Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



Verheyrathung, noch andere, wie die Römer,
auf das fünff und zwantzigste Jahr. Jch hal-
te aber davor, daß dem natürlichen Recht nach
die Vormundschafft so lange daure, biß einer
geschickt ist, seinen Sachen mit Verstande vor-
zustehen, und das Judicium zu seiner Reiffe
gekommen, und also können hierbey diesem
Rechte nach gar keine gewisse Jahre exprimi-
ret werden. Einige meinen, die Pubertät
fange sich mit den Jahren an, da man capable
wäre, Kinder zu zeugen und dieselben aufzuer-
ziehen; Allein ich weiß nicht, ob die Geschick-
ligkeit seine Actiones mit Vernunfft zu dirigi-
ren, allezeit mit der Capacität des Kinderzeu-
gens und der physicalischen Constitution ver-
knüpfft ist, die bey manchen in ihren jungen
Jahren ziemlich vollkommen seyn kan, denen
es doch wohl sonst am Verstande fehlet. Da
nun das natürliche Recht hierinnen gar nichts
decidiret, so handeln die Regenten und Lan-
des-Fürsten sehr wohl, daß sie in ihren Land-
Rechten ihren Unterthanen gewisse Jahre vor-
schreiben, nach deren Verfliessung sie vor ma-
joren
zu erklären sind. Sonst ist auch be-
kandt, daß wenn einer erweist, wie man fähig
sey, seine Sachen mit Vernunfft zu verwalten,
man auch noch wohl vor den Jahren, die in den
bürgerlichen Gesetzen vorgeschrieben sind, ve-
niam aetatis
erlangen könne.

§. 9.



Verheyrathung, noch andere, wie die Roͤmer,
auf das fuͤnff und zwantzigſte Jahr. Jch hal-
te aber davor, daß dem natuͤrlichen Recht nach
die Vormundſchafft ſo lange daure, biß einer
geſchickt iſt, ſeinen Sachen mit Verſtande vor-
zuſtehen, und das Judicium zu ſeiner Reiffe
gekommen, und alſo koͤnnen hierbey dieſem
Rechte nach gar keine gewiſſe Jahre exprimi-
ret werden. Einige meinen, die Pubertaͤt
fange ſich mit den Jahren an, da man capable
waͤre, Kinder zu zeugen und dieſelben aufzuer-
ziehen; Allein ich weiß nicht, ob die Geſchick-
ligkeit ſeine Actiones mit Vernunfft zu dirigi-
ren, allezeit mit der Capacitaͤt des Kinderzeu-
gens und der phyſicaliſchen Conſtitution ver-
knuͤpfft iſt, die bey manchen in ihren jungen
Jahren ziemlich vollkommen ſeyn kan, denen
es doch wohl ſonſt am Verſtande fehlet. Da
nun das natuͤrliche Recht hierinnen gar nichts
decidiret, ſo handeln die Regenten und Lan-
des-Fuͤrſten ſehr wohl, daß ſie in ihren Land-
Rechten ihren Unterthanen gewiſſe Jahre vor-
ſchreiben, nach deren Verflieſſung ſie vor ma-
joren
zu erklaͤren ſind. Sonſt iſt auch be-
kandt, daß wenn einer erweiſt, wie man faͤhig
ſey, ſeine Sachen mit Vernunfft zu verwalten,
man auch noch wohl vor den Jahren, die in den
buͤrgerlichen Geſetzen vorgeſchrieben ſind, ve-
niam ætatis
erlangen koͤnne.

