3. Bißweilen werden Stillſtande der Waf- fen getroffen, die von einer laͤngern Dauer ſeyn als manche Friedens-Schluͤſſe, und hingegen einige Friedens-Schluͤſſe, ob ſie ſchon ewig genernet werden, verwandeln ſich in einer ſehr kurtzen Zeit in einen blutigen Krieg. Einige Puiſſancen thun Friedens-Vorſchlaͤge nicht aus Ernſt und aus ei- nem friedfertigen, ſondern vielmehr feindſeligen Ge- muͤthe damit ſie ſich unter der Hand ruͤſten und in beſſern Stand ſetzen, ihren Feinden deſto kraͤfftiger zu widerſtehen; ſie wollen die andern Puiſſanten, mit denen ſie bißanhero in Krieg verwickelt gewe-
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II. Theil. VIII. Capitul.
Frieden floriret, und andere wollen es vor moͤglich
achten/ daß unter allen Europaͤiſchen Puiſſancen
ein perpetuirlicher Frieden herrſche, wie der Autor
eines vor einigen Jahren von dieſer Materie in
Frantzoͤſiſcher Sprache edirten Tractaͤtgens dar-
thun wollen. Doch dieſes iſt wohl zu wuͤnſchen,
aber nach der ietzigen Beſchaffenheit der Menſchen,
wie ſie ſich von ihren Neigungen groͤſtentheils be-
herrſchen laſſen, nicht zu hoffen. Die Puiſſancen
moͤgen in ihren Tractaten die Grentzen noch ſo deut-
lich bemercken, die allerbuͤndigſte und ſicherſte Gua-
rantie vor die allgemeine Ruhe ſtifften, und allen
Gelegenheiten zum Kriege noch ſo weißlich zuvor-
kommen, ſo wird dennoch die Klugheit und Tugend
der Menſchen, die etwas in dem gegenwaͤrtigen
Lauff der Zeiten beſchleuſt, nicht alle Faͤlle der kuͤnff-
tigen Zeiten vorher ſehen, noch alle Boßheit der
kuͤnfftigen Menſchen verhindern koͤnnen.
§. 3. Bißweilen werden Stillſtande der Waf-
fen getroffen, die von einer laͤngern Dauer ſeyn als
manche Friedens-Schluͤſſe, und hingegen einige
Friedens-Schluͤſſe, ob ſie ſchon ewig genernet
werden, verwandeln ſich in einer ſehr kurtzen Zeit
in einen blutigen Krieg. Einige Puiſſancen thun
Friedens-Vorſchlaͤge nicht aus Ernſt und aus ei-
nem friedfertigen, ſondern vielmehr feindſeligen Ge-
muͤthe damit ſie ſich unter der Hand ruͤſten und in
beſſern Stand ſetzen, ihren Feinden deſto kraͤfftiger
zu widerſtehen; ſie wollen die andern Puiſſanten,
mit denen ſie bißanhero in Krieg verwickelt gewe-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/530>, abgerufen am 22.11.2024.
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