Herrn Sohn annehmen, ohne darauf zu sehen, ob er gut oder böse, weise oder thöricht wäre.
§. 7. Doch diese und noch mehrere Argumen- ta, die einige vor die Wahl-Reiche anzuführen pflegen, lassen sich gar leicht beantworten, es be- sitzen gewißlich nicht alle die bey der Wahl durch Macht oder listige Intriguen, die stärckste Par- they, und durch dieselbe die Königliche Dignitaet überkommen, die Vollkommenheit der Tugenden, die einem Regenten nöthig ist. So viel ist ge- wiß, daß die Wahl-Königreiche natürlicher, und der Zuneigung des Volcks und der Stände weit gemäßer als die Erb-Reiche, daher bemühen sich auch die Stände, so viel als möglich, wo die Suc- cession eines Königlichen Hauses gantz und gar ausgangen, daß sie die bißherige Verfassung der Erb-Folge verändern, und das Königreich in ein Wahl-Reich wieder verwandeln, wie aus dem neuesten Exempel des Königreichs Schweden be- kandt. So haben auch dem Alter nach die Wahl- Königreiche vor den Erb-Reichen einen Vorzug.
§. 8. Ob bey Lebzeiten des Königes der künff- tige Successor zu denominiren, oder ob die Sache erstlich zum Interregno gelangen soll, ist unter den Publicisten ebenfalls streitig. Einige halten vor sicherer, zur Erhaltung der Rechte der freyen Wahl die Beschwerlichkeiten des Interregni zu vertra- gen, als bey Lebzeiten des Königes vor einen Suc- cessorem zu sorgen; andere aber meynen, daß man- chen innerlichen Kriegen und mancher Unruhe vor-
gebeu-
Von Interregnis und den Wahlen.
Herrn Sohn annehmen, ohne darauf zu ſehen, ob er gut oder boͤſe, weiſe oder thoͤricht waͤre.
§. 7. Doch dieſe und noch mehrere Argumen- ta, die einige vor die Wahl-Reiche anzufuͤhren pflegen, laſſen ſich gar leicht beantworten, es be- ſitzen gewißlich nicht alle die bey der Wahl durch Macht oder liſtige Intriguen, die ſtaͤrckſte Par- they, und durch dieſelbe die Koͤnigliche Dignitæt uͤberkommen, die Vollkommenheit der Tugenden, die einem Regenten noͤthig iſt. So viel iſt ge- wiß, daß die Wahl-Koͤnigreiche natuͤrlicher, und der Zuneigung des Volcks und der Staͤnde weit gemaͤßer als die Erb-Reiche, daher bemuͤhen ſich auch die Staͤnde, ſo viel als moͤglich, wo die Suc- ceſſion eines Koͤniglichen Hauſes gantz und gar ausgangen, daß ſie die bißherige Verfaſſung der Erb-Folge veraͤndern, und das Koͤnigreich in ein Wahl-Reich wieder verwandeln, wie aus dem neueſten Exempel des Koͤnigreichs Schweden be- kandt. So haben auch dem Alter nach die Wahl- Koͤnigreiche vor den Erb-Reichen einen Vorzug.
§. 8. Ob bey Lebzeiten des Koͤniges der kuͤnff- tige Succeſſor zu denominiren, oder ob die Sache erſtlich zum Interregno gelangen ſoll, iſt unter den Publiciſten ebenfalls ſtreitig. Einige halten vor ſicherer, zur Erhaltung der Rechte der freyen Wahl die Beſchwerlichkeiten des Interregni zu vertra- gen, als bey Lebzeiten des Koͤniges vor einen Suc- ceſſorem zu ſorgen; andere aber meynen, daß man- chen innerlichen Kriegen und mancher Unruhe vor-
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Von Interregnis und den Wahlen.
Herrn Sohn annehmen, ohne darauf zu ſehen, ob
er gut oder boͤſe, weiſe oder thoͤricht waͤre.
§. 7. Doch dieſe und noch mehrere Argumen-
ta, die einige vor die Wahl-Reiche anzufuͤhren
pflegen, laſſen ſich gar leicht beantworten, es be-
ſitzen gewißlich nicht alle die bey der Wahl durch
Macht oder liſtige Intriguen, die ſtaͤrckſte Par-
they, und durch dieſelbe die Koͤnigliche Dignitæt
uͤberkommen, die Vollkommenheit der Tugenden,
die einem Regenten noͤthig iſt. So viel iſt ge-
wiß, daß die Wahl-Koͤnigreiche natuͤrlicher, und
der Zuneigung des Volcks und der Staͤnde weit
gemaͤßer als die Erb-Reiche, daher bemuͤhen ſich
auch die Staͤnde, ſo viel als moͤglich, wo die Suc-
ceſſion eines Koͤniglichen Hauſes gantz und gar
ausgangen, daß ſie die bißherige Verfaſſung der
Erb-Folge veraͤndern, und das Koͤnigreich in ein
Wahl-Reich wieder verwandeln, wie aus dem
neueſten Exempel des Koͤnigreichs Schweden be-
kandt. So haben auch dem Alter nach die Wahl-
Koͤnigreiche vor den Erb-Reichen einen Vorzug.
§. 8. Ob bey Lebzeiten des Koͤniges der kuͤnff-
tige Succeſſor zu denominiren, oder ob die Sache
erſtlich zum Interregno gelangen ſoll, iſt unter den
Publiciſten ebenfalls ſtreitig. Einige halten vor
ſicherer, zur Erhaltung der Rechte der freyen Wahl
die Beſchwerlichkeiten des Interregni zu vertra-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/595>, abgerufen am 22.11.2024.
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