§. 3. Da nun aber in dem natürlichen Recht nicht ausgemacht, wem bey Fürstl. Personen die Vormundschafft auffzutragen, so entstehen dieserhalben unter den Rechts-Lehrern unter- schiedene Fragen und Disputen, wer wohl zum Vormündern zu erwehlen sey? Einige als wie Grotius machen einen Unterscheid unter den Patrimonial-Reichen und unter denen, die nicht patrimonial sind, und meinen, bey jenen könten diejenigen Vormünder abgeben, die der Vater oder die nächsten Anverwandten darzu erwehlen würden, bey diesen aber, welchen die öffentliche Landes-Gesetze oder in deren Er- mangelung die Einwilligung des Volckes sol- ches aufftragen würden. Andere verwerffen diese distinction gantz und gar und halten die- selbige vor ungegründet. Noch andere stehen in den Gedancken, es komme dieses lediglich auff den Willen und den Gefallen des verstorbenen Königs an, und dieser sey bloß befugt seinen zu- rück gelassenen minderjährigen Printzen, der sein Nachfolger werden soll, wegen der Vor- mundschafft zu prospiciren, so daß der Nach- folger dieser Verordnung nachgehen und das Volck verbunden seyn müsse, sie zu Gouverni- rung der Republic und zur Vormundschafft des unmündigen Königs zu admittiren. Da aber dem Successori eben so wohl die höchste
Ge-
§. 3. Da nun aber in dem natuͤrlichen Recht nicht ausgemacht, wem bey Fuͤrſtl. Perſonen die Vormundſchafft auffzutragen, ſo entſtehen dieſerhalben unter den Rechts-Lehrern unter- ſchiedene Fragen und Diſputen, wer wohl zum Vormuͤndern zu erwehlen ſey? Einige als wie Grotius machen einen Unterſcheid unter den Patrimonial-Reichen und unter denen, die nicht patrimonial ſind, und meinen, bey jenen koͤnten diejenigen Vormuͤnder abgeben, die der Vater oder die naͤchſten Anverwandten darzu erwehlen wuͤrden, bey dieſen aber, welchen die oͤffentliche Landes-Geſetze oder in deren Er- mangelung die Einwilligung des Volckes ſol- ches aufftragen wuͤrden. Andere verwerffen dieſe diſtinction gantz und gar und halten die- ſelbige vor ungegruͤndet. Noch andere ſtehen in den Gedancken, es komme dieſes lediglich auff den Willen und den Gefallen des verſtorbenen Koͤnigs an, und dieſer ſey bloß befugt ſeinen zu- ruͤck gelaſſenen minderjaͤhrigen Printzen, der ſein Nachfolger werden ſoll, wegen der Vor- mundſchafft zu proſpiciren, ſo daß der Nach- folger dieſer Verordnung nachgehen und das Volck verbunden ſeyn muͤſſe, ſie zu Gouverni- rung der Republic und zur Vormundſchafft des unmuͤndigen Koͤnigs zu admittiren. Da aber dem Succeſſori eben ſo wohl die hoͤchſte
Ge-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0240"n="220"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw><p>§. 3. Da nun aber in dem natuͤrlichen Recht<lb/>
nicht ausgemacht, wem bey Fuͤrſtl. Perſonen<lb/>
die Vormundſchafft auffzutragen, ſo entſtehen<lb/>
dieſerhalben unter den Rechts-Lehrern unter-<lb/>ſchiedene Fragen und <hirendition="#aq">Diſput</hi>en, wer wohl zum<lb/>
Vormuͤndern zu erwehlen ſey? Einige als wie<lb/><hirendition="#aq">Grotius</hi> machen einen Unterſcheid unter den<lb/><hirendition="#aq">Patrimonial-</hi>Reichen und unter denen, die<lb/>
nicht <hirendition="#aq">patrimonial</hi>ſind, und meinen, bey jenen<lb/>
koͤnten diejenigen Vormuͤnder abgeben, die der<lb/>
Vater oder die naͤchſten Anverwandten darzu<lb/>
erwehlen wuͤrden, bey dieſen aber, welchen die<lb/>
oͤffentliche Landes-Geſetze oder in deren Er-<lb/>
mangelung die Einwilligung des Volckes ſol-<lb/>
ches aufftragen wuͤrden. Andere verwerffen<lb/>
dieſe <hirendition="#aq">diſtinction</hi> gantz und gar und halten die-<lb/>ſelbige vor ungegruͤndet. Noch andere ſtehen<lb/>
in den Gedancken, es komme dieſes lediglich auff<lb/>
den Willen und den Gefallen des verſtorbenen<lb/>
Koͤnigs an, und dieſer ſey bloß befugt ſeinen zu-<lb/>
ruͤck gelaſſenen minderjaͤhrigen Printzen, der<lb/>ſein Nachfolger werden ſoll, wegen der Vor-<lb/>
mundſchafft zu <hirendition="#aq">proſpici</hi>ren, ſo daß der Nach-<lb/>
folger dieſer Verordnung nachgehen und das<lb/>
Volck verbunden ſeyn muͤſſe, ſie zu <hirendition="#aq">Gouverni-</hi><lb/>
rung der <hirendition="#aq">Republic</hi> und zur Vormundſchafft<lb/>
des unmuͤndigen Koͤnigs zu <hirendition="#aq">admitti</hi>ren. Da<lb/>
aber dem <hirendition="#aq">Succeſſori</hi> eben ſo wohl die hoͤchſte<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ge-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[220/0240]
§. 3. Da nun aber in dem natuͤrlichen Recht
nicht ausgemacht, wem bey Fuͤrſtl. Perſonen
die Vormundſchafft auffzutragen, ſo entſtehen
dieſerhalben unter den Rechts-Lehrern unter-
ſchiedene Fragen und Diſputen, wer wohl zum
Vormuͤndern zu erwehlen ſey? Einige als wie
Grotius machen einen Unterſcheid unter den
Patrimonial-Reichen und unter denen, die
nicht patrimonial ſind, und meinen, bey jenen
koͤnten diejenigen Vormuͤnder abgeben, die der
Vater oder die naͤchſten Anverwandten darzu
erwehlen wuͤrden, bey dieſen aber, welchen die
oͤffentliche Landes-Geſetze oder in deren Er-
mangelung die Einwilligung des Volckes ſol-
ches aufftragen wuͤrden. Andere verwerffen
dieſe diſtinction gantz und gar und halten die-
ſelbige vor ungegruͤndet. Noch andere ſtehen
in den Gedancken, es komme dieſes lediglich auff
den Willen und den Gefallen des verſtorbenen
Koͤnigs an, und dieſer ſey bloß befugt ſeinen zu-
ruͤck gelaſſenen minderjaͤhrigen Printzen, der
ſein Nachfolger werden ſoll, wegen der Vor-
mundſchafft zu proſpiciren, ſo daß der Nach-
folger dieſer Verordnung nachgehen und das
Volck verbunden ſeyn muͤſſe, ſie zu Gouverni-
rung der Republic und zur Vormundſchafft
des unmuͤndigen Koͤnigs zu admittiren. Da
aber dem Succeſſori eben ſo wohl die hoͤchſte
Ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/240>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.