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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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§. 26. Es pflegen zuweilen die Priester auff
dem Lande, wenn sie sich in ihrem Predigt-
Amt nicht gebührlich auffgeführet, und ihre
Pflicht, wie sie wohl gesollt, in Acht genommen,
zur Straffe von einer einträglichen Pfarre auff
eine andere gesetzt zu werden, da sie nicht so viel
Einkünffte zu geniessen haben, welche man poe-
nitenz-
Pfarren nennt. Es ist aber solches ge-
wiß vor eine ungereimte und päbstische Sache
zu halten, da man aus dem Gottesdienste ein
gewiß Handwerck macht, und nicht auff den
Haupt-Zweck, sondern auff die Erhaltung ei-
nes untüchtigen Lehrers siehet. Jst das nicht
etwas seltzames, weil sich der Priester bey dieser
Gemeinde nicht wohl auffgeführet, so wird er
einer andern vorgesetzt. Was hat dann diese
wohl gethan, daß sie mit einem untüchtigen Leh-
rer versorgt wird? So wird ja der Pfarrer
nicht allein, sondern auch die neue Gemeinde
bestrafft, die einen solchen überkommt; Jst
der Priester capable, einer Gemeinde vorzuste-
hen, so bestraffe man ihn lieber, wenn er es in
Sachen versehen, die nicht gar zu wichtig sind,
auff eine andere Art, ist er aber gantz und gar
unwürdig, in dem Predigt-Amt länger zu seyn,
so setze man ihn lieber ab, als daß man ihm eine
andere Gemeine anvertrauet.

§. 27. Es entstehen öffters unter den Geist-

lichen
S 4


§. 26. Es pflegen zuweilen die Prieſter auff
dem Lande, wenn ſie ſich in ihrem Predigt-
Amt nicht gebuͤhrlich auffgefuͤhret, und ihre
Pflicht, wie ſie wohl geſollt, in Acht genommen,
zur Straffe von einer eintraͤglichen Pfarre auff
eine andere geſetzt zu werden, da ſie nicht ſo viel
Einkuͤnffte zu genieſſen haben, welche man pœ-
nitenz-
Pfarren nennt. Es iſt aber ſolches ge-
wiß vor eine ungereimte und paͤbſtiſche Sache
zu halten, da man aus dem Gottesdienſte ein
gewiß Handwerck macht, und nicht auff den
Haupt-Zweck, ſondern auff die Erhaltung ei-
nes untuͤchtigen Lehrers ſiehet. Jſt das nicht
etwas ſeltzames, weil ſich der Prieſter bey dieſer
Gemeinde nicht wohl auffgefuͤhret, ſo wird er
einer andern vorgeſetzt. Was hat dann dieſe
wohl gethan, daß ſie mit einem untuͤchtigen Leh-
rer verſorgt wird? So wird ja der Pfarrer
nicht allein, ſondern auch die neue Gemeinde
beſtrafft, die einen ſolchen uͤberkommt; Jſt
der Prieſter capable, einer Gemeinde vorzuſte-
hen, ſo beſtraffe man ihn lieber, wenn er es in
Sachen verſehen, die nicht gar zu wichtig ſind,
auff eine andere Art, iſt er aber gantz und gar
unwuͤrdig, in dem Predigt-Amt laͤnger zu ſeyn,
ſo ſetze man ihn lieber ab, als daß man ihm eine
andere Gemeine anvertrauet.

§. 27. Es entſtehen oͤffters unter den Geiſt-

lichen
S 4
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[279/0299] §. 26. Es pflegen zuweilen die Prieſter auff dem Lande, wenn ſie ſich in ihrem Predigt- Amt nicht gebuͤhrlich auffgefuͤhret, und ihre Pflicht, wie ſie wohl geſollt, in Acht genommen, zur Straffe von einer eintraͤglichen Pfarre auff eine andere geſetzt zu werden, da ſie nicht ſo viel Einkuͤnffte zu genieſſen haben, welche man pœ- nitenz-Pfarren nennt. Es iſt aber ſolches ge- wiß vor eine ungereimte und paͤbſtiſche Sache zu halten, da man aus dem Gottesdienſte ein gewiß Handwerck macht, und nicht auff den Haupt-Zweck, ſondern auff die Erhaltung ei- nes untuͤchtigen Lehrers ſiehet. Jſt das nicht etwas ſeltzames, weil ſich der Prieſter bey dieſer Gemeinde nicht wohl auffgefuͤhret, ſo wird er einer andern vorgeſetzt. Was hat dann dieſe wohl gethan, daß ſie mit einem untuͤchtigen Leh- rer verſorgt wird? So wird ja der Pfarrer nicht allein, ſondern auch die neue Gemeinde beſtrafft, die einen ſolchen uͤberkommt; Jſt der Prieſter capable, einer Gemeinde vorzuſte- hen, ſo beſtraffe man ihn lieber, wenn er es in Sachen verſehen, die nicht gar zu wichtig ſind, auff eine andere Art, iſt er aber gantz und gar unwuͤrdig, in dem Predigt-Amt laͤnger zu ſeyn, ſo ſetze man ihn lieber ab, als daß man ihm eine andere Gemeine anvertrauet. §. 27. Es entſtehen oͤffters unter den Geiſt- lichen S 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/299>, abgerufen am 03.07.2024.