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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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irre gemacht werden; manche würden Scrupel
bekommen, daß sie das Wort GOttes bißher
nicht so lauter und eigentlich nach dem Sinn
GOttes gehabt hätten und Gelegenheit neh-
men, auch an der Gültigkeit der neuen Uberse-
tzung zu zweiffeln, sie würden dencken, sind in
diese Ubersetzung solche Fehler eingeschlichen, da
man doch ein paar Secula durch sie vor gültig
und bewährt hat passiren lassen. Wer will
uns gut davor seyn, daß nicht in dieser neuen
Version auch welche anzutreffen seyn solten.
Vielleicht werden sich in ein hundert oder in
paar hundert Jahren Leute finden, die diese U-
bersetzung ebenmäßig verwerffen. Zum drit-
ten hat die Ubersetzung des seel. Lutheri an allen
Orten Teutschlandes ein groß Ansehen und Au-
tori
tät erlangt, welches nicht leicht eine andere
Version überkommen wird. Wenn nun
gleich eine andere Ubersetzung, die auch accura-
t
er seyn solte, als die bißherige ist, verfertiget
würde, so wird doch dieselbige nicht so genera-
lement
allenthalben recipiret werden, sondern
einige würden die neue Version approbiren,
andere es mit der alten halten und dadurch
nichts als Unordnung bey dem Religions-We-
sen verursachet werden. Ja es könte wohl
gar dahin kommen, daß eine jedwede Provintz
in Teutschland eine eigne Ubersetzung der Bibel

zu



irre gemacht werden; manche wuͤrden Scrupel
bekommen, daß ſie das Wort GOttes bißher
nicht ſo lauter und eigentlich nach dem Sinn
GOttes gehabt haͤtten und Gelegenheit neh-
men, auch an der Guͤltigkeit der neuen Uberſe-
tzung zu zweiffeln, ſie wuͤrden dencken, ſind in
dieſe Uberſetzung ſolche Fehler eingeſchlichen, da
man doch ein paar Secula durch ſie vor guͤltig
und bewaͤhrt hat paſſiren laſſen. Wer will
uns gut davor ſeyn, daß nicht in dieſer neuen
Verſion auch welche anzutreffen ſeyn ſolten.
Vielleicht werden ſich in ein hundert oder in
paar hundert Jahren Leute finden, die dieſe U-
berſetzung ebenmaͤßig verwerffen. Zum drit-
ten hat die Uberſetzung des ſeel. Lutheri an allen
Orten Teutſchlandes ein groß Anſehen und Au-
tori
taͤt erlangt, welches nicht leicht eine andere
Verſion uͤberkommen wird. Wenn nun
gleich eine andere Uberſetzung, die auch accura-
t
er ſeyn ſolte, als die bißherige iſt, verfertiget
wuͤrde, ſo wird doch dieſelbige nicht ſo genera-
lement
allenthalben recipiret werden, ſondern
einige wuͤrden die neue Verſion approbiren,
andere es mit der alten halten und dadurch
nichts als Unordnung bey dem Religions-We-
ſen verurſachet werden. Ja es koͤnte wohl
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in Teutſchland eine eigne Uberſetzung der Bibel

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[320/0340] irre gemacht werden; manche wuͤrden Scrupel bekommen, daß ſie das Wort GOttes bißher nicht ſo lauter und eigentlich nach dem Sinn GOttes gehabt haͤtten und Gelegenheit neh- men, auch an der Guͤltigkeit der neuen Uberſe- tzung zu zweiffeln, ſie wuͤrden dencken, ſind in dieſe Uberſetzung ſolche Fehler eingeſchlichen, da man doch ein paar Secula durch ſie vor guͤltig und bewaͤhrt hat paſſiren laſſen. Wer will uns gut davor ſeyn, daß nicht in dieſer neuen Verſion auch welche anzutreffen ſeyn ſolten. Vielleicht werden ſich in ein hundert oder in paar hundert Jahren Leute finden, die dieſe U- berſetzung ebenmaͤßig verwerffen. Zum drit- ten hat die Uberſetzung des ſeel. Lutheri an allen Orten Teutſchlandes ein groß Anſehen und Au- toritaͤt erlangt, welches nicht leicht eine andere Verſion uͤberkommen wird. Wenn nun gleich eine andere Uberſetzung, die auch accura- ter ſeyn ſolte, als die bißherige iſt, verfertiget wuͤrde, ſo wird doch dieſelbige nicht ſo genera- lement allenthalben recipiret werden, ſondern einige wuͤrden die neue Verſion approbiren, andere es mit der alten halten und dadurch nichts als Unordnung bey dem Religions-We- ſen verurſachet werden. Ja es koͤnte wohl gar dahin kommen, daß eine jedwede Provintz in Teutſchland eine eigne Uberſetzung der Bibel zu

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/340>, abgerufen am 22.11.2024.