schmeicheln, am ehesten gelencket werden können, sie suchen sich etwan in der Gunst des Landes bey einer neuen Regierung zu befestigen, sie wollen die Unterthanen hiedurch zu neuen Anlagen, die sie von ihnen verlangen, desto eher disponiren, auch wohl die calamitösen Zeiten, die ein Land oder eine Re- sidentz drücken, desto eher verbergen.
§. 4. Demnach thun sie alles, was zu diesen Zei- ten dienlich. Sie ziehen die vornehmsten Reichs- und Land-Stände zu allen Arten der Lustbarkeiten; ie mehr einer von ihnen in Ansehen bey dem Lande stehet, ie grössere Ehre und Vergnügen wird einem ieden verschafft; sie invitiren sie an die Fürstlichen Tafeln, und zu den verschiedenen Divertissemens. Jst aber einen oder dem andern lieber, einen Zu- schauer abzugeben, so verschaffen sie ihm in den Co- mödien und Opern eine bequeme Loge, und bey allen den andern Divertissemens einen guten Platz, von dem er alles mit Commodite in Augenschein nehmen kan. Dem Pöbel lassen sie auf öffentli- chen Plätzen besondere Lustbarkeiten anstellen, die sich vor denselben schicken; sie erlauben ihm, daß sie den Freuden-Spectaculn, die auf den Residentz- Schlössern gehalten werden, iedoch mit Beobach- tung guter Ordnung, mit zuschauen dürffen.
§. 5. Weil der gröste Theil des Pöbels in Be- lustigung des Geschmacks, und in Fressen und Sauf- fen sein Vergnügen findet, so geben die großen Herren ihn bißweilen ihre eigene Tafeln, die mit den grösten Delicatessen besetzt sind, völlig Preiß, oder
lassen
IV. Theil. I. Capitul.
ſchmeicheln, am eheſten gelencket werden koͤnnen, ſie ſuchen ſich etwan in der Gunſt des Landes bey einer neuen Regierung zu befeſtigen, ſie wollen die Unterthanen hiedurch zu neuen Anlagen, die ſie von ihnen verlangen, deſto eher diſponiren, auch wohl die calamitöſen Zeiten, die ein Land oder eine Re- ſidentz druͤcken, deſto eher verbergen.
§. 4. Demnach thun ſie alles, was zu dieſen Zei- ten dienlich. Sie ziehen die vornehmſten Reichs- und Land-Staͤnde zu allen Arten der Luſtbarkeiten; ie mehr einer von ihnen in Anſehen bey dem Lande ſtehet, ie groͤſſere Ehre und Vergnuͤgen wird einem ieden verſchafft; ſie invitiren ſie an die Fuͤrſtlichen Tafeln, und zu den verſchiedenen Divertiſſemens. Jſt aber einen oder dem andern lieber, einen Zu- ſchauer abzugeben, ſo verſchaffen ſie ihm in den Co- moͤdien und Opern eine bequeme Loge, und bey allen den andern Divertiſſemens einen guten Platz, von dem er alles mit Commodité in Augenſchein nehmen kan. Dem Poͤbel laſſen ſie auf oͤffentli- chen Plaͤtzen beſondere Luſtbarkeiten anſtellen, die ſich vor denſelben ſchicken; ſie erlauben ihm, daß ſie den Freuden-Spectaculn, die auf den Reſidentz- Schloͤſſern gehalten werden, iedoch mit Beobach- tung guter Ordnung, mit zuſchauen duͤrffen.
§. 5. Weil der groͤſte Theil des Poͤbels in Be- luſtigung des Geſchmacks, und in Freſſen und Sauf- fen ſein Vergnuͤgen findet, ſo geben die großen Herren ihn bißweilen ihre eigene Tafeln, die mit den groͤſten Delicateſſen beſetzt ſind, voͤllig Preiß, oder
laſſen
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IV. Theil. I. Capitul.
ſchmeicheln, am eheſten gelencket werden koͤnnen,
ſie ſuchen ſich etwan in der Gunſt des Landes bey
einer neuen Regierung zu befeſtigen, ſie wollen die
Unterthanen hiedurch zu neuen Anlagen, die ſie von
ihnen verlangen, deſto eher diſponiren, auch wohl
die calamitöſen Zeiten, die ein Land oder eine Re-
ſidentz druͤcken, deſto eher verbergen.
§. 4. Demnach thun ſie alles, was zu dieſen Zei-
ten dienlich. Sie ziehen die vornehmſten Reichs-
und Land-Staͤnde zu allen Arten der Luſtbarkeiten;
ie mehr einer von ihnen in Anſehen bey dem Lande
ſtehet, ie groͤſſere Ehre und Vergnuͤgen wird einem
ieden verſchafft; ſie invitiren ſie an die Fuͤrſtlichen
Tafeln, und zu den verſchiedenen Divertiſſemens.
Jſt aber einen oder dem andern lieber, einen Zu-
ſchauer abzugeben, ſo verſchaffen ſie ihm in den Co-
moͤdien und Opern eine bequeme Loge, und bey
allen den andern Divertiſſemens einen guten Platz,
von dem er alles mit Commodité in Augenſchein
nehmen kan. Dem Poͤbel laſſen ſie auf oͤffentli-
chen Plaͤtzen beſondere Luſtbarkeiten anſtellen, die
ſich vor denſelben ſchicken; ſie erlauben ihm, daß
ſie den Freuden-Spectaculn, die auf den Reſidentz-
Schloͤſſern gehalten werden, iedoch mit Beobach-
tung guter Ordnung, mit zuſchauen duͤrffen.
§. 5. Weil der groͤſte Theil des Poͤbels in Be-
luſtigung des Geſchmacks, und in Freſſen und Sauf-
fen ſein Vergnuͤgen findet, ſo geben die großen
Herren ihn bißweilen ihre eigene Tafeln, die mit den
groͤſten Delicateſſen beſetzt ſind, voͤllig Preiß, oder
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/758>, abgerufen am 22.11.2024.
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