§. 9.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="226"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> Verheyrathung, noch andere, wie die Ro&#x0364;mer,<lb/>
auf das fu&#x0364;nff und zwantzig&#x017F;te Jahr. Jch hal-<lb/>
te aber davor, daß dem natu&#x0364;rlichen Recht nach<lb/>
die Vormund&#x017F;chafft &#x017F;o lange daure, biß einer<lb/>
ge&#x017F;chickt i&#x017F;t, &#x017F;einen Sachen mit Ver&#x017F;tande vor-<lb/>
zu&#x017F;tehen, und das <hi rendition="#aq">Judicium</hi> zu &#x017F;einer Reiffe<lb/>
gekommen, und al&#x017F;o ko&#x0364;nnen hierbey die&#x017F;em<lb/>
Rechte nach gar keine gewi&#x017F;&#x017F;e Jahre <hi rendition="#aq">exprimi-</hi><lb/>
ret werden. Einige meinen, die <hi rendition="#aq">Pubert</hi>a&#x0364;t<lb/>
fange &#x017F;ich mit den Jahren an, da man <hi rendition="#aq">capable</hi><lb/>
wa&#x0364;re, Kinder zu zeugen und die&#x017F;elben aufzuer-<lb/>
ziehen; Allein ich weiß nicht, ob die Ge&#x017F;chick-<lb/>
ligkeit &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Actiones</hi> mit Vernunfft zu <hi rendition="#aq">dirigi-</hi><lb/>
ren, allezeit mit der <hi rendition="#aq">Capacit</hi>a&#x0364;t des Kinderzeu-<lb/>
gens und der <hi rendition="#aq">phy&#x017F;icali</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Con&#x017F;titution</hi> ver-<lb/>
knu&#x0364;pfft i&#x017F;t, die bey manchen in ihren jungen<lb/>
Jahren ziemlich vollkommen &#x017F;eyn kan, denen<lb/>
es doch wohl &#x017F;on&#x017F;t am Ver&#x017F;tande fehlet. Da<lb/>
nun das natu&#x0364;rliche Recht hierinnen gar nichts<lb/><hi rendition="#aq">decidi</hi>ret, &#x017F;o handeln die Regenten und Lan-<lb/>
des-Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;ehr wohl, daß &#x017F;ie in ihren Land-<lb/>
Rechten ihren Unterthanen gewi&#x017F;&#x017F;e Jahre vor-<lb/>
&#x017F;chreiben, nach deren Verflie&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ie vor <hi rendition="#aq">ma-<lb/>
joren</hi> zu erkla&#x0364;ren &#x017F;ind. Son&#x017F;t i&#x017F;t auch be-<lb/>
kandt, daß wenn einer erwei&#x017F;t, wie man fa&#x0364;hig<lb/>
&#x017F;ey, &#x017F;eine Sachen mit Vernunfft zu verwalten,<lb/>
man auch noch wohl vor den Jahren, die in den<lb/>
bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etzen vorge&#x017F;chrieben &#x017F;ind, <hi rendition="#aq">ve-<lb/>
niam ætatis</hi> erlangen ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 9.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0246] Verheyrathung, noch andere, wie die Roͤmer, auf das fuͤnff und zwantzigſte Jahr. Jch hal- te aber davor, daß dem natuͤrlichen Recht nach die Vormundſchafft ſo lange daure, biß einer geſchickt iſt, ſeinen Sachen mit Verſtande vor- zuſtehen, und das Judicium zu ſeiner Reiffe gekommen, und alſo koͤnnen hierbey dieſem Rechte nach gar keine gewiſſe Jahre exprimi- ret werden. Einige meinen, die Pubertaͤt fange ſich mit den Jahren an, da man capable waͤre, Kinder zu zeugen und dieſelben aufzuer- ziehen; Allein ich weiß nicht, ob die Geſchick- ligkeit ſeine Actiones mit Vernunfft zu dirigi- ren, allezeit mit der Capacitaͤt des Kinderzeu- gens und der phyſicaliſchen Conſtitution ver- knuͤpfft iſt, die bey manchen in ihren jungen Jahren ziemlich vollkommen ſeyn kan, denen es doch wohl ſonſt am Verſtande fehlet. Da nun das natuͤrliche Recht hierinnen gar nichts decidiret, ſo handeln die Regenten und Lan- des-Fuͤrſten ſehr wohl, daß ſie in ihren Land- Rechten ihren Unterthanen gewiſſe Jahre vor- ſchreiben, nach deren Verflieſſung ſie vor ma- joren zu erklaͤren ſind. Sonſt iſt auch be- kandt, daß wenn einer erweiſt, wie man faͤhig ſey, ſeine Sachen mit Vernunfft zu verwalten, man auch noch wohl vor den Jahren, die in den buͤrgerlichen Geſetzen vorgeſchrieben ſind, ve- niam ætatis erlangen koͤnne. §. 9.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/246
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/246>, abgerufen am 21.11.2024.