ist an und vor sich selbst nicht Sünde. Das vornehmste Argument, das die Pietisten wie- der das Tantzen vorbringen, ist, daß man nicht davon sagen könte, daß die Ehre GOttes da- durch befördert würde, oder es in dem Nahmen des HErrn JEsu geschähe, da doch solches nach dem göttlichen Befehl von allen unsern Actio- nen gesagt werden solte. Allein es machen sich diese Leute eine unrechte Erklärung von die- ser Expression und wenn sie dieses auff alle in- dividual-actiones appliciren wollen, so wird es von vielen indifferenten Handlungen, und die doch nicht sündlich sind, eben so seltsam klin- gen, als wenn man sagen wolte, daß man in dem Nahmen JEsu ein Täntzgen thun wolte. Jch werde nicht nöthig haben, mich in diese Con- trovers weitläufftiger zu intromittiren, indem andere gelehrte Leute solches schon allbereit zur Gnüge untersucht und abgehandelt. Hier will ich nur gedencken, daß ein Landes-Fürst das Tantzen seinen Unterthanen gar wohl er- lauben könne, iedoch mit gewissen Tempera- menten, z. E. daß es an Sonn- und Festtägen nicht vorgenommen, nicht biß in die Nacht continuiret, sondern beyzeiten Feyerabend da- mit gemacht, alle unzüchtige Geberden und un- nützes liederliches Geschrey und Jauchtzen dar- bey vermieden werde, u. s. w. Bey den übrigen Umständen ist es zu permittiren.
§. 8.
iſt an und vor ſich ſelbſt nicht Suͤnde. Das vornehmſte Argument, das die Pietiſten wie- der das Tantzen vorbringen, iſt, daß man nicht davon ſagen koͤnte, daß die Ehre GOttes da- durch befoͤrdert wuͤrde, oder es in dem Nahmen des HErrn JEſu geſchaͤhe, da doch ſolches nach dem goͤttlichen Befehl von allen unſern Actio- nen geſagt werden ſolte. Allein es machen ſich dieſe Leute eine unrechte Erklaͤrung von die- ſer Expreſſion und wenn ſie dieſes auff alle in- dividual-actiones appliciren wollen, ſo wird es von vielen indifferenten Handlungen, und die doch nicht ſuͤndlich ſind, eben ſo ſeltſam klin- gen, als wenn man ſagen wolte, daß man in dem Nahmen JEſu ein Taͤntzgen thun wolte. Jch werde nicht noͤthig haben, mich in dieſe Con- trovers weitlaͤufftiger zu intromittiren, indem andere gelehrte Leute ſolches ſchon allbereit zur Gnuͤge unterſucht und abgehandelt. Hier will ich nur gedencken, daß ein Landes-Fuͤrſt das Tantzen ſeinen Unterthanen gar wohl er- lauben koͤnne, iedoch mit gewiſſen Tempera- menten, z. E. daß es an Sonn- und Feſttaͤgen nicht vorgenommen, nicht biß in die Nacht continuiret, ſondern beyzeiten Feyerabend da- mit gemacht, alle unzuͤchtige Geberden und un- nuͤtzes liederliches Geſchrey und Jauchtzen dar- bey vermieden werde, u. ſ. w. Bey den uͤbrigen Umſtaͤnden iſt es zu permittiren.
§. 8.
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iſt an und vor ſich ſelbſt nicht Suͤnde. Das
vornehmſte Argument, das die Pietiſten wie-
der das Tantzen vorbringen, iſt, daß man nicht
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durch befoͤrdert wuͤrde, oder es in dem Nahmen
des HErrn JEſu geſchaͤhe, da doch ſolches nach
dem goͤttlichen Befehl von allen unſern Actio-
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ſich dieſe Leute eine unrechte Erklaͤrung von die-
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die doch nicht ſuͤndlich ſind, eben ſo ſeltſam klin-
gen, als wenn man ſagen wolte, daß man in dem
Nahmen JEſu ein Taͤntzgen thun wolte. Jch
werde nicht noͤthig haben, mich in dieſe Con-
trovers weitlaͤufftiger zu intromittiren, indem
andere gelehrte Leute ſolches ſchon allbereit zur
Gnuͤge unterſucht und abgehandelt. Hier
will ich nur gedencken, daß ein Landes-Fuͤrſt
das Tantzen ſeinen Unterthanen gar wohl er-
lauben koͤnne, iedoch mit gewiſſen Tempera-
menten, z. E. daß es an Sonn- und Feſttaͤgen
nicht vorgenommen, nicht biß in die Nacht
continuiret, ſondern beyzeiten Feyerabend da-
mit gemacht, alle unzuͤchtige Geberden und un-
nuͤtzes liederliches Geſchrey und Jauchtzen dar-
bey vermieden werde, u. ſ. w. Bey den uͤbrigen
Umſtaͤnden iſt es zu permittiren.
§. 8.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1316>, abgerufen am 23.11.2024.
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