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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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sonen, an allen Orten und zu allen Zeiten vor
sündlich halten. Nun ist wohl gewiß, daß das
Tantzen eine Sache ist, so zufälliger Weise zur
Sünde werden kan, und von vielen Menschen
gemißbraucht wird; Allein dieses ist dem Tan-
tzen mit sehr vielen andern Sachen gemein, und
rühret der Mißbrauch und das Böse nicht an
und vor sich selbst von dem Tantzen, sondern der
Boßheit der Leute her, die desselben mißbrau-
chen. Von dem Tantzen redet unser seel. D.
Luther in seiner Kirchen-Postille bey Erklärung
des Evangelii von der Hochzeit zu Cana in Ga-
liläa mit folgenden Worten sehr wohl: Weil es
Landes-Sitte ist, gleichwie die Gäste laden, sich
schmücken, essen, trincken und frölich seyn, weiß
ichs nicht zu verdammen, ohne die Ubermaaße,
so es unzüchtig und zuviel ist. Daß aber
Sünde da geschehen, ist das Tantzen nicht
Schuld, sintemahl auch über Tisch und in der
Kirchen dergleichen geschehen. Gleichwie
nicht das Essen und Trincken Schuld ist, daß
etzliche zu Säuen darüber werden. Wo es
aber züchtig zugehet, laß ich der Hochzeit ihr
Recht und Gebrauch und tantze immer hin.
Der Glaube und Liebe lassen sich nicht austan-
tzen, so du züchtig und mäßig darinnen bist. Die
jungen Kinder tantzen ja ohne Sünde. Werde
ein Kind, so schadet dir das Tantzen nicht, und

ist



ſonen, an allen Orten und zu allen Zeiten vor
ſuͤndlich halten. Nun iſt wohl gewiß, daß das
Tantzen eine Sache iſt, ſo zufaͤlliger Weiſe zur
Suͤnde werden kan, und von vielen Menſchen
gemißbraucht wird; Allein dieſes iſt dem Tan-
tzen mit ſehr vielen andern Sachen gemein, und
ruͤhret der Mißbrauch und das Boͤſe nicht an
und vor ſich ſelbſt von dem Tantzen, ſondern der
Boßheit der Leute her, die deſſelben mißbrau-
chen. Von dem Tantzen redet unſer ſeel. D.
Luther in ſeiner Kirchen-Poſtille bey Erklaͤrung
des Evangelii von der Hochzeit zu Cana in Ga-
lilaͤa mit folgenden Worten ſehr wohl: Weil es
Landes-Sitte iſt, gleichwie die Gaͤſte laden, ſich
ſchmuͤcken, eſſen, trincken und froͤlich ſeyn, weiß
ichs nicht zu verdammen, ohne die Ubermaaße,
ſo es unzuͤchtig und zuviel iſt. Daß aber
Suͤnde da geſchehen, iſt das Tantzen nicht
Schuld, ſintemahl auch uͤber Tiſch und in der
Kirchen dergleichen geſchehen. Gleichwie
nicht das Eſſen und Trincken Schuld iſt, daß
etzliche zu Saͤuen daruͤber werden. Wo es
aber zuͤchtig zugehet, laß ich der Hochzeit ihr
Recht und Gebrauch und tantze immer hin.
Der Glaube und Liebe laſſen ſich nicht austan-
tzen, ſo du zuͤchtig und maͤßig darinnen biſt. Die
jungen Kinder tantzen ja ohne Suͤnde. Werde
ein Kind, ſo ſchadet dir das Tantzen nicht, und

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[1295/1315] ſonen, an allen Orten und zu allen Zeiten vor ſuͤndlich halten. Nun iſt wohl gewiß, daß das Tantzen eine Sache iſt, ſo zufaͤlliger Weiſe zur Suͤnde werden kan, und von vielen Menſchen gemißbraucht wird; Allein dieſes iſt dem Tan- tzen mit ſehr vielen andern Sachen gemein, und ruͤhret der Mißbrauch und das Boͤſe nicht an und vor ſich ſelbſt von dem Tantzen, ſondern der Boßheit der Leute her, die deſſelben mißbrau- chen. Von dem Tantzen redet unſer ſeel. D. Luther in ſeiner Kirchen-Poſtille bey Erklaͤrung des Evangelii von der Hochzeit zu Cana in Ga- lilaͤa mit folgenden Worten ſehr wohl: Weil es Landes-Sitte iſt, gleichwie die Gaͤſte laden, ſich ſchmuͤcken, eſſen, trincken und froͤlich ſeyn, weiß ichs nicht zu verdammen, ohne die Ubermaaße, ſo es unzuͤchtig und zuviel iſt. Daß aber Suͤnde da geſchehen, iſt das Tantzen nicht Schuld, ſintemahl auch uͤber Tiſch und in der Kirchen dergleichen geſchehen. Gleichwie nicht das Eſſen und Trincken Schuld iſt, daß etzliche zu Saͤuen daruͤber werden. Wo es aber zuͤchtig zugehet, laß ich der Hochzeit ihr Recht und Gebrauch und tantze immer hin. Der Glaube und Liebe laſſen ſich nicht austan- tzen, ſo du zuͤchtig und maͤßig darinnen biſt. Die jungen Kinder tantzen ja ohne Suͤnde. Werde ein Kind, ſo ſchadet dir das Tantzen nicht, und iſt

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1315>, abgerufen am 01.06.2024.