von Adel nach dem gottlosen Sprüchwort der Welt: Ein ieder vor sich, GOtt vor uns alle! Die reich sind, dencken nicht arm zu werden, und weil sie viel haben, so wissen sie nicht, wie andern, die mit der Armuth luctiren, zu Muthe ist, und lassen sich also um solche Vorschläge un- bekümmert. Die andern, die nicht gar viel im Vermögen haben, erkennen zwar wohl, daß es höchst nöthig und löblich wäre, dergleichen gute Anstalt zu machen, aber ihre Worte gelten nicht gar viel, und ihre gethanen Vorschläge werden von andern, die etwan hierbey mit cooperiren solten und könten, gar selten mit Gedult angehö- ret, geschweige denn zur Execution gebracht. Die Landes Fürsten haben mit andern Affairen gnug zu thun, als daß sie an solche Sachen dencken kön- ten, und also werden dergleichen Vorschläge gar selten aufs Tapet gebracht, oder gerathen doch hernach ins Stecken. Jch könte auch hierbey noch weiter extendiren, wenn die Wahrheit nicht all- zu verhaßt in der Welt wäre.
§. 38. Ob nun gleich, wie ietzt gesagt, in Ver- sorgung der nothdürfftigen Adlichen Personen noch manche gute und heilsame Anstalten zu machen wären, so ist dennoch GOttes Güte zu preisen, daß der Allerhöchste hie und da rechtschaf- fene Christliche und mit zeitlichen Gütern geseg- nete Männer unter denen von Adel erwecket, die
ansehn-
von Adel nach dem gottloſen Spruͤchwort der Welt: Ein ieder vor ſich, GOtt vor uns alle! Die reich ſind, dencken nicht arm zu werden, und weil ſie viel haben, ſo wiſſen ſie nicht, wie andern, die mit der Armuth luctiren, zu Muthe iſt, und laſſen ſich alſo um ſolche Vorſchlaͤge un- bekuͤmmert. Die andern, die nicht gar viel im Vermoͤgen haben, erkennen zwar wohl, daß es hoͤchſt noͤthig und loͤblich waͤre, dergleichen gute Anſtalt zu machen, aber ihre Worte gelten nicht gar viel, und ihre gethanen Vorſchlaͤge werden von andern, die etwan hierbey mit cooperiren ſolten und koͤnten, gar ſelten mit Gedult angehoͤ- ret, geſchweige denn zur Execution gebracht. Die Landes Fuͤrſten haben mit andern Affairen gnug zu thun, als daß ſie an ſolche Sachen dencken koͤn- ten, und alſo werden dergleichen Vorſchlaͤge gar ſelten aufs Tapet gebracht, oder gerathen doch hernach ins Stecken. Jch koͤnte auch hierbey noch weiter extendiren, wenn die Wahrheit nicht all- zu verhaßt in der Welt waͤre.
§. 38. Ob nun gleich, wie ietzt geſagt, in Ver- ſorgung der nothduͤrfftigen Adlichen Perſonen noch manche gute und heilſame Anſtalten zu machen waͤren, ſo iſt dennoch GOttes Guͤte zu preiſen, daß der Allerhoͤchſte hie und da rechtſchaf- fene Chriſtliche und mit zeitlichen Guͤtern geſeg- nete Maͤnner unter denen von Adel erwecket, die
anſehn-
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von Adel nach dem gottloſen Spruͤchwort der
Welt: Ein ieder vor ſich, GOtt vor uns alle!
Die reich ſind, dencken nicht arm zu werden,
und weil ſie viel haben, ſo wiſſen ſie nicht, wie
andern, die mit der Armuth luctiren, zu Muthe
iſt, und laſſen ſich alſo um ſolche Vorſchlaͤge un-
bekuͤmmert. Die andern, die nicht gar viel im
Vermoͤgen haben, erkennen zwar wohl, daß es
hoͤchſt noͤthig und loͤblich waͤre, dergleichen gute
Anſtalt zu machen, aber ihre Worte gelten nicht
gar viel, und ihre gethanen Vorſchlaͤge werden
von andern, die etwan hierbey mit cooperiren
ſolten und koͤnten, gar ſelten mit Gedult angehoͤ-
ret, geſchweige denn zur Execution gebracht. Die
Landes Fuͤrſten haben mit andern Affairen gnug
zu thun, als daß ſie an ſolche Sachen dencken koͤn-
ten, und alſo werden dergleichen Vorſchlaͤge gar
ſelten aufs Tapet gebracht, oder gerathen doch
hernach ins Stecken. Jch koͤnte auch hierbey noch
weiter extendiren, wenn die Wahrheit nicht all-
zu verhaßt in der Welt waͤre.
§. 38. Ob nun gleich, wie ietzt geſagt, in Ver-
ſorgung der nothduͤrfftigen Adlichen Perſonen
noch manche gute und heilſame Anſtalten zu
machen waͤren, ſo iſt dennoch GOttes Guͤte zu
preiſen, daß der Allerhoͤchſte hie und da rechtſchaf-
fene Chriſtliche und mit zeitlichen Guͤtern geſeg-
nete Maͤnner unter denen von Adel erwecket, die
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1363>, abgerufen am 23.11.2024.
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