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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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differentismo Religionum, ingleichen die von
der Erleuchtung, von welchen die wenigsten Zu-
hörer, ob sie gleich den dritten Articul auswen-
dig können und wohl etzliche mahl erklären ge-
höret, sich deutliche Begriffe zu machen wissen.
Unter andern desiderire ich auch, daß den Zu-
hörern gar zu wenig geprediget wird von dem
ewigen Leben und von der ewigen Glückseelig-
keit, ja auch von der Höllen-Pein, welche doch
fleißiger und schärffer getrieben werden solte.
Denn diese beyde Lehren müssen die Menschen
zu allen denjenigen, was GOtt von ihnen ge-
than wissen will, an und hingegen von allen la-
sterhafften und bösen Wegen abhalten. Es
solten die Herrn Theologi das ewige Leben
nicht die ewige Seeligkeit, sondern die ewige
Glückseeligkeit nennen. Bey dem Worte See-
ligkeit machen sich die meisten Menschen einen
Begriff, der der Sache nicht recht proportio-
ni
rt und dunckel ist. Alle Menschen haben die
Begierde, eine wahre ewige Glückseeligkeit zu-
besitzen, die wenigsten aber lassen sich rechtschaf-
fen angelegen seyn, seelig zu werden. Nun ist
zwar wohl an dem, daß keine menschliche Zun-
ge vermögend ist, die Herrlichkeit des himmli-
schen Paradieses sattsam vorzustellen und auch
keinem Prediger jemahls ins Hertz gekommen,
was GOtt bereitet hat, denen die ihn lieben.

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differentiſmo Religionum, ingleichen die von
der Erleuchtung, von welchen die wenigſten Zu-
hoͤrer, ob ſie gleich den dritten Articul auswen-
dig koͤnnen und wohl etzliche mahl erklaͤren ge-
hoͤret, ſich deutliche Begriffe zu machen wiſſen.
Unter andern deſiderire ich auch, daß den Zu-
hoͤrern gar zu wenig geprediget wird von dem
ewigen Leben und von der ewigen Gluͤckſeelig-
keit, ja auch von der Hoͤllen-Pein, welche doch
fleißiger und ſchaͤrffer getrieben werden ſolte.
Denn dieſe beyde Lehren muͤſſen die Menſchen
zu allen denjenigen, was GOtt von ihnen ge-
than wiſſen will, an und hingegen von allen la-
ſterhafften und boͤſen Wegen abhalten. Es
ſolten die Herrn Theologi das ewige Leben
nicht die ewige Seeligkeit, ſondern die ewige
Gluͤckſeeligkeit nennen. Bey dem Worte See-
ligkeit machen ſich die meiſten Menſchen einen
Begriff, der der Sache nicht recht proportio-
ni
rt und dunckel iſt. Alle Menſchen haben die
Begierde, eine wahre ewige Gluͤckſeeligkeit zu-
beſitzen, die wenigſten aber laſſen ſich rechtſchaf-
fen angelegen ſeyn, ſeelig zu werden. Nun iſt
zwar wohl an dem, daß keine menſchliche Zun-
ge vermoͤgend iſt, die Herrlichkeit des himmli-
ſchen Paradieſes ſattſam vorzuſtellen und auch
keinem Prediger jemahls ins Hertz gekommen,
was GOtt bereitet hat, denen die ihn lieben.

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[309/0329] differentiſmo Religionum, ingleichen die von der Erleuchtung, von welchen die wenigſten Zu- hoͤrer, ob ſie gleich den dritten Articul auswen- dig koͤnnen und wohl etzliche mahl erklaͤren ge- hoͤret, ſich deutliche Begriffe zu machen wiſſen. Unter andern deſiderire ich auch, daß den Zu- hoͤrern gar zu wenig geprediget wird von dem ewigen Leben und von der ewigen Gluͤckſeelig- keit, ja auch von der Hoͤllen-Pein, welche doch fleißiger und ſchaͤrffer getrieben werden ſolte. Denn dieſe beyde Lehren muͤſſen die Menſchen zu allen denjenigen, was GOtt von ihnen ge- than wiſſen will, an und hingegen von allen la- ſterhafften und boͤſen Wegen abhalten. Es ſolten die Herrn Theologi das ewige Leben nicht die ewige Seeligkeit, ſondern die ewige Gluͤckſeeligkeit nennen. Bey dem Worte See- ligkeit machen ſich die meiſten Menſchen einen Begriff, der der Sache nicht recht proportio- nirt und dunckel iſt. Alle Menſchen haben die Begierde, eine wahre ewige Gluͤckſeeligkeit zu- beſitzen, die wenigſten aber laſſen ſich rechtſchaf- fen angelegen ſeyn, ſeelig zu werden. Nun iſt zwar wohl an dem, daß keine menſchliche Zun- ge vermoͤgend iſt, die Herrlichkeit des himmli- ſchen Paradieſes ſattſam vorzuſtellen und auch keinem Prediger jemahls ins Hertz gekommen, was GOtt bereitet hat, denen die ihn lieben. Je- U 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/329>, abgerufen am 22.11.2024.